- Kreditwürdigkeit
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Bonität (von lateinisch bonitas, "Vortrefflichkeit") oder Kreditwürdigkeit ist in der Finanzwirtschaft die Eigenschaft einer natürlichen Person oder von Unternehmen oder Staaten, die aufgenommenen Schulden zurückzahlen zu können (wirtschaftliche Rückzahlungsfähigkeit) und zurückzahlen zu wollen (Zahlungswilligkeit). Bei Emittenten von Wertpapieren wird unter Bonität die Fähigkeit verstanden, die Emission nebst Zinsen zu bedienen und zu tilgen. Daraus ableitbar ist die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Kreditnehmer in der Lage und willens sein wird, die erforderlichen Rückzahlungen zu leisten.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Die Bonität beinhaltet mithin regelmäßig zwei Kriterien, von denen die wirtschaftliche Rückzahlungsfähigkeit im Vordergrund der Analyse steht. Bei der persönlichen Kreditwürdigkeit wird die persönliche Zuverlässigkeit und Zahlungswilligkeit bewertet. Hier sind die beruflichen und fachlichen Qualifikationen bei natürlichen Personen als Kreditnehmer und vom Management bei Unternehmenskrediten von Interesse. Bei der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit geht es um die wirtschaftlichen Fähigkeiten aufgrund der vergangenen und prognostizierbaren wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers, den Kredit zurückzuzahlen (Kapitaldienstfähigkeit). Hierzu werden Daten wie Einkommensnachweise, Bilanzen usw. zur Auswertung hinzugezogen. Gläubiger, insbesondere Kreditinstitute, müssen ihre Kreditrisiken professionell einschätzen und einstufen können. Deshalb wurden Verfahren auf betriebswirtschaftlich-statistischer Grundlage entwickelt, die sich systematisch mit der Ermittlung und der nachfolgenden Einstufung der individuellen Bonität eines Schuldners befassen. Ohne selbst Gläubiger zu sein, ermitteln auch Ratingagenturen permanent die Bonität von Schuldnern, um den Gläubigern ihr Ergebnis entgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Einstufung der Bonität
Es gibt keine einheitliche Bonität für alle Schuldner. Jeder Schuldner erfüllt nämlich aufgrund seiner individuellen wirtschaftlichen Situation alle Bonitätskriterien mehr oder weniger, sodass letztlich eine individuell abgestufte Bonität das Ergebnis ist. Diese Abstufungen werden entweder in scores oder Ratings ausgedrückt, die von „sehr guter Bonität“ bis „gerade noch vertretbare Bonität“ reichen. Ratingtechnisch liegt Bonität also vor, wenn ein Schuldner gerade noch ein Rating erhält, das im Rahmen des „investment grade“ liegt. Die Bundesbank bezeichnet demzufolge Kreditforderungen der Kreditinstitute dann als „notenbankfähige Sicherheit“, wenn bei Ratingagenturen die Unternehmen mindestens ein langfristiges Urteil von „A-” aufweisen[1].
Diese Bonitätsstufen korrelieren mit der statistischen Ausfallwahrscheinlichkeit, denn eine gute Bonität bedeutet geringe Ausfallwahrscheinlichkeit und umgekehrt. Deshalb können im Rahmen der sog. Kalibrierung einer bestimmten Ratingstufe auch konkrete Ausfallwahrscheinlichkeiten zugeordnet werden. Auch Ratingagenturen wie „Moody’s“[2] oder "Standard & Poor's"[3] und Kreditinstitute wenden bei eigenen Ratingverfahren derartige Klassifizierungen an, denen jeweils institutseigene Ausfallwahrscheinlichkeiten zugrunde gelegt werden. Creditreform legt die Ausfallwahrscheinlichkeiten in 8 Stufen fest[4]:
- Ausgezeichnete Bonität: Ausfallwahrscheinlichkeit 0,10%
- Sehr gute Bonität: Ausfallwahrscheinlichkeit 0,44%
- Gute Bonität: Ausfallwahrscheinlichkeit 0,99%
- Mittlere Bonität: Ausfallwahrscheinlichkeit 1,87%
- Angespannte Bonität: Ausfallwahrscheinlichkeit 6,94%
- Sehr schwache Bonität: Ausfallwahrscheinlichkeit 17,27%
- Massive Zahlungsverzüge: Bonitätsindex 500,
- Harte Negativmerkmale: Bonitätsindex 600.
Anforderungen an die Bonitätsprüfung bei Kreditinstituten
In Deutschland verlangt § 18 KWG von den Kreditinstituten, dass sie sich laufend über die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kreditnehmer unterrichten müssen, indem sie entsprechende Unterlagen zeitnah anzufordern haben. § 18 KWG ist eine zentrale Bestimmung für die Kreditvergabe und die damit verbundene Kreditwürdigkeitsprüfung, die nicht nur formal, sondern auch materiell einzuhalten ist. Der BGH verlangt in Auslegung dieser Bestimmung[5] von Kreditinstituten, sich nachhaltig um die Vorlage von Jahresabschlüssen beziehungsweise einen Vermögensstatus mit ergänzenden Angaben zu bemühen und die weitere Kreditgewährung von einer solchen Vorlage abhängig zu machen, den Kredit also zu kündigen, wenn ihnen die Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung durch das weitere Verhalten ihres Kunden unmöglich gemacht wird. Die nicht erfolgte oder gar die nicht fristgerechte Offenlegung durch den Kreditnehmer löst einen Kündigungsgrund aus[6]. Mit dieser Pflicht werden die Kreditinstitute, aber auch deren Gläubiger geschützt.
Die vorliegenden Unterlagen werden sodann im Rahmen einer Bonitätsprüfung (Kreditwürdigkeitsprüfung) ausgewertet. Das Verfahren und die dabei angewandten Analyse- und Beurteilungskriterien sind aufsichtsrechtlich sowohl organisatorisch als auch inhaltlich nur grob festgelegt. Die detaillierte Festlegung und Gewichtung einzelner Bonitätskriterien bleibt den Kreditinstituten überlassen. Die MaRisk verlangen von Kreditinstituten die Erfüllung organisatorischer Vorkehrungen (Ausgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation), die eine systematische und sachgerechte Bonitätsprüfung ermöglichen sollen. In § 60 Abs. 1 SolvV wird von Kreditinstituten - die eigene Ratings erstellen - verlangt, dass alle Methoden, Verfahrensabläufe, Steuerungs- und Überwachungsprozeduren und Datenerfassungs- und Datenverarbeitungssysteme die Bonitätseinschätzung (hier „Adressrisiken“ genannt) unterstützen müssen.
Bonitätskriterien
Die Festlegung und Gewichtung der einzelnen Bonitätskriterien ist jedem Gläubiger freigestellt. Dabei wird er nach seinen Bedürfnissen und von der Art des Schuldners abhängige, unterschiedliche Kriterien und Gewichtungen zugrunde legen. Auch Kreditinstituten wird aufsichtsrechtlich nicht vorgeschrieben, welche Kriterien sie bei ihrer Ratingvergabe zu berücksichtigen haben. Bei Ratingagenturen sind die angewandten Bonitätskriterien weitgehend nicht öffentlich. Allgemein können jedoch folgende Mindest-Kriterien genannt werden, die sich in rechtliche, personelle und wirtschaftliche Faktoren systematisieren lassen[7]:
- Natürliche Personen:
- SCHUFA-Auskunft über bisherige Kreditabwicklungen, Einkommenssituation (Höhe, Arbeitgeber, Sicherheit des Arbeitsplatzes), Ausgabensituation (Miete, Kreditrückzahlungen), Vermögenssituation (vorhandene Vermögensbestandteile), Schuldensituation (Kredite, übernommene Haftungen); Güterstand.
- Unternehmen:
- Allgemeine Angaben aus Bankauskunft, Wirtschaftsauskunftei; Rechtsform und Unternehmenssatzung; aus dem Jahresabschluss: Eigenkapitalquote, verfügbarer Cash-Flow (Cash-Flow-Berechnung), Cash-Flow in % des Umsatzes, Gewinn- oder Verlustsituation, Qualität des Managements, Unternehmensplanung, Investitionspolitik, Vermögens- und Schuldensituation. Die Bank-Verschuldung im Bereich der Millionenkredite kann über die Evidenzzentrale der Bundesbank ermittelt werden.
Je nach Bedeutung eines Kriteriums kann dieses gegenüber anderen Kriterien durch eine höhere Gewichtung stärkeren Einfluss auf das Ratingergebnis erhalten.
Auswirkungen der Bonitätseinstufung
Bonitätseinstufungen anhand obiger Bonitätskriterien werden sowohl bei erstmaliger Kreditgewährung als auch laufend während der Kreditgewährung vorgenommen. Beide haben den Zweck, das aktuelle Kreditrisiko eines Schuldners anhand einer Ratingnote festzulegen. Diese Ratingnote ist – neben etwaigen Kreditsicherheiten - der wesentliche Faktor für die Eigenmittelunterlegung. Von der Höhe der bei einem Kredit vom Kreditinstitut zu unterlegenden Eigenmittel hängt wiederum auch der Kreditzins ab, weil dieser eine bonitätsabhängige Risikoprämie beinhaltet. Bei guter Bonität (oder guten Kreditsicherheiten) ist der Kreditzins tendenziell niedriger und umgekehrt.
Bonitätsverschlechterungen bestehender Kredite können über entsprechende Ratingherabstufungen bestimmte Folgen in Kreditverträgen auslösen. Einerseits können automatisierte Kreditmargenerhöhungen eintreten, andererseits treten Nachbesicherungs- oder sogar Kreditkündigungsrechte in Kraft. Ausgangspunkt ist die wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse (= Bonität), wie sie in § 490 Abs. 1 BGB normiert ist.
Kritik
Bonität und ihre Klassifizierung nach Ratings ist für subjektive Einflüsse zugänglich. Sowohl die Auswahl der Bonitätskriterien als auch deren Gewichtung enthalten deutlich subjektive Merkmale. Deshalb kann die von einem Gläubiger oder einer Ratingagentur vorgenommene Bonitätseinstufung auch nur sehr begrenzt objektiv nachgeprüft werden. Kritik erfährt auch die stark vergangenheitsorientierte Auswahl der Bonitätskriterien, die nur sehr begrenzt in die Zukunft – und hierhin gehört die Ausfallwahrscheinlichkeit – extrapolierbar ist. Alternativ haben sich deshalb weitere Methoden zur Ermittlung der Bonität entwickelt. Hierzu gehören unter anderem die Insolvenzprognoseverfahren oder die „Extra Financial Research". Erstere dienen dazu, mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln, ob Schuldner innerhalb eines bestimmten Zeitraums (typischerweise 1 Jahr) insolvent werden. Letztere beschäftigt sich mit Einflussfaktoren aus den Bereichen Umwelt (Environment), Gesellschaft und Mitarbeiter (Social) und Unternehmensführung (Governance), in der Formel "ESG" zusammengefasst. Dabei wird der Fokus auf wichtige, nicht-finanzielle (englisch: extra financial) Größen gelegt, weil die klassische Bonitätsanalyse die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens oft nur verkürzt oder unzureichend darstelle.
Siehe auch
Weblinks
- Ausführliches Beispiel für ein Gutachten zur persönlichen Kreditwürdigkeit (14 S. PDF)
- Bonitätsprüfungsartikel der WirtschaftsWoche e-business 10/2001
Einzelnachweise
- ↑ Deutsche Bundesbank: "Beurteilung der Bonität von Unternehmen durch die Deutsche Bundesbank im Rahmen der Refinanzierung deutscher Kreditinstitute", Oktober 2008
- ↑ Thomas Wolke, Risikomanagement, 2008, S. 191, ISBN 3486587145
- ↑ Standard & Poor's: "Rating Methodology: Evaluating the Issuer", Februar 2002
- ↑ Creditreform, Bonitätsindex
- ↑ BGH WM 1994, 838
- ↑ BGH, a.a.O.
- ↑ Manfred Wächtershäuser, Kreditrisiko und Kreditentscheidung im Bankbetrieb, 1971, S. 123 ff., ISBN 3 40940012 5
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