- Karfreitagsfürbitte
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Die Großen Fürbitten (lat. orationes solemnis) sind ein wesentlicher Bestandteil der Karfreitagsliturgie in der alt-katholischen und der römisch-katholischen Kirche.
Inhaltsverzeichnis
Die Großen Fürbitten in der römisch-katholischen Kirche
Die Großen Fürbitten sind ein mehrgliedriges Gebet der gottesdienstlichen Versammlung. Die Einladung mit Nennung des Anliegens wird vom Priester gesungen. Auf das „Beuget die Knie“ hin (wo ein Diakon anwesend ist, singt dieser die Aufforderungen) knien alle nieder und verharren eine Weile in stillem Gebet. Nach dem „Erhebet euch“ fasst der Priester das Gebetsanliegen mit der Oration zusammen, auf die alle mit „Amen“ antworten.
Folgende Bitten werden vorgetragen:
Nr. Anliegen Beuget die Knie Erhebet euch Oration 1. Für die heilige Kirche Alle knien und beten in Stille Erhebung 2. Für den Papst 3. Für alle Stände der Kirche 4. Für die Katechumenen (Taufbewerber) 5. Für die Einheit der Christen 6. Für die Juden 7. Für alle, die nicht an Christus glauben 8. Für alle, die nicht an Gott glauben 9. Für die Regierenden 10. Für alle notleidenden Menschen Vom 5. Jahrhundert bis zur Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und heute noch im Usus antiquior waren bzw. sind diese Fürbitten in der römischen Liturgie der einzige Rest der altkirchlichen Fürbittpraxis. Die Großen Fürbitten wurden an der Epistelseite durch den Priester vorgetragen. Die Aufforderung zur Kniebeuge erfolgte durch den Diakon, die Aufforderung zum Erheben nach der Kniebeuge erfolgte durch den Subdiakon, das Gebet durch den Priester.
Eine Besonderheit stellte die Judenfürbitte dar. Im Messbuch hieß es früher am Ende der sechsten Fürbitte: „Kein Amen! Hier unterlässt der Diakon die Aufforderung zur Kniebeuge, um nicht das Andenken an die Schmach zu erneuern, mit der die Juden um diese Stunde den Heiland durch Kniebeugen verhöhnten.“ Das Unterlassen der Kniebeugung ist seit dem Salzburger Kapitularien anfangs des 9. Jahrhunderts bezeugt und der hier aufgeführte Grund geht auf Amalarius von Metz (9. Jahrhundert) zurück, der die Verhöhnung Jesu durch die Geste der spottischen Kniebeugung (Mt 27,29 EU; Mk 15,19 EU) den Juden zuschreibt: „Bei allen Gebeten (des Karfreitags) beugen wir das Knie, (...) ausgenommen, wenn wir pro perfidis Judaeis beten. Denn diese haben das Knie vor Christus gebeugt, dabei jedoch einen guten Brauch in sein Gegenteil verkehrt, da sie dies als Verhöhnung taten.“[1]
Aufgrund des antijudaistischen Standpunkts dieser Vorschrift wurde sie noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzils von Papst Johannes XXIII. entfernt. Des Weiteren wurde der Inhalt des Gebetes in der Liturgiereform geändert. Wurden die Juden in der alten Fassung als „ungläubig“ (perfidi) bezeichnet und die Fürbitte eindeutig darauf ausgerichtet, dass sie Jesus auch als ihren Herrn erkennen und somit zum christlichen Glauben überwechseln, ist die Formulierung nunmehr offener gehalten und kann als Neubesinnung auf den einzigartigen Heilsweg Gottes mit dem Volk Israel gelesen werden.
„Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will.“
Papst Benedikt XVI. hatte Anfang Februar 2008 den Text der Judenfürbitte des wieder zugelassenen Usus antiquior auf Latein neu formuliert. Mit der neuen Formulierung beten die Teilnehmer eines Karfreitagsgottesdienstes nach dem Rituale von 1962 weiterhin für die Bekehrung der Juden zum Christentum, wenngleich auch in leicht abgemilderter Form. Die Neuformulierung dieser Karfreitagsfürbitte für den Usus antiquior durch Benedikt XVI. sorgte im Jahr 2008 für weltweite Verstimmungen zwischen der jüdischen Gemeinschaft und dem Heiligen Stuhl[2] [3] [4] [5] [6] [7].
Eine weitere Besonderheit der Großen Fürbitten vor der Liturgiereform war die Fürbitte für den römischen Kaiser. Sie war bis zur Editio typica von 1962 im Missale verzeichnet und stand an vierter Stelle (nach den Fürbitten für die Kirche, den Papst und die Stände der Kirche). Der Priester bat, „dass unser Gott und Herr alle Barbarenvölker ihm untertan mache zu unserem beständigen Frieden“. Im Falle eines nicht gekrönten Kaisers schrieben die Rubriken vor, pro imperatore electo zu beten; hingegen findet sich kein Hinweis auf die Möglichkeit einer Auslassung, – obwohl es seit 1806 faktisch keinen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches als Schutzherrn der Kirche mehr gab – auch wenn dies mancherorts anders gehandhabt worden ist. Statt ihrer findet sich in den erneuerten Karfreitagsfürbitten von 1970/75 die Fürbitte für die Regierenden an neunter Stelle.
Die Großen Fürbitten in der alt-katholischen Kirche
Folgende Bitten wurden bzw. werden vorgetragen:
Nr. Anliegen Altarbuch 1885 Anliegen Altarbuch 1959[8] Anliegen Eucharistiebuch 1995/2006[9] 1. Für die heilige Kirche Gottes Für die heilige Kirche Gottes Für die heilige Kirche Gottes 2. Für alle Gemeinden unsrer Kirche; für unsern Bischof; für alle Vorsteher, Priester und Diakonen; und für alle unsre Gläubigen Für unsern Bischof N. Für unsern Bischof N., die Gemeinschaft der Bischöfe, alle Männer und Frauen im apostolischen Dienst und für das ganze Volk Gottes 3. Für unsre Jugend Für alle Bischöfe, Priester und Diakone, für alle Gemeinden unserer Kirche und für das ganze heilige Volk Gottes Für alle, die sich auf die Taufe vorbereiten 4. Für unsern König (Fürsten); für unsern Kaiser (König und Kaiser); und für das ganze teure Vaterland Für alle weltliche Obrigkeit Für alle Brüdern und Schwestern, die an Christus glauben 5. Für die Schwachen und Gefallenen; für die Irrenden und Verführten; die Traurigen, Notleidenden und Kranken; die Verstoßenen und Verfolgten Für unsre Jugend Für alle, die nicht an Christus glauben 6. ..daß Gott mit seinem Lichte die ganze Menschheit erleuchte, daß aller Aberglaube verschwinde; die Nacht der Sünde hinweggenommen werde; die verblendeten und verhärteten Herzen zu neuem Leben erwachen; und alle Menschen vernehmen die Stimme deiner Wahrheit ..daß Er die Welt von allen Irrtümern reinige, Krankheiten hinwegnehme, Hungersnot vertreibe, Kerker öffne, Fessln löse und jene, die auf dem Weg sind, anlangen lasse am Ziele Für alle, die Gott nicht erkennen 7. Für alle getrennten und irrenden Brüder Für die Regierenden 8. Für die Juden Für alle, die der Hilfe bedürfen 9. Für die Heiden Darüber hinaus bietet das Eucharistiebuch von 2006 zwei weitere Formulare für die Großen Fürbitten zur Auswahl, davon stammt eins von Huub Oosterhuis.
Fürbitte für die Juden
Eine spezielle Fürbitte für die Juden enthält das Altarbuch von 1885 nicht. In der Auflage von 1959 lautet sie:
„Priester: Lasset uns auch beten für die Juden, die sich dem Glauben verschließen, daß Gott, der Herr, den Schleier von ihren Herzen nehme, damit auch sie erkennen unsern Herrn Jesus Christus. Lasset uns beten!
- Diakon: Beugen wir die Knie!
- (Stilles Gebet)
- Subdiakon: Erhebet euch!
Im Eucharistiebuch von 1995 ist die Fürbitte für die Juden ersatzlos entfallen.
Weblinks
- Die Karfreitagsfürbitten
- "pro perfidis Judaeis" - Wird der deutsche Papst die antijüdische Karfreitagsfürbitte der tridentinischen Liturgie zum Teil wieder zulassen? Artikel in Telepolis
- Die Karfreitagsfürbitte - eine lange Geschichte - ZENIT
- "Eiszeit zwischen Katholiken und Juden" - Rabbiner Walter Homolka
- Paul Schulmeister: Die neue Karfreitagsfürbitte des Papstes - eine Rückkehr zur Judenmission? Vortrag vor der Zwi Perez Chajes Loge der B’nai B’rith in Wien am 5. Mai 2008
Zitat
- ↑ Zitat und Übersetzung aus J. Isaac, Die Genesis..., S. 222f.
- ↑ Vatikan bestreitet Judenmission - News-Beitrag von ORF.at
- ↑ Papst verärgert deutsche Juden und Katholiken - "Brüskierend, überheblich" Judenfürbitte - tagesschau.de, Nachrichten der ARD, 01.04.2008
- ↑ Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Knobloch, hat die Wiederzulassung einer früheren Karfreitagsbitte, in der Katholiken für die Erleuchtung der Juden beten, scharf kritisiert. Der Dialog mit der Katholischen Kirche ist ausgesetzt. - Nachrichten von Spiegel.de, 21. März 2008
- ↑ ["Die katholische Kirche hat ihre antisemitischen Tendenzen nicht im Griff"] SPIEGEL-ONLINE-Interview mit Rabbiner Walter Homolka, Nachrichten von Spiegel.de, 20. März 2008
- ↑ Karfreitagsfürbitte - Das Wann und Wie entscheidet Gott - Walter Kardinal Kasper verteidigt die Judenfürbitte, Debatte auf FAZ.net
- ↑ Karfreitagsfürbitte - Juden werfen Papst Respektlosigkeit vor - Politik-online von focus.de, 20.03.08, 17:48
- ↑ Altarbuch für die Feier der heiligen Eucharistie im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, hrsg. im Auftrag des Bischofs von der Liturgischen Kommission, Bonn 1959
- ↑ Die Feier der Eucharistie im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben durch Bischof und Synodalvertretung, Bonn: Alt-Katholischer Bistumsverlag 2006, Seite 71; ISBN 3-934610-30-7
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