Juniusbriefe

Juniusbriefe

Die Briefe des Junius, eine Reihe von Briefen, die unter dem Pseudonym Junius zuerst im Public Advertiser in London vom 21. Januar 1769 bis zum 12. Mai 1772 erschienen und auf gleiche Weise König, Minister, Parlament, Gerichtshöfe und Staatsbeamte, die Umtriebe der Whigs und Torys und ihre Kämpfe untereinander mit schonungsloser Satire, aber dabei mit Geist, gründlicher Sachkenntnis und Beredsamkeit geißelten.

Ihre Hauptangriffe sind gegen Augustus FitzRoy, 3. Herzog von Grafton, Lord Frederick North und andere Minister sowie auch gegen die damaligen Oppositionshäupter Wilkes, John Horne Tooke u. a. gerichtet; nur wenige, wie Fox und die Lords Holland und Chatham u. a., bleiben verschont.

Sie atmen trotz ihres republikanischen Zynismus ganz den monarchischen Geist der britischen Verfassung und machen sich nicht selten der Parteilichkeit wie des Mangels an Freisinnigkeit schuldig. Die Schreibart, bei welcher tiefe, aus getäuschten Hoffnungen entstandene Bitterkeit die Feder geführt zu haben scheint, ist gedrängt, oft epigrammatisch, aber immer klar, sicher und präzis im Ausdruck und reiht den Verfasser unter die ersten Prosaisten Englands.

Die Briefe wurden bald nach ihrem Abdruck im Public Advertiser von dem Verleger desselben, Woodfall, auch in Buchform publiziert (London 1772), wofür der Verfasser kein andres Honorar forderte als ein schön gebundenes und zwei andre Exemplare seines Werkes.

Ein Prozess, den die Regierung 1770 der Briefe wegen gegen Woodfall anhängig machte, wurde niedergeschlagen und gab zu der Bestimmung Veranlassung, dass der Spruch in Kriminalprozessen gegen ein Libell (s. v. w. Schmähschrift, daher Libellist); einer Jury und nicht den Gerichten zustehe.

Die wichtigsten Ausgaben der Briefe sind die Londoner von 1783 und 1812 bis 1814, dann die Ausgabe von Wade (London 1849, 2 Bde.; neue Aufl.: Bd. 1, 1873, Bd. 2, 1869). Eine französische Übersetzung erschien zu Paris 1791, eine deutsche von Arnold Ruge (3. Aufl., Leipzig 1867).

Über den Verfasser der Briefe erschöpfte man sich bald nach deren Erscheinen in Mutmaßungen aller Art; mehr als 30 verschiedene Personen hatte man im Verdacht, Junius zu sein, darunter Charles Lee, Edmund Burke, den Dichter Richard Glover, den Herzog von Portland, den Genfer Jean-Louis de Lolme, den Lord Temple u. a. Auch in neuester Zeit hat der Streit über die Autorschaft der Briefe noch fortgedauert.

George Coventry (A critical enquiry regarding the real author of the Letters of Junius, proving them to have been written by Lord Viscount Sackville, (London 1825) suchte den aus dem Siebenjährigen Krieg bekannten Lord Sackville als den Verfasser der Briefe hinzustellen, und diese Annahme suchte später John Jaques in seiner History of Junius and his works (das. 1843) durch neue Gründe zu stützen.

Sir David Brewster glaubte den Verfasser in einem gewissen Laughlin Maclean, der 1773 Generalkriegskommissar war und 1777 bei der Rückkehr aus Westindien verunglückte, zu erkennen; doch fand diese Meinung wenig Anklang.

William Cramp (Junius and his works, London 1851) erklärte den bekannten Lord Chesterfield, die Quarterly Review 1852 den berüchtigten Wüstling Lord Thomas Lyttleton (gest. 1779 durch Selbstmord) für den Verfasser der Juniusbriefe.

Weiter sprachen sich John Britton (The authorship of the letters of Junius elucidated, London 1848) für den Obersten Isaac Barré und J. Symons (William Burke, the author of Junius, 1859) für den Bruder des bekannten Edmund Burke aus.

Mehr Wahrscheinlichkeit als alle diese hatte von vornherein die zuerst 1816 von John Taylor (The identity of Junius with a distinguished living character established, London. 1816) ausgestellte Ansicht, dass Sir Philip Francis Junius sei; derselben schlossen sich 1841 Macaulay, 1850 Sir F. Dwaris an, sie wurde durch die von dem Schreibverständigen Chabot vorgenommene Untersuchung der hinterlassenen Briefe von Francis sowie der Korrespondenz zwischen Junius und Woodsall und der im Britischen Museum erhaltenen Korrekturbogen der Juniusbriefe in dem Prachtwerk The handwriting of Junius professionally investigated (das. 1873, mit einem Vorwort von Edward Twisleton) unwiderleglich begründet. Vgl. auch Friedrich Brockhaus (1838–1895), Die Briefe des Junius (Leipzig 1876).

Literatur (Auswahl)

  • Tony Harold Bowyer: A bibliographical examination of the earliest editions of the letters of Junius. Charlottesville, Va.: Univ. of Virginia Press, 1957.
  • Alvar Ellegård: A statistical method for determining authorship: the Junius letters 1769–1772. Göteborg, 1962. Gothenburg studies in English; 13.
  • John Cannon: The letters of Junius. Oxford: Clarendon Press, 1978. ISBN 0-19-812455-4.
  • Francesco Cordasco: Junius, a bibliography of the letters of Junius; with a checklist of Junian scholarship and related studies.Fairview, NJ [u.a.]: Junius-Vaughn Press, 1986.
  • Francesco Cordasco; Gustave Simonson: Junius and his works: a history of the letters of Junius and the authorship controversy. Fairview, NJ [u.a.]: Junius-Vaughn Pr., 1986.
  • Linde Katritzky: Johnson and the letters of Junius: new perspectives on an old enigma. New York ; Washington, DC/Baltimore ; Bern ; Frankfurt am Main ; Berlin ; Vienna ; Paris: Lang, 1996. Ars interpretandi; Vol. 5. ISBN 0-8204-3106-0.
Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn Du den Artikel so weit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen.

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