Judith und Holofernes (Nestroy)

Judith und Holofernes (Nestroy)

Judith und Holofernes ist eine Travestie in einem Akt von Johann Nestroy. Die Erstaufführung fand am 13. März 1849 im Carltheater statt. Der Autor spielte Joab, einen Volontär in der hebräischen Armee. Die Musik stammt von Michael Hebenstreit.

Mit Judith und Holofernes travestiert Nestroy das Werk Judith von Friedrich Hebbel.

Es existieren zwei Fassungen des Werkes: Die Urfassung und die Endfassung. Dieser Artikel bezieht sich, falls nicht anders angegeben immer auf die erstere.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsangabe

Der Feldherr Holofernes ist stolz, dass er noch nie eine Schlacht verloren hat und damit für König Nebucadnezars Erfolge verantwortlich ist. Er ist sehr von sich selbst eingenommen und dementsprechend arrogant tritt er dem Gesandten von Mesopotamien entgegen, der die bedingungslose Kapitulation seines Königs überbringt. Holofernes kündigt ihm die völlige Vernichtung des sich zuletzt unterwerfenden Volkes an. Deshalb weist der Gesandte darauf hin, dass sich das Volk von Bethulien (eine Stadt der Hebräer) noch nicht unterworfen habe. Dieses Volk liebe die Künste und Wissenschaften, sei aber nicht an Handwerk und Ackerbau interessiert. Ihre Armee sei schwach, doch wirke der Himmel Wunder für sie. Des Weiteren sei ihr Gott zugleich ihr König. Sofort macht sich Holofernes mit seinen Soldaten auf den Weg nach Bethulien.

Mit großem Unbehagen betrachten Ammon und Hosea die gewaltige Armee des Holofernes vor den Toren ihrer Stadt. Hosea schlägt vor, alle Nahrungsmittel aufzukaufen und im Falle einer Hungersnot mit hohem Gewinn wieder zu verkaufen. Im Gespräch wird klar, dass die einzig wirkliche Sorge der Bevölkerung ist, dass die Aktien fallen.

Alle Bürger werden zu den Waffen gerufen, doch hat niemand Lust, tatsächlich in eine Schlacht zu ziehen. Selbst der Hohepriester Jojakim weiß weder Rat noch Trost, er meint nur, dass sie alle für die eigenen Sünden oder die Sünden ihrer Vorfahren sterben werden.

Jojakims Sohn Joab tritt auf und "analysiert" die Gesamtsituation. Jojakim und Joab bedauern die Abwesenheit Judiths, Joabs Schwester, die nun zur Retterin ganz Israels werden könnte. Als Jojakim jedoch die unglaubliche Ähnlichkeit der beiden Geschwister betont, kommt Joab eine Idee.

Obwohl die Hungersnot immer größer wird, will keiner der Hebräer Krieg führen. Schließlich schlägt Assad vor, Holofernes einfach freundlich das Stadttor zu öffnen und ihn als Herrscher anzuerkennen. Nach diesem Vorschlag öffnet sein stummer Bruder Daniel seinen Mund und fordert die anderen auf, Assad zu steinigen. Jojakim entscheidet, dass Assad leben darf, aber Daniel ist offensichtlich "gottbegeistert". In diesem Moment verkündet Nathan aufgeregt, er habe eine Nachricht erhalten, die, wenn sie bekannt würde, alle Aktien um 50 Prozent fallen ließe. Daniel fordert, Nathan zu steinigen, und das Volk schleppt den Mann fort. Genauso fordert er die Steinigung eines Schneiders, der auf die Begleichung Daniels Schulden drängt. Über Hosea erfährt Daniel Nathans letzte Worte. Er sagte, dass Daniel sein Urteil noch bereuen würde, denn Nathan war Daniel noch über 3000 Gulden schuldig, die jedoch an einer unbekannten Stelle vergraben wären. Vor Schreck verstummt Daniel wieder und gebärdet sich wie ein Irrer.

Siegessicher kündigt Holofernes die Brandschatzung Bethuliens für den folgenden Tag an. Als Judith verkleidet erscheint Joab im Zelt des Holofernes, der sofort Gefallen an der schönen Hebräerin findet und sie deshalb zu sich ins Zelt einlädt.

Während Holofernes seinen scheinbaren Rausch ausschläft, glaubt Joab, die Gelegenheit zur Ermordung des verhassten Belagerers gefunden zu haben. Er schlägt ihm den Kopf ab, doch Holofernes hat dies geahnt und eine Puppe mit Pappkopf vorbereitet. Der Feldherr hat sich längst in Sicherheit gebracht und will Joab festnehmen. Seine Soldaten aber bemerken nicht, dass der vom Rumpf getrennte Kopf aus Pappe ist und flüchten in der Annahme, ihr Feldherr sei enthauptet worden. Auf diese Weise gelingt es den Hebräern, das Lager einzunehmen und Holofernes gefangen zunehmen.

Reaktionen

Die Reaktionen auf Nestroy Judith und Holofernes waren sehr unterschiedlich. Einerseits wurde das Werk hochgepriesen, andere sahen darin eine Beleidigung Friedrich Hebbels. Über Hebbels Reaktion gibt es zwei Quellen: Die eine meint, Friedrich Hebbel sei über die Parodie höchst amüsiert gewesen, aus der anderen Quelle geht hervor, dass Hebbel sich über Nestroys Parodie geärgert habe.

Ursprünglich war Hebbel von Nestroys Werken begeistert, so schreibt er am 27. Juni 1847, nachdem er dieNestroysche Posse Der Schützling gesehen hatte, in sein Tagebuch:

„. . . ich selbst klatschte wacker mit . . . Ich kann Nestroy freilich nicht mit Fritz Schwarzenberg, dem Landsknecht, einen modernen Shakespeare nennen, aber ich verkenne durchaus nicht sein gesundes Naturell, sein tüchtiges Talent und schätze ihn höher wie das Meiste, was sich in Wien auf Jamben-Stelzen um ihn herum bewegt“

Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe; Besorgt von Richard Maria Werner; Zweite Abteilung, Dritter Band; Berlin: Behr 1904; Seite 249 f, Zeile 87 ff

Die Aufführung der Travestie selber war eigentlich sehr gewagt, da das Carltheater mitten in der Leopoldstadt lag, der Stadtteil, in dem um 1850 die meisten Juden wohnten. Trotzdem wurde Judith und Holofernes ein Erfolg und das Werk brachte es auf 67 Aufführungen.

Etliche jüdische Schriftsteller in Wien fühlten sich durch Judith und Holofernes beleidigt und so musste das Werk 1849 bald vom Spielplan genommen werden. Bei der Wiederaufnahme 1856 gab es dann weniger Probleme.

Als das Werk 1849 aufgeführt wurde, wurde der Name Nestroys als Verfasser verschwiegen, 1856 war er allerdings auf dem Theaterzettel zu finden.

Bis heute ist es umstritten, ob Nestroy ein wirklich antisemitisches Werk schaffen, oder einfach nur die Wiener Juden parodieren wollte. Aus diesen Grund wurde Judith und Holofernes nach Ende des Zweiten Weltkriegs nur sehr selten aufgeführt.

Allgemeines

Nestroys Judith und Holofernes ist ein Musterbeispiel für eine Travestie. Nestroy übernimmt Thematik und Handlung aus Hebbels Judith und ergänzt diese mit anderen Motiven und Anspielungen auf Bibel und Politik. Er verwendet die herkömmlichen Mittel der Parodie: Konzentration des Stoffes, Übertreibungen, Trivialisierungen, Anachronismen und Dialektausdrücke.

Nestroy verkürzt das Originalwerk so drastisch, dass aus fünf Akten in Judith 24 Szenen in Judith und Holofernes werden. Darüber hinaus konzentriert er sich auf die Ehegeschichte von Judith und Manasses, die scheinbare Enthauptung des Holofernes und die anspielungsreichen Volksszenen in Bethulien.

Charakteristik

Im Prinzip übernimmt Nestroy alle Charaktere des Originals, bis auf die eigentliche Hauptperson Judith. Er erfindet stattdessen den Bruder Joab, der die Rolle der Judith übernimmt und dem Holofernes vorgaukelt, er sei eine Frau. Das Motiv für die Änderung dieses Hauptcharakters mag wohl darin liegen, dass die Zensur einen weiblichen Held nicht geduldet hätte und dass Nestroys bessere Schauspieler in erster Linie Männer waren.

Holofernes

Nestroy macht Holofernes lächerlich, indem er die Eigenschaften des Hebbelschen Holofernes übertreibt. Die Soldaten, die ihn preisen, fürchten sich eigentlich vor ihm.

So heißt es im Anfangschor:

„Weil er uns sonst niederhaut, Preisen wir ihn alle laut!“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 87, Zeile 14-15

Nestroys Holofernes ist außerdem noch jähzorniger als der Hebbelsche. Er tötet seine Hauptleute wegen banaler Aussagen, wie zum Beispiel, dass einer der Hauptleute die durchs Lager gehende Judith schön findet.

Holofernes ist in Judith und Holofernes wesentlich mehr von sich selbst eingenommen, als in Judith. So sagt er bei seinem ersten Auftritt:

„Da bin ich, jetzt kann’s angehn.“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 87, Zeile 20

Außerdem sieht er sich als wichtigste Persönlichkeit:

„Ich bin der Glanzpunckt der Natur, noch hab’ ich keine Schlacht verloren, ich bin die Jungfrau unter den Feldherrn. Ich möcht’ mich einmal mit mir selbst zusammenhetzen, nur um zu sehn, wer der Stärckere is, ich oder ich.“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 88, Zeile 23-24

Außerdem kümmert sich überhaupt nicht um die Götter und er macht sich über seinen König lustig.

Achior

Der Achior aus Hebbels Judith ist ein gottesfürchtiger Ammoniter. Er möchte das Volk der Israeliten schützen und warnt Holofernes vor ihrem Gott, hoffend dass dieser deshalb die Hebräer verschone. Als Strafe wird er nach Bethulien geschickt, damit er mit Israel stirbt. Es scheint so, als wäre er Holofernes nicht wirklich treu, sondern gezwungen, mit ihm zu kämpfen.

Nestroy gibt seinem Achior eine komplett neue Bedeutung. Er wird nicht von Holofernes verbannt, sondern ist ihm treu und bleibt bei seinem Herrn bis zum Ende, der scheinbaren Judith misstrauend.

Jojakim

Der Oberpriester in Judith ist ein der Bibel nachempfundener Gottesdiener. Er lebt abseits der Realität und weiß eigentlich nicht, was in der Stadt und in der Welt passiert. Als Holofernes vor der Stadt steht, weiß er nicht, was zu tun ist. In weiterer Folge, als die Bevölkerung Bethuliens zu dursten beginnt, heben sich in der Stadt schon Stimmen gegen ihn. Jojakim ist mit Judith oder einem anderen Charakter des Werkes Judith nicht verwandt.

Nestroys Jojakim ist hingegen eine sympathische Persönlichkeit, wohl auch deshalb, weil er mit Judith - er ist ihr Vater - verwandt ist und mit seinem Sohn Joab über die Probleme der Stadt diskutiert. Allerdings entspricht die einzige Sorge des Hohenpriesters, die Aktien würden fallen, eben dem Bild der Juden des 19. Jahrhundert.

Judith - Joab

Im Hebbelschen Original rettet die verwitwete Jungfrau Judith Bethulien, indem sie ins Lager des Holofernes eindringt und ihn nach ihrer Vergewaltigung ermordet. An sich ist Judith eine tugendhafte Frau, die gottesfürchtig lebt und für ihre guten Taten bekannt ist.

Sie will ihr Volk retten und eben deshalb geht sie aus freien Stücken ins Lager des Holofernes. Sie persönlich steht vor dem Zwiespalt, einerseits ihre Jungfräulichkeit zu bewahren und andererseits ihr Volk zu retten, wobei zu sagen ist, dass sie von Holofernes beeindruckt ist und ihn gewissermaßen begehrt. Die „Sünde” der Kohabitation wird durch die Rettung Bethuliens legitimiert. Allerdings schämt sich Judith auch dafür, deshalb erzwingt sie von Bethulien das Versprechen ermordet zu werden, falls sie schwanger ist, wohl auch bedenkend, dass sie ihrem Kind nie erklären können wird, warum sie dessen Vater ermordet hat.

Nestroy parodiert Judith, indem er sie durch ihren Bruder ersetzt, der ihre Rolle geschickt übernimmt. Joab ist bei weitem nicht so moralisch wie seine Schwester Judith, ist sich aber sehr wohl der Wichtigkeit seiner Mission bewusst. In der 15. Szene repräsentiert Joab das Bild des typischen Juden, der nur ans Geld und an Aktien denkt.

Mirza

Mirza ist im Original die Magd Judiths, gleichzeitig aber auch ihre beste Freundin. Sie ist ihr treu ergeben und folgt ihr auch, obwohl sie die Gefahr kennt, ins Lager des Holofernes. Mirza stellt zudem die Vermittlerperson zwischen Ephraim, der Judith liebt und Judith, die Ephraim nicht liebt, dar.

Die Bedeutung von Mirza in Judith und Holofernes ist im Gegensatz zum Original gering, sie fungiert lediglich als Begleiterin Joabs ins Lager des Holofernes. Sie kennt Joabs eigentliche Identität und fürchtet, dass diese entdeckt wird.

Daniel

Der „stumme Prophet” aus Judith spricht 30 Jahre lang kein Wort, nur um dann die Stimme zu finden und zu sagen, dass sein Bruder, der sich um ihn kümmert, gesteinigt werden soll. Nach der Steinigung des letzteren, sucht er seinen Bruder, darum will ihn das Volk steinigen, was aber von einer Bürgerin verhindert.

Das Handeln Daniels ist vollkommen unklar, es scheint, als würde wirklich Gott durch ihn sprechen. Sein Tun macht eigentlich keinen Sinn, es ist weder für die Handlung wichtig, noch versucht es eine Lehrbotschaft zu vermitteln.

Nestroy parodiert Daniel ganz besonders. Dieser erhebt nämlich die Stimme gegen all jene, bei denen er Schulden hat. Als er auch die Stimme gegen seinen Bruder erhebt, meint das Volk, er sei verrückt.

Die Bürger Bethuliens

Bei Hebbel stellen die Bürger Bethuliens fromme Juden dar, die durch die Belagerung des Holofernes teilweise ihre Gottesfurcht verlieren. Die Charakteristik der Juden scheint direkt aus der Bibel übernommen worden zu sein.

Im Gegensatz dazu steht die klischeehafte Darstellung der Juden durch Nestroy: Die Juden Bethuliens denken nur an Geld und Aktien, sie haben keine Ahnung von Ackerbau oder Kriegsführung.

Anachronismen in Judith und Holofernes

Die Komik der Travestie liegt darin begründet, dass das Geschehen ständig zwischen Bethulien und Wien wechselt. Nestroy stellt die bethulischen Juden als Wiener Juden dar. Judith und Holofernes spielt eigentlich lange vor Christus, die handlungstragenden Charaktere ziehen trotzdem des Öfteren Parallelen zu aktuellen Geschehnissen (des 19. Jahrhunderts).

In der 7. Szene heißt es:

„Hier ist die Götterfabrik! Was in der neuen Zeit durch Bajonette geht, das richten wir, die grauen Vorzeitler, mit dem Schwerdt.“

Johann Netstroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 90, Zeile 8-9

Dem Wiener Publikum war mit dem Bajonett sehr vetraut, da im Revolutionsjahr 1848 Wien von Fürst Windischgretz mit Waffengewalt eingenommen worden war. Dieses Zitat ist von Nestroy wohl auch als Anspielung auf 1848 gedacht.

In der 8. Szene heißt es: {Zitat|is es soweit von Mesopotamien bis daher? Warum habt ihr euch keinen Separat-train spendiert?|Johann Netstroy|Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 91, Zeile 17-18}. Die Eisenbahn war im 19. Jahrhundert in Österreich sehr populär. Nestroy dürfte von ihr sehr begeistert gewesen sein, da er in seinen Werken immer wieder darauf anspielt.

Der Vergleich mit Wien ist bei Nestroy sehr beliebt:

„mit so einem Helden hat er’s noch nie zu tun g’habt, da is keiner in ganz Wien, will ich sagen, in ganz Assirien keiner, der mir’s Wasser reicht.“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 92, Zeile 9-12

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Nestroy lässt seine Juden sehr viele Anachronismen verwenden, um das Bild des geldliebenden Juden zu zeichnen:

„Exercieren und versäumen die Börs -?“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 92, Zeile 9-12

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Im Monolog Joabs in der 14. Szene kommen überhaupt viele Anachronismen vor, so zum Beispiel

„Überhaupt d’ größten Generale find’t man in der biblischen G’schicht’“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 93, Zeile 28

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Das Wort Bibel verwenden eigentlich nur die Christen. Im Judentum gibt es nur das alte Testament, den Tanach. Nestroy bezieht sich auch auf „Helden” der Neuzeit:

„Was war der Überschwemmungsheld Noah für ein Admiral, dieser sündfluthige Columbus und Nelson in einer Person!“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 96, Zeile 5-7

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Manasses und Judith in Original und Parodie

Im biblischen Buch Judit ist erwähnt, dass die Witwe mit Manasses verheiratet war. Auf die von Hebbel verwendete Sexualproblematik finden sich keinerlei Anspielungen.
Nestroy parodiert die Ehegeschichte der Judith, indem er alles, was sich bei Hebbel auf Judith und Manasses bezieht, in seine 24. Szene packt, in der der verkleidete Joab Holofernes die Geschichte Judiths Ehe erzählt.

Während Judith im Hebbelschen Original traurig über ihre vergangene Ehe ist, macht Joab über Manasses Witze. Da Joab, sobald er Judith darstellt, nur noch in Knittelversen spricht, verleiht er der Szene noch mehr Komik.

„Der Manasses hüpft vor Wonne, und zärtlich grinst er:
«O Judith, ich seh dich auch in der Finster.»
Nun ja, er konnte leicht mich sehn,
Denn der Mondschein schien schon schön.
Mich schwach nur sträubend, sink’ ich in ein Fauteuil;
Da springt er zurück - rührt sich nicht von der Stell’.
Unbeweglich - mir graut -
‘s hat grad so ausg’schaut,
Als hätt’ ihm ein Dämon von unten
Die Füß’ an ein’n Felsen an’bunden.
Ich denk’ mir: was ist’s denn, was treibt er.
Doch in seiner Stellung verbleibt er.
«Willst mich schrecken» - sag’ ich - «genug des Spaßes,
Komm zu deiner Braut, du garstiger Manasses!»“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 108, Zeile 20-33

Sprachliche Elemente in Judith und Holofernes

Nestroy passt den Sprachstil prinzipiell individuell den Charakteren an. So auch in Judith und Holofernes. Keiner der Charaktere spricht Hochdeutsch.
So sprechen die Juden in den Volksszenen typischerweise im „jüdischen Jargon” von Wien. Man kann sich vorstellen, dass die jüdischen Schriftsteller darüber nicht sonderlich erfreut waren.

In der ersten Szene verhöhnt Nestroy die Gewohnheit von Opernlibrettisten, Reimworte zu wiederholen:

„Er ist der Feinde Schrecken, Schrecken, Schrecken,
Tut alles niederstrecken, -strecken, -strecken;
Blitzstrahl ist sein Grimm, Grimm, Grimm,
Donner seine Stimm’, Stimm’, Stimm’!“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 110, Zeile 13-14

Nestroy lässt Holofernes im Wiener Dialekt sprechen. Das führt dazu, dass dieser Charakter sehr persönlich, wenn auch lächerlich, erscheint. Die Ernsthaftigkeit von Holofernes, im Gegensatz zum Hebbels Original Judith, geht somit gänzlich verloren.

Von besonderer Wichtigkeit sind die Knittelverse, die Joab spricht, solange er Judith darstellt. Um ihnen eine besondere Nuance zu verleihen, reimt Nestroy gewaltsam auf Namen. Um parodistische Wirkung zu erzielen, kann der Namen im nächsten Vers einen Spaltreim bedingen. Ein Beispiel wäre: «Judith - Wuth nit», «waß es - Manasses» oder «Holofernes - kälbernes».
Die lächerliche Wirkung wird zusätzlich verstärkt, indem es sich meistens um Namen handelt, die im Original der Sphäre des Erhabenen angehören und in der Travestie durch die Spaltung und die dadurch bedingte veränderte Betonung ihren erhabenen Klang verlieren: Das Große wird in ein Nichts verwandelt.

Vorwurf des Antisemitismus

Wie schon oben erwähnt, ist ungeklärt, ob Nestroy in seinem Werk Judith und Holofernes die Wiener Juden aus Antisemitismus der Lächerlichkeit preisgeben wollte oder er sich einfach so über sie lustig machte. Letzteres ist zwar nahe liegender, da das Theater, in dem Judith und Holofernes gespielt wurde, in einem vorwiegend von Juden bewohnten Viertel lag, historisch aber nicht belegt.

Viele Historiker machten den Fehler, das Werk Judith und Holofernes nur vom Standpunkt des 20. Jahrhunderts (Holocaust) zu sehen. In den Jahren 1848-1849 nahm in Wien der Antisemitismus deutlich zu und eben dies spiegelt sich auch in Nestroys Werk wieder.

Nestroy zieht Parallelen zwischen Bethulien und der Wiener Leopoldstadt. So heißt es in der Urfassung von Judith und Holofernes:

„Wie weit ist es wohl von Mesopotamien bis in d’Leopoldstadt? sprich ich, bis Assirien, wie weit?”“

Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II, Seite 123, Zeile 17-18

Ob Nestroy diesen Hinweis in der Endfassung aus freien Stücken oder unter Druck eines Zensors strich, kann nicht mehr festgestellt werden.

Hauptmerkmal der Satire in den Volksszenen von Judith und Holofernes ist die Darstellung von Eigenschaften, die dem typischen Juden zugeordnet werden. Diese Eigenschaften sind maßlose Habsucht (10. Szene), Abneigung gegen körperliche Arbeit, sowie militärische Untüchtigkeit.
Auch wenn Nestroy selbst kein Antisemit war, unterstützt sein Werk Judith und Holofernes trotzdem den Wiener Antisemitismus. Die Stellung der Juden um 1850 war nicht nur durch den wachsenden Antisemitismus der Wiener schwierig, auch die gesellschaftliche Stellung, war alles andere als rosig. Um die Situation der Wiener Juden um 1850 zu verstehen, ist es unabdingbar sich mit der Geschichte des Wiener Judentum und des Antisemitismus zu befassen.

Werkausgaben

  • Nestroy, Johann: Judith und Holofernes. Häuptling Abendwind Einakter. Hrsg.: Hein, Jürgen. 85 S. ISBN 978-3-15-003347-0 UB 3347
  • Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Hrsg. v. R. P. McKenzie; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998; Stücke 26/II

Quellen und Links

  • Jürgen Hein: Johann Nestroy; Stuttgart 1990
  • Herbert Zeman: Johann Nepomuk Nestroy; Wien 2001
  • Johann Nestroy: Sämtliche Werke. Hist. -krit. Ausgabe von Jürgen Hein, Johann Hüttner, Walter Obermaier und W. Edgar Yates; Franz Deuticke Verlagsgesellschaft m. b. H., Wien 1998
  • Max Buehrmann: Johann Nepomuk Nestroys Parodien; Kiel 1933
  • Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe; Besorgt von Richard Maria Werner; Erste Abteilung, Erster Band; Berlin: Behr, 1904
  • Die Bibel: vollständige Ausgabe des Alten und des Neuen Testaments in der Einheitsübersetzung; hrsg. im Auftrag der Bischöfe Deutschlands; Katholische Bibelanstalt, Stuttgart 1980
  • Siegfried Brill: Die Komödie der Sprache; Nürnberg 1967
  • Homepage des Internationalen Nestroy-Zentrums Schwechat

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