Inschriftenforscher

Inschriftenforscher
Noreia-Weihestein über dem Kirchenportal auf dem Ulrichsberg, Kärnten

Die Epigraphik bzw. Epigrafik („Inschriftenkunde“, von altgriechisch ἐπιγραφή epigraphē „Inschrift, Aufschrift“) ist eine historische Hilfswissenschaft, die insbesondere für die Alte Geschichte von Bedeutung ist; sie befasst sich mit Inschriften bzw. Aufschriften auf verschiedenen Materialien wie Holz, Stein, Glas, Marmor, Metall, Leder usw.

Antike Inschriften

Da solche Inschriften haltbarer sind als Dokumente auf gewöhnlichen Schreibmaterialien wie Papier oder Pergament, sind epigraphische Quellen oft die einzigen Mittel, um Informationen über untergegangene Kulturen zu erhalten.

Um das Ausmaß, in dem Inschriften gesetzt wurden, sowie die jeweils üblichen Anlässe und Inhalte zu bezeichnen, sprechen Althistoriker im Anschluss an Ramsay McMullen meist vom epigraphic habit einer bestimmten Zeit. Insgesamt lässt sich in der Antike beobachten, dass Zahl und Qualität der überlieferten epigraphischen Zeugnisse im 2. Jahrhundert einen Höhepunkt erreichen und etwa nach dem Jahr 260 rapide abnehmen; dennoch wurden auch in der Spätantike noch griechische und lateinische Inschriften gesetzt – im Westen bis ins 6. Jahrhundert, in Ostrom sogar noch einige Jahrzehnte länger.

Da ein Großteil der Texte in Marmor graviert wurde, der später oft zu Kalk gebrannt wurde, während andere Inschriften auf Metall (das oft eingeschmolzen wurde) oder vergänglichem Material angebracht wurden, ist der größte Teil der ursprünglich vorhandenen Inschriften im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen. Wir besitzen daher nur noch einen zufälligen Ausschnitt der einst vorhandenen Texte.

Inschriftengattungen

Man unterscheidet verschiedene Inschriftengattungen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen:

  • Weihinschrift: Ist zum Dank an eine Gottheit gerichtet. Es handelt sich um eine Art Pakt zwischen dem Auftraggeber der Inschrift und der Gottheit („Wenn Gottheit X die Tat XY für Person Y vollbringt, setzt Person Y der Gottheit zum Dank eine Inschrift“). In diesem Zusammenhang taucht auf antiken lateinischen Inschriften oft die Abkürzung VSLM auf, die bedeutet votum solvit libens et merito „Gelübde gerne und aus freiem Willen erfüllt“.
  • Ehreninschrift: Auf einer „Ehrung“, z. B. einer Statue oder einem anderen Monument angebracht, Die Inschrift selbst ist nicht die Ehrung, sondern nur eine Erläuterung.
  • Grabinschrift: ist auf einem Grab angebracht.
  • Bauinschrift: ist auf Gebäuden oder z. B. auf Meilensteinen angebracht; der Bauherr wird in Erinnerung gerufen (In dem Artikel Hausinschrift werden die verschiedenen Inschriften-Arten an neuzeitlichen Häusern genauer unterschieden).
  • Kleininschrift: Alles, was nicht in die obigen Kategorien passt (z. B. Militärdiplom, Name auf Keramikschüssel)

Die Übergänge zwischen den Inschriftengattungen sind fließend. So kann etwa eine Bauinschrift auch gleichzeitig eine Ehreninschrift darstellen, da das beschriftete Gebäude eine Ehrung für eine Person darstellt.

Inschriften des Mittelalters und der Neuzeit

Mehrsprachige Grabplatte in Palermo, 1148
Grabmal der Alberada von Buonalbergo in Venosa, Ende 11. Jahrhundert

Mit der Aufarbeitung der Inschriften aus Mittelalter und Neuzeit beschäftigt sich in Deutschland und Österreich das Publikationsunternehmen Die Deutschen Inschriften. In München dient das Epigraphische Forschungs- und Dokumentationszentrum als zentrale Anlaufstelle für Fragen der Epigraphik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit in ganz Europa.

Wichtige Aspekte zur Analyse einer Inschrift

Bei der Analyse von Inschriften ist stets der Entstehungs- und Anbringungskontext zu berücksichtigen, nicht nur der Text selbst.

  • Wo ist die Inschrift aufgestellt worden? (Standort)
  • Wer hat die Inschrift in Auftrag gegeben? (Autor)
  • An wen war die Inschrift gerichtet? (Adressat)
  • Aus welchen Gründen ist die Inschrift/der Schriftträger entstanden? (Anlass/Kontext)

Siehe auch

Literatur

Epigraphik der Antike allgemein

  • François Bérard: Guide de l’épigraphiste. 3. Auflage. Presses de l’École Normale Supérieure, Paris 2000, ISBN 2-7288-0254-8 (Nachträge online).
  • John Bodel (Hrsg.): Epigraphic evidence. Ancient history from inscriptions. Routledge, London 2001, ISBN 0-415-11623-6.
  • Alison E. Cooley: The afterlife of inscriptions. Reusing, rediscovering, reinventing & revitalizing ancient inscriptions. Institute of Classical Studies, London 2000, ISBN 0-900587-86-5.
  • Louis Robert: Die Epigraphik der klassischen Welt. Habelt, Bonn 1970.

Griechische Epigraphik

  • Günther Klaffenbach: Griechische Epigraphik. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1966.
  • Gerhard Pfohl (Hrsg.): Das Studium der griechischen Epigraphik. Eine Einführung. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, ISBN 3-534-04340-5.

Lateinische Epigraphik der Antike

  • Knud Paasch Almar: Inscriptiones Latinae. Eine illustrierte Einführung in die lateinische Epigraphik. Odense Univ. Press, Odense 1990, ISBN 87-7492-701-9.
  • Jean-Marie Lassère: Manuel d’épigraphie romaine. 2 Bände. 2. Auflage. Picard, Paris 2007 (auch griechische Inschriften der römischen Zeit; Kurzbeschreibung).
  • Ramsay MacMullen: The Epigraphic Habit in the Roman Empire. In: American Journal of Philology 103, 1982, S. 233–246 (grundlegender Aufsatz).
  • Manfred G. Schmidt: Einführung in die lateinische Epigraphik. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-14343-4.

Epigraphik des Mittelalters und der Neuzeit

  • Rudolf M. Kloos: Einführung in die Epigraphik des Mittelalters und der frühen Neuzeit. 2. Auflage. Wiss. Buchgesellschaft, 1992, ISBN 3-534-06432-1.
  • Renate Neumüllers-Klauser (Hrsg.): Vom Quellenwert der Inschriften. Winter, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04539-0.
  • Walter Koch: Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik (1985–1991). Hahn, Hannover 1994, ISBN 3-88612-114-3 (Monumenta Germaniae Historica, Hilfsmittel, 14).
  • Franz-A. Bornschlegel, Maria Glaser und Walter Koch: Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik (1992–1997). Hahn, Hannover 2000, ISBN 3-7752-1126-8 (Monumenta Germaniae Historica, Hilfsmittel, 19).
  • Franz A. Bornschlegel und Walter Koch: Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik (1998–2002). Hahn, Hannover 2005, ISBN 3-7752-1129-2 (Monumenta Germaniae Historica, Hilfsmittel, 22).

Zeitschriften

Schriftenreihen

  • Asia-Minor-Studien. Habelt, Bonn 1990 ff.
  • Beiträge zur Alten Geschichte, Papyrologie und Epigraphik (2006 mit Band 21 erschienen)
  • Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien. Steiner, Stuttgart 1986 ff.
  • Subsidia epigraphica. Quellen und Abhandlungen zur griechischen Epigraphik. Olms, Hildesheim 1972 ff.

Weblinks

Antike

Mittelalter und Neuzeit

Bilder


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