Kontokorrentgeschäft

Kontokorrentgeschäft

Ein Kontokorrent ist die gegenseitige Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen zweier Partner (ähnlich dem Dispositionskredit). Beide Parteien können eine Kontokorrentbeziehung jederzeit kündigen. Dann wird der Saldo sofort fällig.

Nach deutschem Handelsrecht (§ 355 HGB - analog in Österreich gilt § 355 UGB) muss bei einer Kontokorrentbeziehung mindestens ein Vertragspartner Kaufmann sein. Weiterhin soll der Saldo des Kontokorrents mindestens einmal pro Jahr (im Rechnungsabschluss) festgestellt werden.

Im Gegensatz zur Aufrechnung entsteht beim Kontokorrent eine eigenständige Forderung.

Inhaltsverzeichnis

Wesen, Merkmale und Wirkung

Beim Kontokorrent steht ein Kaufmann mit einem anderen Kaufmann oder einem Nichtkaufmann in ständiger Geschäftsverbindung. Sie verrechnen ihre gegenseitigen Ansprüche nicht sofort nach Fälligkeit, sondern in einer periodischen Abrechnung, mittels laufender Rechnung. Mit dem dadurch errechneten Saldo, der durch Rechtsgeschäft anerkannt werden muss, entsteht eine eigenständige Forderung.

Erforderlich ist also ein zumindest einseitiges Handelsgeschäft, eine ständige Geschäftsverbindung sowie eine Kontokorrentabrede, deren wichtigster Inhalt die Festlegung einer Rechnungsperiode ist.

Zwar ändert sich die Rechtsnatur der einzelnen Forderungen nicht, ihre Geltendmachung ist aber einzeln nicht mehr möglich – sie sind „gelähmt“. Dementsprechend können sie einzeln auch nicht mehr Gegenstand einer Zession, Verpfändung oder Aufrechnung sein. Die Verjährung der Forderungen ist gem. § 205 BGB analog gehemmt. Allerdings soll eine Klage auf Feststellung der Existenz der einzelnen Forderung möglich sein.

Kontokorrentabrede

Die Kontokorrentabrede begründet das Kontokorrent. Ihr Inhalt ist im Kern der Abrede, in bestimmten, regelmäßigen Zeitabschnitten zu verrechnen und den Saldo festzustellen.

Verrechnung

Von erhöhter Komplexität ist die Art, wie die Verrechnung in Anbetracht verschiedenartiger Forderungen (klagbare/nichtklagbare, besicherte/nichtbesicherte, etc) tatsächlich stattfinden soll. Bestehen beispielsweise zugunsten von A eine „normale“ Forderung von 100, eine Forderung von 50, die eine Naturalobligation darstellt, und eine Forderung von 150, die pfandrechtlich gesichert ist, zwei „normale“ Forderungen des B in Höhe von 80 und 60 gegenüber. Welche Forderung wird nun durch welche abgerechnet? Zur Lösung dieser Fragen haben sich drei Theorien entwickelt:

  • Lehre von der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung („Mosaiktheorie“): Die Posten der kleineren Seite werden von der größeren Seite abgezogen. Gemäß Beispiel also (100+150+50)-(80+60) = 300-140 = 160 . Diese 160 werden nun im Verhältnis 100:150:50 geteilt, sodass die vormalige Forderung von 100 noch in der Höhe von 53,3 , die Forderung von 150 noch in der Höhe von 80 und die Forderung von 50 noch in der Höhe von 26,7 besteht. Kritik: Völlig unterschiedliche Forderungen werden gleich behandelt; auf Klagbarkeit etc. wird keine Rücksicht genommen.
  • Lehre vom Staffelkontokorrent: Der „Saldo“ wird ständig aktualisiert, sodass jede neue Forderung einer Partei den bisherigen „Saldo“ ändert. 1. Forderung des A von 100, 2. Forderung des B von 160; Zwischenergebnis 60 zugunsten des B; 3. Forderung des A von 50; Zwischenergebnis: 10 zugunsten des B; 4. Forderung des A von 150; Zwischenergebnis: 140 zugunsten des A, usw. Kritik: Auch hier werden unterschiedliche Forderungen gleichwertig verrechnet. Darüber hinaus widerspricht diese Theorie dem Willen des Gesetzgebers, der von „periodischer“ Verrechnung (und nicht „laufend aktualisierter“) Verrechnung ausgeht.
  • Tilgungsordnung des Bürgerlichen Rechts: Unklagbare Forderungen werden nicht mit klagbaren verrechnet. Wirtschaftlich zusammengehörende Forderungen werden dementsprechend verrechnet; z. B.: Entsteht eine Forderung des A von 1000 und bezahlt B 1000 an A, so stellt diese Zahlung die Tilgung der gleich lautenden Forderung dar (entspricht am ehesten dem Parteiwillen).

Saldoanerkenntnis

Das Saldoanerkenntnis ist ein Rechtsgeschäft: Eine Partei führt am Ende einer Periode die Verrechnung durch (die Forderungen werden saldiert) und bietet den ermittelten Saldo zur Annahme an. Nimmt die andere Partei an (was konkludent erfolgen kann), wozu sie grundsätzlich aus dem Kontokorrentvertrag verpflichtet ist, so schafft das Anerkenntnis einen neuen Verpflichtungsgrund. Mit Abschluss dieses neuen Vertrages erlöschen die bisher existenten Forderungen (Novation) und an ihre Stelle tritt der abstrakte Saldoanspruch, welcher aufgrund ausdrücklicher Anordnung des § 355 Abs. 1 HBG verzinslich ist. Er ist sowohl übertragbar als auch pfändbar (§ 357 HBG gilt es zu beachten).

Siehe auch


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