- Kantenspektrum
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Als Kantenspektrum (auch Umkehrspektrum oder Goethe-Spektrum)[1] wird der farbige Anblick eines durch ein Prisma gesehenen schmalen dunklen oder hellen Streifens bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bei seiner Arbeit Zur Farbenlehre schaute Goethe zufällig durch ein Prisma und sah unterschiedlich farbige Säume beidseits der Fenstersprossen. Bei Betrachtung aus größerer Entfernung war das Dunkel zwischen den Säumen verschwunden und ein geschlossenes Farbspektrum zu sehen. In diesem Moment sei ihm klar geworden, dass Newton Unrecht habe, dass Farben nicht durch Teilung des weißen Lichtes sondern nur durch Zusammenwirken von Licht und Finsternis entstünden. Goethes Polemik gegen Newton und die traditionelle Naturwissenschaft war heftig, konnte diese aber nicht widerlegen. Die Kantenspektren haben eine einfache naturwissenschaftliche Erklärung.[2][3] Goethes Farbenlehre besitzt heute nur noch kulturhistorische Bedeutung, eine naturwissenschaftliche Auseinandersetzung findet in der Regel nicht mehr statt.
Das Phänomen
Die zunächst rein subjektive Beobachtung lässt sich objektivieren, indem man sie fotografisch dokumentiert. Der Fotoapparat nimmt die Stelle des menschlichen Auges ein: Beide haben eine Linse. Die Rolle der Netzhaut des Auges wird vom Fotofilm oder vom digitalen Bildsensor übernommen (Abbildung 2).
Abbildung 1 enthält Fotos horizontal angeordneter schwarzer Streifen vor weißem Hintergrund (Balken, links) und weißer Streifen vor schwarzem Hintergrund (Spalte, rechts). Sie sind ohne (oben) bzw. mit Prisma aufgenommen und nebeneinander gestellt. Die Streifen werden von oben nach unten schmaler. Derselbe Effekt tritt ein, wenn der Abstand zwischen Objekt und Beobachter vergrößert wird.
Die farbigen Säume bestehen im Gegensatz zum Spektrum des Sonnenlichts nur aus zwei bis drei Farben. Es sind dies die langwelligen Farben (Rot und andere), wenn unterhalb der Kante Weiß ist (Lage des Prismas wie in Abbildung 2). Ist Weiß oberhalb der Kante, besteht der Saum aus kurzwelligen Farben (Violett und andere).
Beide Säume eines Streifens rücken zusammen, wenn dieser schmaler wird. Schließlich überlagern sich beide Säume zu einem einzigen Farbbild. Beim Spalt entsteht ein dem Spektrum des Sonnenlichts ähnliches Spektrum, das folglich im Gegensatz zu dem vom Balken stammenden Newton-Spektrum genannt wird (Abbildung 1, unten rechts). Das vom Balken stammende wird Goethe-Spektrum (Abbildung 1, unten links) genannt, was eine Reverenz der Anhänger der Goethe'schen Farbenlehre an Goethe ist. In der Mitte des Balkenbildes ist Magenta sichtbar geworden, was sich als das Ergebnis einer additiven Farbmischung der beiden übereinander fallenden reinen Saum-Rand-Farben Rot und Violett erklären lässt. Das satte Grün im Newton-Spektrum ist aber nicht als Folge irgendeiner Mischung aus den beiden aufgehellten Saum-Rand-Farben Gelb und Cyan darstellbar.
Die Erklärung
Der bei einem Spektroskop verwendete Spalt ist so schmal, dass man die Versuche damit nur in der dunklen Kammer (ein von Goethe verwendeter, polemisch gemeinter Begriff für die Arbeitsweise Newtons) anstellen kann. Die Schmale ist nötig, damit das Farbspektrum aufgelöst werden kann, damit sich die mit einer Spektralfarbe erzeugten Spaltbilder nicht wesentlich überlappen. Die (denkbaren) vielen Spalt-Bilder unterschiedlicher Farbe [2][3] sind beim Kantenspektrum wegen des relativ breiten Spaltes so breit, dass sie sich größtenteils überlappen und in der Addition ein vorwiegend weißes Bild ergeben. Nur die Randfarben Rot und Violett des Spektrums bleiben in den Säumen erhalten. Ihre Nachbarfarben Orange und Gelb beziehungsweise Blau und Cyan werden zunehmend heller und verlieren sich in der weißen Mitte.
Wird der Spalt schmaler, so verschwinden das rot/orange und das blaue Spalt-Bild aus der Mitte. Man nähert sich dem üblichen, mit einem Spektroskop gesehen Spektrum, bei dem in der Mitte statt Weiß Grün auftritt.[2][3] Die vorher vorhandene totale Mischung (weißes Licht) wird rückgängig gemacht, es findet eine Entmischung statt.
Bei dünnerem Balken überlappen sich je ein Saum von den beiden ihn einschließenden unendlich breiten Spalten. Auf die bisher schwarze Mitte fallen zuerst je ein rotes und ein violettes Teil-Bild. Es wird Magenta sichtbar, zuerst wenig hell, dann hell. Bei noch dünnerem Balken treten alle anderen farbigen Teil-Bilder hinzu. Alle drei Zapfen-Typen werden maximal gereizt, empfunden wird nur noch eine weiße Fläche. Die anfänglich erkennbare Zerlegung des weißen Lichtes in Farben durch das Prisma ist aufgehoben. Die Farben sind wieder total gemischt worden.
Bei einem schmalem Spalt sehen wir bald kein farbiges Licht mehr. Die bei Spaltverengung immer vollkommener stattfindende spektrale Zerlegung des weißen Lichts wäre nur noch erkennbar, wenn wir in die dunkle Kammer umziehen würden.
Literatur
- Johann Wolfgang von Goethe: Zur Farbenlehre, Tübingen, 1810, (online Ausgabe von www.farben-welten.de)
- Maurice Martin: Die Kontroverse um die Farbenlehre, Novalis Verlag, 1979, ISBN 3-721-40055-0
Einzelnachweise
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