Innitzer

Innitzer
Theodor Kardinal Innitzer in Cappa Magna, ca. 1933

Theodor Kardinal Innitzer (* 25. Dezember 1875 in Neugeschrei bei Weipert, Nordböhmen; † 9. Oktober 1955 in Wien) war Erzbischof der Erzdiözese Wien.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er war Sohn eines Fabrikarbeiters, nach der Pflichtschule Lehrling in einer Textilfabrik. Der Dechant seiner Heimatgemeinde ermöglichte ihm den Besuch des Gymnasiums. 1898 trat er ins Wiener Priesterseminar ein und wurde am 25. Juli 1902 zum Priester geweiht. Er war zunächst Kaplan in Pressbaum, danach 1910 Studienpräfekt und später Subregens des Wiener Priesterseminars.

1906 promovierte er zum Dr. theol. an der Universität Wien und habilitierte sich im Jahr 1908. Er war danach Privatdozent, 1911 bis 1932 Professor und ab 1913 Inhaber des Lehrstuhles für neutestamentliche Exegese an der Universität Wien. 1923 gründete er die Gesellschaft der Missionsschwestern Königin der Apostel (Societas Regina Apostolorum). 1928/1929 wurde er Rektor der Universität Wien. 1929/1930 gehörte er als Sozialminister dem Kabinett Schober III an.

Am 19. September 1932 wurde er von Pius XI. zum Erzbischof von Wien ernannt und am 16. Oktober zum Bischof geweiht. Von 1932 bis 1949 war er auch Apostolischer Administrator des Burgenlandes. 1933 wurde er als Kardinalpriester mit der Titelkirche San Crisogono in das Kardinalskollegium aufgenommen. Im selben Jahr gründete er das Dom- und Diözesanmuseum. Die Ausschaltung des Parlaments samt der Errichtung einer autoritären Diktatur durch Engelbert Dollfuß wurden von Innitzer begrüßt. Die Katholische Kirche war in den folgenden Jahren einer der Stützpfeiler des austrofaschistischen Systems.

Viel Kritik rief sein Verhalten nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich hervor. Er sprach sich - unter starkem Druck der nationalsozialistischen Führung - vor der Volksabstimmung über den Anschluss am 10. April 1938 für diesen aus, stattete Adolf Hitler am 15. März 1938 im Hotel Imperial einen Höflichkeitsbesuch ab und unterzeichnete am 18. März gemeinsam mit den Bischöfen eine von Gauleiter Bürckel verfasste Feierliche Erklärung, die den Anschluss Österreichs befürwortete. Von Bürckel beraten, unterschrieb Innitzer das Begleitschreiben handschriftlich mit der Formel ... und Heil Hitler!. Diese Erklärung wurde zusammen mit einer Kopie dieses Hitlergrußes ohne Zustimmung der Bischöfe im ganzen Deutschen Reich durch Plakate verbreitet. In Rom musste Innitzer auf Wunsch von Papst Pius XI. am 6. April eine Klarstellung unterzeichnen, die aber nur im Osservatore Romano veröffentlicht wurde. Die Hoffnung auf einen - versprochenen - kirchenfreundlichen Kurs des neuen Regimes erfüllte sich nicht. Bald wurden kirchliche Zeitungen und Vereine verboten. Auch das Konkordat wurde aufgehoben.

Am 7. Oktober 1938 hatte Kardinal Innitzer wie jedes Jahr die Jugend zu einer Andacht zum traditionellen Rosenkranzfest eingeladen. Aufgrund des bestehenden Verbots katholischer Vereine, rechnete man mit 300 oder höchstens mit 2.000 Jugendlichen. Doch füllten ca. 9.000 Jugendliche den Stephansdom bis auf den letzten Platz, so dass eine eindrucksvolle Atmosphäre entstand. Innitzer predigte zu den Jugendlichen die berühmt gebliebenen Worte: „Jetzt [müssen wir uns] umso standhafter zum Glauben bekennen, zu Christus - unserem Führer!“ und die Menge brach in Jubel aus. Nach der Andacht zogen die Jugendlichen Kirchenlieder singend zum Palais der Erzbischofs, wo sie riefen: „Wir wollen unseren Bischof sehen!“. Am folgenden Tag stürmten Trupps der Hitlerjugend das Palais, sie zertrümmerten Fenster, zerstörten Gemälde und warfen Möbel zum Fenster hinaus. Erst nach 40 Minuten, als die gewalttätige Jugend längst verschwunden war, traf langsam die Polizei ein. Viele Historiker sehen in dieser Andacht und der Rosenkranz-Demonstration den Ursprung des katholischen österreichischen Widerstandes.

1940 gründete er die Erzbischöfliche Hilfsstelle für nichtarische Katholiken. Sie verhalf hunderten katholischen "Nichtariern" zur Flucht in ein sicheres Ausland.

Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.Ö.H.V. Nordgau Wien im ÖCV.

In dem US-amerikanischen Spielfilm Der Kardinal (The Cardinal, 1963) wurde Kardinal Innitzer von Josef Meinrad dargestellt.

Siehe auch: Kardinal-Innitzer-Preis

Werke

  • Johannes der Täufer. Nach der heiligen Schrift und der Tradition dargest. von Theodor Innitzer. Mayer, Wien 1908
  • Kommentar zum Evangelium des heil. Lukas mit Ausschluß der Leidensgeschichte. (Von Franz Xaver Pölzl. 2. umgearb. Aufl. bes. von Theodor Innitzer.) Graz u. Wien 1912
  • Hofrat Dr. Fr. X. Pölzl. Styria, Graz 1915
  • Kommentar zum Evangelium des heiligen Markus mit Ausschluß der Leidensgeschichte. (Begründet von Franz Xaver Pölzl. 3. umgearb. Aufl. bes. von Theodor Innitzer.) Graz u. Wien 1916.
  • Kurzgefaßter Kommentar (Commentar) zu den vier heiligen Evangelien. (Begründet von Franz Xaver Poelzl fortgesetzt von Theodor Innitzer. 4 verb. Aufl.) Graz 1928
  • Die Religion der Erde in Einzeldarstellungen. (Gemeinsam mit Fritz Wilke.) Leipzig u. Wien 1929
  • Das Heilige Jahr und der Friede In Hoffmann, Hermann: Die Kirche und der Friede. 1933
  • Er ist auferstanden! Bilder v. Josef v. Führich. Erklärung v. Theodor Innitzer. Bernina, Wien 1949
  • Glaubensbrief. Herder, Wien 1939-40
  • Was tun wir selbst? Kardinal-Erzbischof Theodor Innitzer u. Erzbischof-Koadjutor Franz Jachym rufen zur Hilfe f. junge Familien. Kath. Familienwerk d. Erzdiözese Wien, Wien 1951

Literatur

  • Hellmut Butterweck: Österreichs Kardinäle: von Anton Gruscha bis Christoph Schönborn. Ueberreuter, Wien 2000. ISBN 3-8000-3764-5
  • Maximilian Liebmann: Kardinal Innitzer und der Anschluß - Kirche und Nationalsozialismus in Österreich 1938. Graz 1982
  • Franz Loidl: Geschichte des Erzbistums Wien. Herold, Wien 1983. ISBN 3-7008-0223-4
  • Franz Loidl: Insultation Kardinal Innitzers durch Radikal-Nationalsozialisten anfangs Juli 1939. 1976
  • Matthias Platzer: Kardinal Theodor Innitzer: (1875 - 1955) (Dipl.-Arb.) Universität Wien, 2000
  • Viktor Reimann: Innitzer - Kardinal zwischen Hitler und Rom. (Überarb. Neuausgabe.) Amalthea, Wien/München 1988

Weblinks


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