- Kitman
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Die Taqiyya (arabisch تقية, DMG taqīya, „Furcht, Vorsicht“) bezeichnet im Islam die Erlaubnis, bei Zwang oder Gefahr für Leib und Besitz rituelle Pflichten zu missachten und den eigenen Glauben zu verheimlichen.[1]
Die Praxis der schiitischen Taqiyya entwickelte sich im 9./10. Jahrhundert als Reaktion auf die Verfolgung durch die sunnitische Mehrheit.[2]
Der Koran erlaubt in Notsituationen die Verheimlichung oder gar Verleugnung des Glaubens – solange man innerlich am Glauben festhält (Sure 16, Vers 106), die vordergründige Freundschaft mit Feinden des Islams (Sure 3, Vers 28) und den Genuss verbotener Speisen (Sure 6, Vers 119). Die Koranverse, die Taqiyya erlauben, werden von der Tafsir-Wissenschaft in Verbindung gebracht mit dem Fall des Ammār b. Yāsir, der gezwungen worden war, Götzen zu verehren.
Überliefert wurde der Fall zweier muslimischer Gefangener des „falschen Propheten“ Musailima, von denen einer den Märtyrertod wählte, der andere aber sein Leben rettete, indem er vorgab, dem Gegenpropheten zu huldigen. Der Prophet Mohammed soll bei der Nachricht des Todes erklärt haben:
„Der Getötete ist dahingegangen in seiner Gerechtigkeit und seiner Glaubensgewissheit und hat seine Herrlichkeit erlangt; Heil ihm! Dem andern aber hat Gott eine Erleichterung gewährt, keine Züchtigung soll ihn treffen.“
– R. Strothmann: Handwörterbuch des Islam[1]
Da für die Ausübung der Taqiyya das Element der Furcht vor massiver Verfolgung maßgeblich ist, konnte sie, wie das ebenfalls ursprünglich in der schiitischen Tradition begründete Märtyrertum, lange Zeit in der vorherrschenden orthodoxen Sunna nicht Fuß fassen und wird dort mehrheitlich (als schiitisch) abgelehnt. Da Sunniten Gebiete verlassen sollen, wenn sie dort ihre Religion nicht ausüben können, kommen sie auch seltener in Situationen, die die Taqiyya erforderlich machen würde.
Literatur
- Ignaz Goldziher: Das Prinzip der Takijja im Islam. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 1906, S. 213–226.
- R. Strothmann-Moktar Djebli: Taḳiyya. In: Encyclopedia of Islam. Leiden 2003, S. X:134a-136a.
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