Krematorium Wilmersdorf

Krematorium Wilmersdorf
Wandgräber auf dem ältesten Friedhofsteil

Der landeseigene Friedhof Wilmersdorf im Berliner Ortsteil Wilmersdorf ist ein seit 1885/86 bestehender Alleequartierfriedhof, der mehrfach erweitert wurde. Die jetzige Größe beträgt 10,12 Hektar[1]. Die Belegungsflächen A, B und D sind ein eingetragenes Gartendenkmal des Landes Berlin.[2]

Mit der Erweiterung des Friedhofes nach Nordwesten wurde von 1919 bis 1923 ein Krematorium mit weitläufigen Kolumbarien auf dem Friedhof errichtet. Einäscherungen finden hier seit 1990 nicht mehr statt, die Trauerhalle im Gebäude wird aber weiterhin genutzt. Das Krematorium ist ein eingetragenes Baudenkmal des Landes Berlin.[3]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Friedhof wurde als „Städtischer Friedhof der Landgemeinde Deutsch-Wilmersdorf“ westlich des Ortskerns von Wilmersdorf südlich der Berliner Straße angelegt. Die Größe betrug damals ungefähr ein Hektar. Im Zentrum des Friedhofs wurde bis 1887 nach Entwürfen von Max Contag und Christian Havestadt eine Friedhofskapelle mit angeschlossener Leichenhalle in Klinkerbauweise errichtet. Von der Kapelle aus wurde der Friedhof mit einem rechtwinkligen Wegeraster erschlossen, wobei die Hauptwege als Alleen, hauptsächlich mit Linden und Platanen ausgeführt wurden. Der Friedhof wurde durch eine Friedhofsmauer abgeschlossen an welcher zahlreiche monumentale Erbbegräbnisstätten errichtet wurden.

Die Friedhofskapelle wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und nachfolgend abgetragen. Das Wegerondell, das um die Kapelle führte, besteht noch, der ehemalige Standort der Kapelle wurde mit Rhododendronbüschen bepflanzt. Die Alleen und die Außenmauern mit den Wandgräbern und Mausoleen sind in großen Teilen noch vorhanden. Der ehemalige Haupteingang ist heute der Nebeneingang an der Berliner Straße.

Kriegsgräberstätte in der Belegungsfläche A

Zwischen 1906 und 1915 erfolgten mehrere Erweiterungen der Friedhofsanlage nach Süden, Westen und Osten. Die Gestaltungsprinzipien des Friedhofs wurden bei den Erweiterungen im Großen und Ganzen beibehalten. Die Entwürfe für die Erweiterungen werden Richard Thieme zugeschrieben.[4] Nur durch eine rechteckige Wasserfläche und eine parkartig angelegte Gräbergruppe, die als „Hainbegräbnisplatz“ bezeichnet wurde, sind Auflockerungen im strengen Raster geschaffen worden. Die Wasserfläche ist später einem Unterstand gewichen.

Bei den Erweiterungen sind Straßenverlängerungen der Wilhelmsaue nach Westen und der Brienner Straße nach Süden, die den Friedhof geviertelt hätten, berücksichtigt worden. Erst ab den 1950er-Jahren, als im Zusammenhang mit der Planung des nahen Stadtautobahnringes diese Straßenverlängerungen ihren Sinn verloren, wurden die Flächen belegt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden an mehreren Stellen auf dem Friedhof Kriegsgräberstätten angelegt. Die Friedhofsverwaltung beabsichtigt diese Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft im Jahr 2009 in einer geschlossenen Grabanlage auf dem Friedhof zusammenzuführen.[5]

Krematorium Wilmersdorf

Krematorium Wilmersdorf

Nach der Legitimierung der Feuerbestattung in Preußen und positiven Erfahrungen in den damaligen Bezirken Wedding (Urnenfriedhof Seestraße mit Krematorium Gerichtsstraße) und Treptow (Friedhof Baumschulenweg mit Krematorium Baumschulenweg), beschloss auch die Gemeinde Wilmersdorf den Bau eines Krematoriums und den verstärkten Einsatz der Feuerbestattung. Hiervon versprach man sich eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse und eine Reduzierung der benötigten Bestattungsfläche. Die Planungen konnten jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg umgesetzt werden. Von 1919 bis 1922 wurde nach Entwürfen von Otto Herrnring im nordwestlichen Bereich des Friedhofs das Krematorium errichtet.

Relief Die eilende Zeit von Eberhard Encke

Herrnring entwarf das Krematorium in klassizistischer Formensprache mit einem Zentralbau und zwei Seitenflügeln. Eine 17,5 Meter hohe Kuppel im Zentrum dominiert den Bau. Als einziges äußeres Schmuckelement befindet sich auf dem Giebel des Zentralbaus über dem Haupteingang ein Chronos darstellendes Relief mit dem Titel „Die eilende Zeit“ von Eberhard Encke. Der Zentralbau wird über eine breite Freitreppe betreten, die zu einer Wandelhalle führt, welche der gesamten Vorderseite des Gebäudes vorgelagert ist.

Die Trauerhalle befindet sich im Zentrum des Baus. Durch einen hohen Tambour unterhalb der Kuppel fällt Licht in den Raum. Gegenüber dem Eingang befindet sich ein Altar und über dem Eingang auf einer Empore eine Orgel und Platz für Sänger.

Wirtschaftshof des Krematoriums

Die technischen Einrichtungen zur Einäscherung befinden sich im Sockelgeschoss und im Tiefkeller des Krematoriums. Für die Einäscherung standen hier zwei Öfen zur Verfügung. Eine besonders geschickte Lösung wurde für die Abluft gefunden, da kein sichtbarer Schornstein die optische Erscheinung des Gebäudes beeinträchtigen sollte. Sowohl die Abluftschächte der beiden Öfen als auch die Entlüftungsschächte aus den Leichenaufbewahrungsräumen werden an der Rückseite des Turmbaues nach oben geführt und treten über dem Gesims in die Kuppelhaube ein. Oberhalb des massiv gemauerten inneren Kuppelgewölbes führen die Schächte zur Mitte der Kuppel und enden dort in einem attikaartigen Aufbau. Diese Konstruktion führt zu der von außen sichtbaren parabelförmigen Kuppelform während die Kuppel im Inneren mit einer Halbkugel abschließt.

Die Anlieferung der Verstorbenen und der Abtransport der Asche für die Beisetzung auf anderen Friedhöfen erfolgte über einen Wirtschaftshof, der südwestlich vom Krematorium, abgeschirmt von Zentralbau und Westflügel, ohne Störung der Friedhofsbesucher über die Kalischer Straße erreicht werden konnte. Zudem liegt der Wirtschaftshof tiefer, so dass direkt die Räume im Sockelgeschoss angefahren werden konnten. Das Heben und Senken der Särge aus dem Wirtschaftsbereich in die Andachtshalle erfolgte durch eine mit Druckwasser betriebene Hebeeinrichtung.

Die Gestaltung der Friedhofsanlage im Umfeld des Krematoriums wurde wiederum von Richard Thieme durchgeführt. Um die Wirkung des Krematoriums zu verstärken, legte er vor diesem vertiefte Rasenflächen an. Die Achse vom neuen Haupteingang zum Krematorium gestaltete Thieme mit mehreren Pflanzbecken und zwei jeweils spiegelbildlich identischen Skulpturenpaaren von Trauernden, die ebenfalls vom Bildhauer Eberhard Encke geschaffen wurden.

Bereits 1931 wurde die Vorfläche wieder umgestaltet. Die Fläche des Vorplatzes wurde um bis zu zwei Meter abgesenkt, um den Gesamteindruck der Anlage zu verbessern. Das noch neue Urnenfeld rechts des Weges zum Krematorium wurde wieder aufgelassen und durch eine viereckige Grünanlage ersetzt, die mit den neu errichteten Kolumbarien an einen Kreuzgang erinnert.[6]

1948, 1951, 1953 und 1970 erfolgen weitere Anbauten (Kühlanlage, Pflanzenhalle, Kondolenzhalle, Leichenhalle).[7] Vor allem die Errichtung eines neuen Gebäudeflügels am Ostende des Krematoriums veränderte das Erscheinungsbild des Krematoriums stark.

1966 erfolgte eine Renovierung mit zeitweiser Schließung des Krematoriums. 1990 wurde das Krematorium stillgelegt, da die Kapazitäten in den Krematorien Baumschulenweg und Ruhleben für Berlin ausreichen und genügend Reserven bieten.[8]

Kolumbarien

Gartenhof im Kolumbarium

Trotz der platzsparenden Feuerbestattung wurde der Raum auf dem Friedhof eng und bereits 1925 wurde mit dem Bau mehrerer Kolumbarien begonnen, die teilweise an das Krematorium anschlossen, somit die Symmetrie des Baus aufhoben und hierdurch die architektonische Wirkung einschränken. Eine Besonderheit im Wilmersdorfer Kolumbarium ist ein Gartenhof in maurisch-gotischem Stil. Hier und in weiteren schmuckvoll gestalteten Räumen konnte auch bei einer Urnenbeisetzung ein Repräsentationsbedürfnis befriedigt werden.

Platzsparende Beisetzungswand im Kolumbarium

Anfang der 1930er-Jahre wurden stetig die Kolumbarien erweitert. Die anfängliche Gestaltung als Kreuzgang und Gartenhof bot jedoch zu wenige Beisetzungsmöglichkeiten zu „volkstümlichen Preisen“[6] Im Verlauf des weiteren Ausbaus der Kolumbarien wurden deshalb Wände errichtet, in denen auf engstem Raum, die Asche der Verstorbenen ohne Urne, sondern nur in der Aschekapsel des Krematoriums, beigesetzt wurden.

Ab 1935 waren auf dem Friedhof Wilmersdorf nur noch Urnenbestattungen zugelassen. Der Name des Friedhofes wurde in „Urnenhain Wilmersdorf“ geändert. Nach 1945 wurde diese Regelung jedoch wieder aufgehoben.[9]

Kunstwerke

Vor allem in den älteren Friedhofsteilen befinden sich kunsthistorisch wertvolle Grabanlagen und Grabskulpturen. Die zahlreichen Wandgräber und Mausoleen bilden hier ein einzigartiges Ensemble in der Berliner Sepulkralkultur.[10] Vor allem der Bildhauer Hans Dammann hat hier zahlreiche Werke, sowohl architektonischer als auch bildhauerischer Art, hinterlassen, die sich bis heute in gutem Erhaltungszustand befinden.

Grabrelief eines unbekannten Künstlers (singiert „Pfretschner 1900“) an einem aufgelassenen Familiengrab

Weiterhin sind einige Grabmale mit einzelnen Grabskulpturen oder -reliefs ausgestattet. Hier sind zu nennen

  • eine marmorne Engelsfigur auf dem Erbbegräbnis Bolze von August Bauer
  • eine marmorne Christusfigur auf der ehemaligen Grabstätte Blisse-Ochs (heute Gemeinschaftsgrabanlage) von Franz Ochs
  • eine selbst geschaffene, marmorne Christusfigur des hier bestatteten Bildhauers Michael Lock
  • eine bronzene Skulptur einer Trauernden auf dem ehemaligen Erbbegräbnis Aschen (heute Gemeinschaftsgrab) von Hans Dammann
  • ein Relief von Richard Grüllner am Grab von Richard Güntsche
  • ein Relief von August Rhades am Grab von Henriette von Hollitscher

Grabstätte Wislicenus-Finzelberg

Wandgrab mit Skulptur von Lilli Wislicenus-Finzelberg

Die erste Beisetzung in diesem Familiengrab war die des Historienmalers Hermann Wislicenus im Jahre 1899. 1922 folgte Hermann Finzelberg. Im Dezember 1939 verstarben die verheirateten Kinder der beiden zuerst beigesetzten, der Maler Hans Wislicenus und dessen Ehefrau, die Bildhauerin Lilli Wislicenus-Finzelberg innerhalb von zwei Tagen. Beide wurden hier beigesetzt.

Die Grabmalwand ist dreifeldrig. Über einem Sockelberich befinden sich auf den Außenfeldern die mittlerweile stark verwitterten und kaum noch lesbaren Namensinschriften. Die Nische im Mittelfeld nimmt die Grabmalsskulptur einer Trauernden auf, die eine Rose, im Grabschmuk ein häufiges Symbol der Liebe, niederlegt. Diese Skulptur wurde von der hier später selbst beigesetzten Lilli Wislicenus-Finzelberg im Jahre 1910 geschaffen. Skulptur und Grabwand bedienen sich der Formensprache des Jugendstils.

Die gleiche Skulptur befindet sich auch auf einem Grab auf dem Wwedenskoje-Friedhof in Moskau.[11]

Grabstätte von Dincklage

Tempelartiges Familiengrab von Dincklage

Für den 1907 verstorbenen Rittmeister Freiherr Max Ildefonso von Dincklage ließen dessen Nachkommen ein monumentales Erbbegräbnis errichten. Den Auftrag hierfür erhielt Hans Dammann. Er entwarf hier eine nach oben offene tempelartige Anlage. Auf einem Sockel aus Granit stehen an den Seiten- und der Forderfront insgesamt zwölf dorische Säulen aus Ettringer Tuff. Aus der geschlossenen Rückseite tritt halbkreisförmig der Gruftzugang heraus, dessen schmiedeeiserne Tür ursprünglich blau verglast war. Auf den Säulen und der Rückwand liegt ein massives Gebälk.

2007 wurde die Grabstelle neu vergeben.

Grabstätte von Loebell

Wandgrab der Familie von Loebell

1911 ließ Friedrich Wilhelm von Loebell im ältesten Friedhofsteil (Gräberfeld A) nach dem Tod seines Sohnes Dietrich, der 20jährig verstarb, ein Familiengrab anlegen. Der Entwurf für diese Anlage stammt von Hans Dammann.[12] Er gestaltete eine dreifeldrige Grabwand. Die beiden äußeren Felder wurden als Ehrentafeln für die Namen der Verstorbenen vorgesehen und das mittlere Feld als Scheinportal ausgebildet, zu dem eine kurze Freitreppe hinauf führt. Das Portal ist jedoch durch ein großes marmornes Kreuz verstellt, das den Zugang der Hinterbliebenen ins Jenseits symbolisch versperrt. Für die Darstellung des Jenseits auf der Wand hinter dem Kreuz wählte Dammann eine Auskleidung mit dunkelblauem Glasmosaik mit einem abgesetzten goldenen Mosaikrand und goldenen Strahlen die hinter dem Kreuz hervortreten. Auch Friedrich Wilhelm von Loebell und seine Frau Margarethe, geb. von Flottwell, wurden hier beigesetzt.

Das Grabmal wurde 2007 als Gemeinschaftsgrabstätte des Kirchenkreises Wilmersdorf umgenutzt. Neben einer Neugstaltung des Grabfeldes erfolgte an der Grabwand eine Überdeckung der Namen der Familie von Loebell mit zwei schwarzen Metalltafeln auf denen die Namen der nun hier neu beigesetzten aufgelistet werden.

Beigesetzte bekannte Persönlichkeiten

Skulptur einer Trauernden von Hans Dammann, die auf zahlreichen (Berliner) Friedhöfen anzutreffen ist
Engel auf dem Familiengrab von Hermersberg
Engel von August Bauer auf dem Familiengrab Bolze
Grab für ein 1922 knapp fünfjährig verstorbenes Mädchen

(* = Ehrengrab des Landes Berlin[13])

Literatur

  • Fritz Grüder: Die neue Flammbestattung auf dem Friedhof in Berlin-Wilmersdorf. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, 42. Jg., Nr. 75 (16. September 1922), S. 449–451.
  • Berlin und seine Bauten, Teil X, Band A Anlagen und Bauten für die Versorgung: (3) Bestattungswesen. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1981, ISBN 3-433-00890-6, S. 31–32, 76–77 und 116–117.
  • Eines Schattens Traum ist der Mensch / Berliner Friedhöfe Teil 1 (CD-ROM). GBBB e.V., Berlin 1997.
  • Gartendenkmale in Berlin: Friedhöfe. Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, Nr. 27. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2008, ISBN 978-3-86568-293-2, S. 39–42.

Belege

  1. Liste Berliner Friedhöfe der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
  2. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste Städtischer Friedhof Wilmersdorf, Belegungsflächen A, B, D
  3. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste Städtischer Friedhof Wilmersdorf, Krematorium
  4. Berlin und seine Bauten: Bestattungswesen, S. 116.
  5. Aushang auf dem Friedhof, April 2009
  6. a b Udo Christoffel (Hrsg.): Berlin-Wilmersdorf / Die Jahre 1920 bis 1945. Verlag Wilhelm Möller, Berlin 1985, ISBN 3-9801001-1-1, S. 245
  7. Berlin und seine Bauten: Bestattungswesen, S. 117.
  8. Krematorium Wilmersdorf - aufgelassen im Lexikon des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf
  9. Friedhof Wilmersdorf auf den Webseiten des Umweltamtes Charlottenburg-Wilmersdorf
  10. Gartendenkmale in Berlin: Friedhöfe, S. 39
  11. Foto der Trauernden-Skulptur auf dem Wwedenskoje-Friedhof in Moskau
  12. Gartendenkmale in Berlin: Friedhöfe, S. 42
  13. Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: Januar 2009)

Weblinks

52.48516666666713.3117Koordinaten: 52° 29′ 7″ N, 13° 18′ 40″ O


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