Kirchensonate

Kirchensonate

Eine Sonate (ital. sonata, suonata, von suonare "klingen, erklingen lassen"/lat. sonare "klingen") ist ein mehrsätziges Instrumentalstück. Je nach Besetzung wird unterschieden zwischen Solosonaten für ein einzelnes Instrument – meistens Klavier oder Violine (→ Klaviersonate, Violinsonate) –, Duosonaten – meistens ein Streich- oder Blasinstrument plus Klavier –, und Triosonaten oder Quartetten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Sonata ("Klingstück") ist in den Anfängen der selbstständigen Instrumentalmusik gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine allgemeine Bezeichnung für Instrumentalstücke ohne bestimmtes Formschema im Gegensatz zur Cantata ("Singstück"). Sie wird zunächst von Giovanni Croce (1580) und Andrea Gabrieli, dessen mehrere "Sonate a 5 istromenti" (1586) verschollen sind, verwendet. Von seinem Neffen Giovanni Gabrieli sind einige Sonaten erhalten (1597 und 1615). Diese ältesten Sonaten sind Stücke für mehrere Instrumente (Violinen, Violen, Zinken und Posaunen); ihr Schwerpunkt liegt in der Entfaltung harmonischer Fülle, dies bei Giovanni Gabrieli und von ihm beeinflußten Komponisten oft sogar im Zusammenwirken mehrerer Chöre, was nach der Wirkungsstätte der meisten für diesen Stil bedeutenden Komponisten als Venezianische Mehrchörigkeit bezeichnet wird. Ihre praktische Bestimmung ist oft die, einem kirchlichen Gesangswerk als Einleitung vorausgeschickt zu werden. Die Sonate tritt in der Folge (völlig gleichbedeutend mit der Sinfonia) als Einleitung einer Kantate auf.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts beginnt man, drei Typen der Sonate zu unterscheiden. Alle fußen auf der Besetzung mit zwei Oberstimmen und einer Continuo-Stimme.

Sebastién de Brossard (1655-1730) definierte in seinem Musiklexikon Dictionaire de musique nachstehende Einteilung erstmals auch schriftlich:

Die Sonata da chiesa (Kirchensonate) bestand gewöhnlich aus einer langsamen Einleitung, einem lose fugierten Allegro, einem sanglichen langsamen Satz und einem lebhaften Finale in zweiteiliger Form.

Dieses Schema wird allerdings nicht in starrer Weise angewendet und etabliert sich erst in den Werken Händels und Bachs als Sonatenform schlechthin. In der italienischen Violinmusik findet sie sich bis ins 19. Jahrhundert hinein in der Musik Boccherinis.

Die Sonata da camera (Kammersonate) dagegen bestand weitgehend aus stilisierten Tanzsätzen. Zur Zeit Bachs und Händels hatte sich ihre Entwicklung von der Sonata da chiesa vollkommen abgekoppelt und Suite, Partita, Ordre oder (mit einem vorangestellten Präludium im französischen Stil) als Ouvertüre bezeichnet, siehe Suite.

Bach benutzt diese Bezeichnungen für die Sonatentypen nicht, aber sie lassen sich bei ihm in Stil und Form klar unterscheiden. In seinen sechs Violinsonaten sind die Nummern 1, 3 und 5 Kirchensonaten. Die Nummern 2, 4, 6 werden „Partita“ genannt, man kann sie jedoch als Kammersonaten betrachten.

Die Übertragung des Namens Sonate auf Klavierwerke ähnlicher Gestaltung geschieht erstmals durch den Komponisten Gian Pietro del Buono mit seinen 1645 erschienenen Sonaten. Bekannter sind die sogenannten "Biblischen Historien" Johann Kuhnaus (Leipzig 1700). In der Klassik ändert sich die Sonate in Stil und Form, und vor allem die Polyphonie wird abgelöst. Vorbereitet durch Domenico Scarlatti entwickeln vor allem Carl Philipp Emanuel Bach und Joseph Haydn eine Sonatenform, in der der erste Satz oder Kopfsatz als Sonatensatzform geschrieben ist.

Die neue Form der Sonate wird durch Haydn, Mozart und Beethoven auf die Komposition für verschiedene Ensembles (Violine und Klavier, Klavier, Violine und Cello, Streichtrio, Streichquartett etc.) und für Orchester (Symphonie) übertragen, wobei die Bezeichnung Sonate trotz gleicher Form aber der Kammermusik vorbehalten bleibt.

Aufbau der klassischen Sonate

Der Kopfsatz ist der für die Sonate charakteristische Satz (da diese sich hierdurch von Suite, Serenade etc. unterscheidet); seine Form ist die so genannte Sonatensatzform mit ihren Formteilen Exposition, Durchführung, Reprise und Coda. Da dieser Begriff eine Schöpfung der Formenlehre des 19. Jahrhunderts ist, bleibt seine Verwendung für Kompositionen der Zeit vor 1800 zu Recht umstritten. Es ist weithin üblich, nach ihm Satzformen zu beschreiben; er gliedert Sätze jedoch eher nach Tonartbereichen als nach der Abfolge selbständiger musikalischer Gedanken. Dies entspricht sicherlich nicht immer der strukturellen Absicht der Komponisten. Die zeitgenössische formale Begrifflichkeit ist in zahlreichen musiktheoretischen Werken, z. B. bei Johann Gottfried Krause, Bernard Germain Lacepède und anderen zu finden.

Bildungen wie die der ersten Sätze der so genannten Mondscheinsonate (Op. 27, cis-Moll) oder der As-Dur-Sonate (Op. 26) von Beethoven haben mit diesem Schema nichts zu tun. Beiden Sonaten fehlt der eigentliche erste Satz; sie beginnen mit dem langsamen Satz - der in der Regel der zweite ist. In der Mondscheinsonate folgt erst der dritte Satz dem Sonatensatzschema. Schon Mozart hatte in seiner Klaviersonate A-Dur (KV 331) auf den Kopfsatz verzichtet.

Charakteristikum des zweiten Satzes ist die langsame Bewegung (nur ausnahmsweise vertauschen der langsame Satz und das gleich zu besprechende Scherzo ihren Platz). Seine Form kann eine sehr verschiedenartige sein. Ist er wie der erste mit zwei kontrastierenden Themen ausgestattet, so ist das bewegtere das zweite; die Reprise und Durchführung fallen weg, dagegen erscheint gern das Hauptthema dreimal, meistens mit immer gesteigerter Figuration. Oft begnügt sich der Tonsetzer mit der dreiteiligen Liedform, d. h. der Ordnung A-B-A. Sehr beliebt ist auch die Variationenform für den zweiten Satz. Die Tonart des zweiten Satzes ist meistens die der Subdominante oder der Mollparallele.

Der dritte Satz bringt Menuett oder Scherzo, gewöhnlich wieder in der Haupt- oder einer eng verwandten Tonart. In frühen Sonaten fehlt Menuett oder Scherzo gänzlich, so dass man gleich vom zweiten zum letzten Satz, dem Finale, gelangt.

Der vierte Satz, das Finale, steht bei durchschnittlich schneller Bewegung immer in der Haupttonart, verwandelt sie aber nicht selten aus Moll in Dur. Seine Form ist entweder die Sonatensatzform, zum Teil ohne Reprise, aber mit Durchführung, oder eine weit ausgesponnene Rondoform mit mehr als zwei meistens kurzen Themen. In seltenen Fällen läuft er in eine Fuge aus.

Die Sonate in der Romantik

In der Romantik gab es einerseits die Strömung (etwa Schumann oder Brahms), in der die klassische Sonatensatzform beibehalten und mit neuen Inhalten gefüllt wurde. Frédéric Chopin hatte die Sonatensatzform schon relativiert, indem bei ihm in der Reprise das 1. Thema gar nicht mehr erscheint. Andererseits war Franz Liszt der erste Komponist, der in seiner einsätzigen Klaviersonate in h-moll (1854) ganz neue Wege beschritten und damit gleichzeitig die Neudeutsche Schule begründet hat. Die Sonatensatzform spielt keine Rolle mehr. Das musikalische Grundmaterial besteht aus vier Leitmotiven, aus denen die ganze musikalische Entwicklung abgeleitet wird. Damit kehrte der Begriff ´Sonate´ zu seiner ursprünglichen Bedeutung ´Klingstück´ zurück. In der Spätromantik und dem Übergang zu nicht-tonaler Musik sind die Klaviersonaten Alexander Skrjabins zu nennen. Vor allem die späteren Sonaten weisen intensive Motivverarbeitung auf, kombiniert mit der Abkehr von der Tonalität, zugunsten eines harmonischen Systems, das auf Quarten basiert (ab der 6.).

Siehe auch

Literatur

  • Claus Bockmaier, Siegfried Mauser (Hrsg.): Die Sonate. Formen instrumentaler Ensemblemusik. Handbuch der musikalischen Gattungen 5. Laaber-Verlag, Laaber 2005, ISBN 3-89007-128-7.
  • Thomas Schmidt-Beste: Die Sonate: Geschichte - Formen - Ãsthetik. Bärenreiter, Kassel/Basel/London/New York/Praha 2006, ISBN 3-7618-1155-1.

Weblinks

Lehrklaenge (Online-Lehrgang für Musiktheorie): Die Sonate


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