Kindermusical

Kindermusical

Ein Musical ist eine Theaterproduktion mit Gesang und meist auch mit Tanz. Hauptsächlich modernere unterhaltsame Stücke aus dem englischen Sprachraum werden so genannt.

Das Wort Musical ist lediglich ein Adjektiv (engl. musikalisch) und wurde in ergänzenden Bezeichnungen zu den Stücktiteln gebraucht wie „A Musical Comedy“, „A Musical Play“, „Musical Drama“, „Musical Fable“, „Musical Revue“. Eine genaue Definition des Begriffes ist schwierig, da er eine große Stilfülle beinhaltet und sich die Vorstellungen im Lauf der Zeit geändert haben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprünge

Das Musical entwickelte sich aus älteren Formen des musikalischen Theaters wie Opera buffa, Operette und Singspiel. Die Ursprünge des Musicals finden sich in London und New York im 19. Jahrhundert. Als erstes Musical überhaupt wird oft das 1866 produzierte Spektakel The Black Crook genannt.

Eine entscheidende Rolle ungefähr seit dem Ersten Weltkrieg spielte das Theaterviertel am Broadway als Schmelztiegel unterschiedlicher Nationalitäten, Kulturen, Hautfarben, Konfessionen und sozialer Schichten. So flossen die verschiedensten Einflüsse in die ersten Musicals ein: Swing und Jazz der Minstrel shows, französische Revuen und Music Hall-Konzerte, Theaterformen der britischen Einwanderer wie das aus artistischen Nummern bestehende Vaudeville und die Burlesque, die Operette aus Paris und Wien und das Flair der Wild-West-Sideshows. Zum klassischen Operngesang gesellten sich neue Techniken wie das Belting. In aufwändigen Extravaganzas hatten Bühneneffekte, Bühnenmaschinerie, Tanzeinlagen und Kostüme große Bedeutung.

Zu Beginn des Jahrhunderts bestand die Broadway-Unterhaltung noch hauptsächlich aus Revueshows wie den Ziegfeld Follies. Von einer spezifisch US-amerikanischen Gattung kann man erst seit den 1920er Jahren sprechen. Aus dieser Zeit stammen etwa George Gershwins Lady, Be Good (1924) und Jerome Kerns Show Boat (1927). Showboat gilt als das erste ernstzunehmende Musical (Musical Play). In diesem Stück ergaben sich die Songs aus der Handlung und führten die Dramaturgie weiter, ohne diese zu stoppen. Außerdem wurde auch Sozialkritik mit eingeflochten wie die Diskriminierung der Afroamerikaner.

„Klassische“ Zeit

Der New Yorker Broadway gilt neben dem West End in London nach wie vor als Zentrum der Musicalwelt. Durch die zunehmende Konkurrenz des Films löste sich das Musical von der bloßen Nummernshow und erlebte von den 1930er bis zu den 1950er Jahren eine Blüte. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg behandelte das Musical sensible gesellschaftliche Themen wie South Pacific (1949). Neben dem ernsten Musical Play gab es seit 1930 auch die Musical Comedy, die sich mit einem literarischen Buch von den bunt zusammengestellten Revuen abhob.

Als Textautor dominierte Oscar Hammerstein II. Auf eine erste Generation von Komponisten wie Cole Porter oder George Gershwin folgte auf dem Höhepunkt der „klassischen“ Zeit eine zweite mit Richard Rodgers oder Jule Styne. Mit dem Rodgers-Schüler Stephen Sondheim ging diese Tradition in den 1970er-Jahren zu Ende.

Ganz wesentlich prägte West Side Story von Leonard Bernstein die zunehmende Entfernung des Musicals von Pathos und drolliger Komik. Eine Umbruchszeit waren die 1968er Jahre. Es geschah ein Niedergang der gefühlsbetonten, oft als kitschig empfundenen Musicals (die allerdings in den 1980er Jahren wiederkehrten).

Das Filmmusical

Die Entwicklung des Filmmusicals, die durch die Entwicklung des Tonfilms in den 1930er Jahren ins Rollen gebracht wurde und parallel zur Weiterentwicklung am Broadway verlief, machte die Gattung „Musical“ weltweit beliebt. Zunächst waren es hauptsächlich Revuefilme. Mit dem Filmmusical wurden am Anfang der dreißiger neue Aufnahmetechniken erfunden. Die sogenannten “Overhead shots” machten die Choreografien von Busby Berkeley, der für Warner Brothers Musicals produzierte, zum Markenzeichen. In denen – fernab jeglicher Realität – Hunderte von Tänzerinnen menschliche Ornamente bildeten. In Lullaby of Broadway sieht man Hunderte von stepptanzenden Füßen in riesigen Art Deco-Kulissen.

Eine besondere Stellung hatte das Studio Metro-Goldwyn-Mayer. MGM wurde zum Synonym für dieses Genre, welches in Ein Amerikaner in Paris (1951, nach George Gershwin) seinen künstlerischen und qualitativen Höhepunkt fand und dafür mit einem wahren Oscarregen bedacht wurde. Ein anderes typisches Filmusical, welches sich zu einem Klassiker entwickelte, ist Singin' In The Rain (1952), in dem die Filmindustrie persifliert wurde.

Es fand ein reger Ideenaustausch statt zwischen dem Musicalzentrum Broadway und Hollywood, dem Mittelpunkt der Filmproduktion. So wurden viele der Broadway-Erfolge verfilmt, genauso wie später Filme als Musical-Vorlage dienten. Das Medium Film eröffnete dem Musical neue Dimensionen und ermöglichte mehr Perfektion sowie üppigere Ausstattung. Durch das Verlassen der Bühne wich das Illusionstheater realistischen Landschaftsbildern. Erstmals waren rasche Szenenwechsel ohne Umbaupausen genauso realisierbar wie Nahaufnahmen, die dem Zuschauer das Gefühl vermittelten, in der ersten Reihe des Theaters zu sitzen. Das Film-Musical konnte durch einprägsame Songs, Witz, akrobatische Tanzkünste, kostspielige Ausstattung und technische Effekte eine abwechslungsreiche Unterhaltung für ein Massenpublikum bilden. So wurde das Musical zur Handelsware und entwickelte sich zu einer mächtigen „Kulturindustrie“. Die Blütezeit des Filmusicals waren die späten vierziger und fünfziger Jahre, danach wurde dieses Genre allmählich unpopulär. Als erfolgreichster Musicalfilm aller Zeiten folgte jedoch noch The Sound of Music (1965), die Verfilmung einer Broadway-Produktion.

Filme wie The Wizard of Oz (1939), Doktor Dolittle (1967) nach Hugh Lofting oder Mary Poppins (1964) ließen mitunter den (falschen) Eindruck entstehen, dieses Genre wäre vor allem für Kinder geeignet.

Das „Rock“-Musical

Ende der 1960er Jahre gingen neue Ideen und Klänge, beeinflusst durch Woodstock, Underground-Musik etc., auch an den Musicals nicht vorbei. Zu dieser Entwicklung gehörte das Musical Hair von 1967, das sich intensiv mit den Problemen Jugendlicher und deren aktueller Lage (Vietnamkrieg) beschäftigt. Durch eingebaute Mitspielszenen wurde die Barriere zwischen (jugendlichen) Darstellern und dem Publikum gebrochen. Auch der musikalische Stil und die Instrumentation passten sich den neuen Anforderungen an. Aktuelle Rockmusik verdrängte die sinfonischen Merkmale und die Jazzelemente in der Musik. Das Orchester wurde durch elektroakustische Instrumente wie die E-Gitarre ergänzt oder ersetzt.

Hair (1967) oder Oh! Calcutta! (1969) ersetzten den Handlungsrahmen durch ein provokatives inhaltliches Konzept, das sich wieder mehr der Revue annäherte. Eine neue Art der Satire wie in Richard O’Briens The Rocky Horror Show (1973) wandte sich gegen die mittlerweile als brav empfundene Komik der Musical Comedy.

In den 1970er-Jahren setzte sich eine neue Tendenz in der Kompositionsweise durch: Die handlungstragenden gesprochenen Dialoge im alten Stil der Opéra comique verschwanden. Es wurde nun, wie in „durchkomponierten“ großen Opern, durchgehend gesungen. Die Musik schuf einen lückenlosen Zusammenhang. In dieser Zeit entstanden Musicals wie Andrew Lloyd Webbers Jesus Christ Superstar (1971) und The Who's Tommy (1974).

Moderne Musicals

Mit den Stücken von Andrew Lloyd Webber wie Cats (1980) oder Starlight Express (1984) seit Beginn der 1980er Jahre setzte eine neue Musicalmode ein. Diese Musicals waren fast ausnahmslos durchkomponiert. Noch konsequenter als bei den klassischen Musicals dienten die szenische Realisierung ebenso wie die Musik als unveränderliche Vorlagen für alle Produktionen.

Aufgrund der hohen Investitionen mussten sehr lange Laufzeiten erreicht werden. Ende des 20. Jahrhunderts wurden in vielen Städten spezielle Musical-Theater gebaut, um dort ein bestimmtes Musical optimal zu präsentieren. Stilistisch hatten diese Musicals eine große Bandbreite und orientierten sich wieder mehr an hergebrachten Theatergattungen wie der Revue, der Extravaganza, dem Melodram, dem Musical Play oder dem Film. Rock- und Jazzelemente wurden mit sinfonischen Klängen vermischt und der Operngesang mit dem Belting. Les Misérables (1980) ist dafür ein gutes Beispiel oder Aida (2000).

In neuerer Zeit zeigte sich eine Annäherung des Bühnenmusicals an das Konzert in Gestalt des Jukebox-Musicals wie etwa in Mamma Mia! (1999) oder We Will Rock You (2002).

Kindermusical

Besondere Bedeutung gewinnt das Musical in letzter Zeit für die musikpädagogische Erziehung der Kinder und Jugendlichen. So bietet gerade das Musical die Möglichkeit, verschiedene Talente wie Schauspiel, Tanz, Gesang und Instrumentenspiel anzusprechen und zu einem Gemeinschaftswerk zu kombinieren. Im Rahmen des Religionsunterrichtes und in der Kinder- und Jugendarbeit der Kirchen werden gern Kindermusicals erarbeitet, einstudiert und aufgeführt. Daraus lässt sich die Häufigkeit religiöser Themen als Basis der Kindermusicals erklären. Für den Erfolg einer Aufführung sind die sozialen Kompetenzen der beteiligten Eltern Voraussetzung. Von großem Interesse sind dabei die Stücke des Braunschweiger Domkantors Gerd-Peter Münden (Strube-Verlag) und des Komponisten Klaus Heizmann (Der verlorene Sohn, Der Stern von Bethlehem, Suleilas erste Weihnacht usw.).

Daneben werden als „Kindermusicals“ verkürzend auch vollwertige Musicals bezeichnet, die sich insbesondere an eine jugendliche Zuhörerschaft wenden, aber nicht als Mitmachtheater konzipiert sind. Solche Musicals zeichnen sich in der Regel durch die Wahl eines „kindertauglichen“ Sujets aus, beispielsweise Märchenstoffe oder eine Bearbeitung von Werken der Kinderliteratur (Pippi Langstrumpf, das Sams, Heidi etc.) Es gibt drei größere Richtungen, die derzeit stark die nicht religiösen Musicals für Kinder prägen: Zum einen die Ritter Rost-Serie von Jörg Hilbert und Felix Janosa (Terzio-Verlag), dann die Musicals des Ehepaars Veronika te Reh und Wolfgang König (Carus-Verlag) sowie die vielfältigen Musicals aus dem Fidula-Verlag u. a. von Mechtild von Schoenebeck. Zum Mozartjahr erschien im Jahr 2006 beim Auer-Verlag das Kindermusical Amadeus legt los von Thekla und Lutz Schäfer.

Wichtige Musical-Komponisten

Alphabetisch sortiert nach Komponisten

Werke

Literatur

  • Siegfried Schmidt-Joos: Das Musical (1965), dtv Bd. 319
  • Wolfgang Jansen: My Fair Lady, Die deutsche Erstaufführung 1961 im Berliner Theater des Westens. Kleine Schriften der Gesellschaft für unterhaltende Bühnenkunst, Band 1, Weidler Buchverlag, Berlin 1992, ISBN 3-925191-85-2
  • Wolfgang Jansen: Musical kontrovers, Der 1. Deutsche Musical-Kongress, Eine Dokumentation. Herausgegeben von Wolfgang Jansen. Kleine Schriften der Gesellschaft für unterhaltende Bühnenkunst, Band 3, Weidler Buchverlag, Berlin 1994, ISBN 3-925191-90-9
  • Charles B. Axton u. Otto Zehnder: Reclams Musicalführer. Stuttgart 1989, 5. A. 1996; ISBN 3-15-010426-2; 604 S. (m. 33 Abb.)
  • Wolfgang Jansen: Musicals in der Produktion, Zur Realisierungspraxis als Konstituens des Werkes. In: Armin Geraths, Christian Martin Schmidt (Hrsg.): Musical, Das unterhaltsame Genre. Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Band 6, Laaber Verlag, Laaber 2002, ISBN 3-89007-426-X.
  • Wolfgang Jansen: Theater – Musicals – Produzenten, Zur Entwicklungsgeschichte des Musicals in Nordrhein-Westfalen. In: Andreas Vollberg (Hrsg.): Von Trizonesien zur Starlight-Ära, Unterhaltungsmusik in Nordrhein-Westfalen. Musikland NRW, Band 4, Agenda-Verlag, Münster 2003, ISBN 3-89688-172-8
  • Wolfgang Jansen: Das Musical kommt nach Deutschland, Zur Rezeption des populären amerikanischen Musiktheaters im deutschsprachigen Feuilleton der fünfziger Jahre. In: Christiane Schlote / Peter Zenzinger (Eds.): New Beginnings in Twentieth-Century Theatre and Drama, Essays in Honour of Armin Geraths. CDE Studies, Band 10, Wissenschaftlicher Verlag, Trier 2003, ISBN 3-88476-639-2

Weblinks


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