- Kaiser-Wilhelm-Institut
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Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. (KWG) war bis Ende des Zweiten Weltkriegs die Trägerin der Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI), führenden Forschungsinstituten, die vor allem der Grundlagenforschung in Deutschland dienten. Sie hatte ihren Sitz in Berlin. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Institute der KWG nach und nach von der neu gegründeten Max-Planck-Gesellschaft übernommen. Die endgültige Auflösung der KWG erfolgte erst am 21. Juni 1960. Alle "Wissenschaftliche Mitglieder" der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sind in der Liste der Wissenschaftlichen Mitglieder der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft aufgeführt.
Inhaltsverzeichnis
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wurde 1911 gegründet. Erster Direktor war Fritz Haber, der das Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische und Elektrochemie leitete. 1948 gingen aus zahlreichen Instituten der ehemaligen KWG die Max-Planck-Institute hervor.
Adolf von Harnack war bis 1930 der erste Präsident der auf seinen Vorschlag hin am 11. Januar 1911 in Berlin gegründeten Gesellschaft. Max Planck war von 1930 bis 1936 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Ihm folgten der I.G.-Farben-Chef Carl Bosch (1937–1940) und der Stahlindustrielle Albert Vögler (1941–1945).
Die dezentral verteilten Kaiser-Wilhelm-Institute sollten zur Grundlagenforschung durch eine Wissenschaftselite dienen. Dafür wurden die Wissenschaftler von jeglicher Lehrverpflichtung freigestellt, erhielten die jeweils modernsten Apparaturen und einen großen Mitarbeiterstab. Unter diesen komfortablen Voraussetzungen wurden bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen gemacht. Die Gründung von Instituten erfolgte nach dem – später so genannten – „Harnack-Prinzip“, das nicht von einem Thema, sondern von einem außergewöhnlichen Wissenschaftler ausging. Um diese Person herum wurde anschließend ein Institut gegründet.
Die bekannteste Entdeckung ist die Kernspaltung im Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie 1938 von den Chemikern Otto Hahn und Fritz Straßmann und der Physikerin Lise Meitner. Umstritten ist allerdings die Rolle der weiteren Kernforschungsprogramme des Instituts für die Atomwaffenforschung im Nationalsozialismus.
Negative Berühmtheit erlangten auch die biologisch-medizinischen Kaiser-Wilhelm-Institute durch ihre Beteiligung an der nationalsozialistischen Rassenforschung wie das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik. Weniger bekannt ist die Giftgasforschung in der Tradition von Fritz Haber am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie (Peter Adolf Thiessen) und am KWI für medizinische Forschung (Richard Kuhn) und weitere Kriegsforschungen, z. B. am KWI für Biologie durch Fritz von Wettstein. Daher hat die Max-Planck-Gesellschaft 1997 auf Initiative ihres damaligen Präsidenten Hubert Markl ein als „überfällig“ empfundenes Programm zur selbstkritischen Erforschung ihrer Geschichte ins Leben gerufen: „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“. Leiter der Kommission waren die Historiker Reinhard Rürup und Wolfgang Schieder, das Forschungsprogramm wurde Ende 2005 abgeschlossen.
Die Akten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sowie zahlreiche Nachlässe herausragender Wissenschaftler befinden sich im 1975 gegründeten Archiv der Max-Planck-Gesellschaft am Gründungsort der KWG in Berlin-Dahlem. Seit 1995 gibt es ein Forschungsprojekt über die Rolle der KWG im Nationalsozialismus. Bisher sind daraus 17 Bände zu ihren verschiedenen Forschungsfeldern, der Korrumpierung ihrer Repräsentanten durch die NS-Politik, ihre wachsende Orientierung auf die Rüstungsforschung und die Kooperation bei den verbrecherischen Menschenversuchen in den Vernichtungslagern vorgelegt worden. Es folgte ein Band über die aus dem Kreise der KWG vertriebenen Wissenschaftler.[1]
Generalsekretäre bzw. Generaldirektoren der KWG
- Ernst von Simson (1911 bis 1912)
- Ernst Trendelenburg (1912 bis 1920)
- Friedrich Glum (1920 bis 1937)
- Ernst Telschow (1937 bis 1951)
Kaiser-Wilhelm-Institute
Die verschiedenen Kaiser-Wilhelm-Institute werden nachfolgend mit KWI abgekürzt und sind in Folge ihres Gründungsjahres aufgelistet:
- KWI für Chemie: 1911 gegründet in Berlin-Dahlem. Heute: Otto-Hahn-Bau des Instituts für Biochemie an der FU Berlin.
- KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie: 1911 gegründet in Berlin-Dahlem. Heute: Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft.
- KWI für Biologie: 1911 gegründet in Berlin-Dahlem. Heute: Institut für Biologie der FU Berlin. Gebäudenutzung 1948–1994: Hauptgebäude der FU Berlin, seitdem Nutzung durch rechtswissenschaftliche Institute.
- KWI für Kohlenforschung: 1912 gegründet in Mülheim an der Ruhr. Heute Max-Planck-Institut für Kohlenforschung.
- KWI für Arbeitsphysiologie: 1912 gegründet in Berlin, 1929 verlagert nach Dortmund (heutiges Gebäude der B1st Software-Factory) und aufgegangen in dem heutigen Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie mit Standort im TechnologieZentrum Dortmund
- KWI für Kunstgeschichte: 1913 Bibliotheca Hertziana in Rom (in die KWG aufgenommen, nicht neu gegründet).
- KWI für Hirnforschung: 1914 gegründet in Berlin-Buch von Oskar Vogt.
- KWI für Psychiatrie: 1917 gegründet durch Ludwig III. von Bayern in München; angegliedert an die KWG 1924. Heute: Max-Planck-Institut für Psychiatrie
- KWI für Physik: 1917 gegründet in Berlin-Dahlem. 1948–1982: Institut für Physik der FU Berlin. Gebäudenutzung seit 1982: Universitätsarchiv.
- KWI für Eisenforschung: 1917 gegründet in Aachen. 1921 Umzug nach Düsseldorf. Seit 1946 dort ansässig als Max-Planck-Institut für Eisenforschung.
- KWI für Faserstoffchemie: 1920 gegründet von Reginald Oliver Herzog, bis 1934 in Berlin-Dahlem. Ausgliederung der seit 1919 bestehenden Textilabteilung des KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie. 1934 geschlossen.
- KWI für Metallforschung: 1921 gegründet in Neubabelsberg. 1933 Schließung aufgrund Geldmangels. 1934 Neugründung in Stuttgart. Heute: Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart.
- KWI für Lederforschung: 1921 gegründet in Dresden von Max Bergmann.
- KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht: 1924 gegründet in Berlin. Heute: Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg.
- KWI für Strömungsforschung: 1924 gegründet in Göttingen von Ludwig Prandtl.
- KWI für Silikatforschung: 1926 gegründet in Berlin-Dahlem von Wilhelm Eitel.
- KWI für ausländisches und internationales Privatrecht: 1926 gegründet in Berlin von Ernst Rabel. Heute: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht.
- KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik: 1926 gegründet in Berlin-Dahlem. 1927 eröffnet. Heute: Otto-Suhr-Institut der FU Berlin.
- KWI für Züchtungsforschung: 1929 gegründet in Müncheberg von Erwin Baur.
- KWI für medizinische Forschung: 1929 gegründet in Heidelberg von Ludolf von Krehl. Heute: Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung
- KWI für Zellphysiologie: 1930 gegründet in Berlin-Dahlem von Otto Warburg und der Rockefeller-Stiftung. Gebäudenutzung seit 1975: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft.
- KWI für Biophysik: 1937 gegründet in Frankfurt am Main. Mit der Übernahme von Friedrich Dessauers: Institut durch die KWG, das sein Assistent Boris Rajewsky weiterführte.
- KWI für Tierzuchtforschung: 1937 gegründet als KWI für tierische Ernährungsforschung und Tierzüchtung unter der Leitung von Gustav Frölich. 1939 Arbeitsaufnahme als KWI für Tierzuchtforschung in Rostock und auf dem Versuchsgut Dummerstorf.
- KWI für Bastfaserforschung: 1938 gegründet in Sorau in der Niederlausitz (heute: Zary/Polen) unter der Leitung von Ernst Schilling.
- KWI für Kulturpflanzenforschung 1943 gegründet in Tuttenhof bei Wien Heute: Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben
Literatur
- Bernhard vom Brocke, Hubert Laitko (Hg.): Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Studien zu ihrer Geschichte: Das Harnack-Prinzip. Berlin, New York, Walter de Gruyter, 1996, ISBN 3-11-015483-8
- Rüdiger Hachtmann: Wissenschaftsmanagement im "Dritten Reich". Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 2 Bände, Göttingen: Wallstein Verlag, 2007.
- Günter Hartung: Erfindertätigkeit von Autoren aus Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1924 bis 1943. Patentstatistiken in der historischen Analyse von Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, in: Bernhard vom Brocke und Hubert Laitko (Hrsg.), Die Kaiser-Wilhelm- /Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Berlin, New York: Gruyter (1996), 521–542, [2]
- Eckart Henning, Marion Kazemi: Chronik der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Veröffentlichungen aus dem Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Bd. 1, Berlin 1988, ISBN 3-927579-00-9
- Kohl, Ulrike (2002): Die Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Max Planck, Carl Bosch und Albert Vögler zwischen Wissenschaft und Macht. Stuttgart: Steiner. ISBN 3-515-08049-X
- Kunze, Rolf-Ulrich (2004): Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 1926–1945. Göttingen: Wallstein. ISBN 3-89244-798-5
- Luxbacher, Günther (2004): Roh- und Werkstoffe für die Autarkie. Textilforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, [3]
- Maier, Helmut [Hrsg.] (2007): Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer. Die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus. Göttingen: Wallstein. ISBN 978-3-8353-0182-5 ISBN 3-8353-0182-9
- Maier, Helmut: Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900-1945/48 (= Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 16). Göttingen: Wallstein 2007. ISBN 978-3-8353-0109-2; 2 Bde.; 1238 S.
- Nowak, Kurt: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in: Hagen Schulze, Etienne Francois: Deutsche Erinnerungsorte, München, CH Beck, 2001, teilzugänglich über google books
- Sucker, Ulrich (2002): Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie. Seine Gründungsgeschichte, seine problemgeschichtlichen und wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen (1911–1916). Stuttgart: Steiner. ISBN 3-515-07912-2
- Schmaltz, Florian (2005): Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie. Göttingen: Wallstein, 676 S. ISBN 3-89244-880-9
- Vierhaus, Rudolf, Bernhard vom Brocke (Hg.): Forschungs im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. Stuttgart: DVA, 1990, ISBN 3-421-02744-7
- Wendel, Günter: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1911–1914, Zur Anatomie einer imperialistischen Forschungsgesellschaft, Akademie-Verlag Berlin 1975, 370 S.
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