Kuba-Krise

Kuba-Krise
Kubakrise 1962: Reichweite der sowjetischen Raketen auf Kuba

Die Kubakrise (auch Kubanische Raketenkrise[1]) von 1962 war eine äußerst ernste Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion im Kalten Krieg mit Kuba im Zentrum des Geschehens. Obwohl die eigentliche Krise nur 13 Tage – von Dienstag 16. Oktober bis Sonntag 28. Oktober 1962 – dauerte, gab es ein monatelanges Nachspiel. Mit der Kubakrise erreichte der Kalte Krieg eine neue Qualität, da die Sowjetunion atomar bestückbare Waffensysteme auf einem Gebiet außerhalb des Warschauer Paktes stationieren wollte. Zu keinem anderen Zeitpunkt war ein Atomkrieg wahrscheinlicher als im Rahmen der Kubakrise.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Aus dem Zweiten Weltkrieg waren die USA und die Sowjetunion als Großmächte hervorgegangen. Sie standen für zwei gegensätzliche Wirtschaftssysteme und Ideologien und versuchten, dem Gegner mit immer neuen Waffentechnologien die eigene Überlegenheit zu demonstrieren.

Dabei wurde selbst ein nuklearer Erstschlag nicht ausgeschlossen, der den Gegner durch massiven Einsatz von Kernwaffen vernichten und jede Vergeltung unmöglich machen sollte. Konventionelle Waffen besaßen für ein solches Vorhaben nicht genug Feuerkraft.

Interkontinentalraketen der damaligen Zeit erreichten Ziele innerhalb von 18.000 km; die beiden Supermächte konnten einander also von heimischem Boden aus mit solchen Raketen beschießen. Auch die Bomberflotten des Typs B-52 und Tu-95 besaßen entsprechende Reichweiten. Allerdings machten die langen Vorwarnzeiten einen Überraschungsangriff unmöglich. Also mussten Raketen näher am Ziel installiert werden. Im Jahre 1958 begann die Sowjetunion mit der Aufstellung von atomaren Mittelstreckenraketen des Typs SS-3 Shyster in der DDR, die gegen Ziele in Westeuropa, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland gerichtet waren, die jedoch 1959 überraschend nach Kaliningrad verlegt wurden[2]. Die nächste Stufe des Wettrüstens folgte noch im selben Jahr. Diese erreichten die USA im Januar 1959 mit der Aufstellung von nuklearen Mittelstreckenraketen des Typs Thor und Jupiter in Italien und der Türkei.

Durch das Scheitern des Versuchs Chruschtschows, Berlin den Viermächtestatus zu entziehen (Berlin-Krise) sowie die sowjetisch-chinesischen Verstimmungen in den 50er Jahren drohte eine Schwächung der sowjetischen Position im Kalten Krieg. Die Lage änderte sich, als die kubanische Guerilla unter Fidel Castro den Diktator Fulgencio Batista im Januar 1959 aus Kuba vertrieb. Castro bildete eine Revolutionsregierung, in der anfangs noch verschiedene oppositionelle Gruppen vertreten waren, darunter auch die bald bevorzugten Kommunisten. Batista war von den USA unterstützt worden, und auch Castro wollte die Beziehung aufrechterhalten; er bat die USA um ein Darlehen. Für die USA kam er jedoch als Partner nicht in Frage. Eisenhower lehnte das Darlehen ab, die amerikanische Regierung unterstützte die kubanische Opposition durch Terror- und Sabotageakte, ja sogar Mordanschläge gegen das Castro-Regime.

Die UdSSR beobachtete diese Entwicklung aufmerksam und nahm im Mai 1959 diplomatische Beziehungen zu Kuba auf. Castro hoffte, mit der wirtschaftsstarken UdSSR im Rücken ein Vorbild für die nationale Unabhängigkeit in Lateinamerika werden zu können. Die USA werteten dies als inakzeptablen Versuch, den Kommunismus in Süd- und Mittelamerika zu verbreiten.

Am 19. Oktober 1960 verbot die Regierung der USA per Dekret, Erdöl nach Kuba zu exportieren; gleichzeitig untersagte sie jeglichen Import aus Kuba. Das Politbüro unter Chruschtschow sagte hierauf wirtschaftliche und militärische Unterstützung zu. Diese Zusagen gelten heute als Anlass für die Schweinebuchtinvasion durch die USA am 17. April 1961, die für die Angreifer in einem Fiasko endete.

Das Bündnis zwischen der Sowjetunion und Kuba war für beide Staaten vorteilhaft. Die UdSSR konnte ihr taktisches Defizit gegenüber den USA ausgleichen, nämlich die Erreichbarkeit des gegnerischen Territoriums mit Nuklearraketen, und Kuba betrachtete die Sowjetunion als wichtigsten Handelspartner und Schutzmacht, die das Überleben der Regierung Castro sicherte.

Unmittelbare Vorgeschichte

1958 begann die Stationierung sowjetischer Atomraketen in der Deutschen Demokratischen Republik, die auf Ziele in Großbritannien, US-amerikanische Militärbasen in Westdeutschland und andere strategisch wichtige Ziele in Westeuropa gerichtet waren.

Von 1959 an stationierten die USA in Italien eine Staffel mit 25 und in der Türkei zwei Staffeln mit 25 nuklear bestückten Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter, die auf die UdSSR gerichtet waren.

Am 26. und 27. Oktober 1960 starteten die USA von der Laughlin Air Force Base in Texas erstmals auch U-2-Aufklärungsflüge über Kuba. Am 5. September 1961 wurden erstmals Aufnahmen von Flugabwehrraketen vom Typ SA-2 Guideline und von Kampfflugzeugen vom Typ MiG-21 Fishbed gemacht.

Im April 1962 wurden die US-amerikanischen Thor- und Jupiter-Atomraketen in der Türkei einsatzbereit. Weil sie wegen ihrer ungeschützten Aufstellung leicht angreifbar waren, konnten sie nur zu einem atomaren Erstschlag genutzt werden.

Zudem fuhren auf den Meeren US-U-Boote mit Polaris-Atomraketen. Diese SLBM konnten auch unter Wasser abgefeuert werden und waren entsprechend schwer zu treffen. Die Sowjetunion hatte zu dem Zeitpunkt nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Im Mai 1962 begann die UdSSR unter dem Decknamen Operation Anadyr, auf Kuba heimlich SS-4 Mittelstreckenraketen (mit Atomsprengköpfen bestückbar) und 40.000 Soldaten der Sowjetischen Armee zu stationieren, die Kuba vor einer drohenden US-amerikanischen Invasion schützen sollten. So konnte die Sowjetunion das militärische Gleichgewicht wieder herstellen, das mit der Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Europa zu Gunsten der USA verschoben worden war.

Am 5. und 29. August 1962 ging die CIA Agentenhinweisen nach und entdeckte auf Fotos des US-Spionageflugzeuges U-2 erstmals in der Provinz Pinar del Río Raketenabschussvorrichtungen.

Am 8. September 1962 legte das sowjetische Frachtschiff Omsk mit einer Ladung von SS-4 Mittelstreckenraketen in Havanna an, brachte die Fracht aber nicht an Land. Am 15. September 1962 wurden im Atlantik US-Aufklärungsfotos von dem mit Militärgütern beladenen sowjetischen Frachtschiff Poltava gemacht, das sich auf dem Weg nach Kuba befand.

Zeittafel der Krise im Oktober 1962

Zur eigentlichen Krise kam es im Oktober 1962.

Raketen- und Luftwaffenstützpunkte in Kuba im Oktober 1962 (US-Grafik)
Luftaufnahme der Raketenstellung nahe San Cristobal am 14. Oktober 1962
  • Sonntag, 14. Oktober: US-Präsident John F. Kennedy genehmigt erneut Luftaufnahmen der Spionageflugzeuge Lockheed U-2. Zweimal überfliegen U-2-Flugzeuge vom Luftwaffenstützpunkt Laughlin in Texas aus die Raketenstellungen auf Kuba. Sie entdeckten sowjetische Techniker und Soldaten, die im Begriff waren, Abschussrampen für sowjetische Mittel- und Langstreckenraketen des Typs SS-4 „Sandal” und SS-5 „Skean” in der Nähe von San Cristobal in Kuba zu bauen. Sie schossen mehrere Fotos. Die Sowjets entdeckten das Flugzeug, hatten aber keinen Befehl für Gegenmaßnahmen.
  • Montag, 15. Oktober: Auf den ausgewerteten Fotos wird der unmittelbare Beweis erbracht: Die Raketen existieren, und es handelt sich um SS-4 Mittelstreckenraketen MRBM. Sie befinden sich nahe San Cristobal im Nordosten Kubas und sind in der Lage, Washington, sowie weite Teile der USA zu erreichen. Die SS-5 Raketen IRBM werden noch nicht entdeckt. Dean Rusk und Robert S. McNamara werden informiert, Sicherheitsberater McGeorge Bundy entscheidet, den Präsidenten erst am nächsten Morgen zu informieren.
  • Dienstag, 16. Oktober: John F. Kennedy wird von McGeorge Bundy informiert und beruft sofort seinen Beraterstab (Executive Committee, ExComm) ein. Verschiedene Reaktionen werden erörtert: Hinnehmen der Stationierung, Luftangriff und Invasion. Alle Beratungen und Ergebnisse werden vor der Öffentlichkeit (und somit auch vor der Sowjetunion) geheim gehalten. Präsident Kennedy ordnet weitere U-2-Aufklärungsflüge an. Beim zweiten Treffen des ExComm am Nachmittag schlägt Robert S. McNamara eine Seeblockade Kubas vor.

Mitglieder des ExComm:

Nicht alle Mitglieder des ExComm nahmen an sämtlichen Sitzungen teil. Zu manchen Treffen wurden weitere Berater hinzugezogen. Insgesamt kann gesagt werden, dass John F. Kennedy einen größeren und informelleren Beraterkreis um sich hatte als sein sowjetischer Gegenspieler Nikita Chruschtschow.

Luftbild vom 17. Oktober 1962 mit einer Raketenstellung
  • Mittwoch, 17. Oktober: Es folgen sechs weitere U-2-Aufklärungsflüge über die Raketenstellungen. Die Luftaufnahmen beweisen die Existenz von 16 bis 32 Raketen (Typ SS-4 und SS-5) mit einer Reichweite von bis zu 4500 km. Diese Raketen hätten neben der US-amerikanischen Hauptstadt auch die wichtigsten Industriestädte der USA erreichen können; die Vorwarnzeit hätte nur fünf Minuten betragen. Außerdem werden IL-28-Bomber entdeckt.
Der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko (3. v.l.) im Gespräch mit US-Präsident John F. Kennedy
  • Donnerstag, 18. Oktober: Der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko besucht Kennedy, wie schon seit längerem geplant. Kennedy spricht die Situation auf Kuba nicht an, da er aus taktischen Gründen Geheimhaltung wahren will. Allerdings wird mehrfach die alte sowjetische Forderung angesprochen, West-Berlin müsse entmilitarisiert werden. Dadurch erhärtet sich die amerikanische Annahme, die Sowjetunion wolle durch ihr Vorgehen auf Kuba die eigene Position in neuen Berlinverhandlungen verbessern. Eine Auffassung, die auch die Westalliierten teilen, die sich jedoch als Fehlinterpretation erweisen wird. Meldungen von umfassenden neuen Waffenlieferungen nach Kuba verbreiten sich in Washington DC. Die Militärs werden ungeduldig. Eine Seeblockade halten die US-Generäle für zu schwach: Man müsse sofort mit Luftangriffen und anschließender Invasion handeln. Air-Force-General Curtis LeMay drängt auf einen Angriff: „Der rote Hund gräbt im Hinterhof der USA und muss dafür bestraft werden.” Robert Kennedy lässt durch seinen Stellvertreter Nicholas deB. Katzenbach die Rechtsgrundlagen für eine Seeblockade Kubas prüfen. Im Verlauf der Gespräche im ExComm präferiert John F. Kennedys eine Seeblockade.
  • Freitag, 19. Oktober: Der Präsident will kein Aufsehen erregen und reist - gemäß seinem Terminplan - zum Wahlkampf nach Ohio und Illinois. Er fordert seinen Bruder Robert Kennedy auf, eine Mehrheit im ExComm für die Blockade-Option zustande zu bringen. Katzenbach unterrichtet das ExComm über die rechtlichen Umstände der Blockade. Das ExComm wird in zwei Gruppen aufgeteilt, in denen verschiedene Möglichkeiten zur „Bekämpfung” der Raketen auf Kuba ausgearbeitet werden. Auf der einen Seite stehen die „Falks” (Falken) welche den Luftangriff präferieren, auf der anderen Seite die „Doves” (Tauben) welche für die friedlichere Option der Blockade eintreten.
  • Samstag, 20. Oktober: Es gelingt Robert Kennedy eine Mehrheit im ExComm für die Blockadeoption zu erreichen. Er ruft den Präsidenten in Chicago an, und John F. Kennedy kehrt nach Washington zurück. Obwohl die Entscheidung für die Blockade gefallen ist, werden die Optionen für einen Luftangriff oder eine Invasion Kubas offen gehalten.
  • Sonntag, 21. Oktober: Berater vom Tactical Air Command (TAC) erklären, dass ein Luftangriff nicht alle sowjetischen Raketen auf Kuba ausschalten könne. Daraufhin genehmigt Kennedy endgültig die Seeblockade. Abends telefoniert er mit den Herausgebern großer Zeitungen (New York Times, Washington Post, New York Herald Tribune), um eine verfrühte Berichterstattung zu verhindern.
  • Montag, 22. Oktober: Einer der wichtigsten Tage der Krise. Am Morgen kündigen amerikanische Zeitungen eine Rede des Präsidenten von nationaler Bedeutung für 19 Uhr Washingtoner Zeit an. Alle US-Streitkräfte weltweit werden in erhöhte Einsatzbereitschaft (Defense Condition III) versetzt, weitere US-Soldaten werden zur Vorbereitung einer Invasion nach Florida verlegt und rund 200 Kriegsschiffe um Kuba in Stellung gebracht. Die Regierungsvertreter Großbritanniens, Frankreichs, der Bundesrepublik Deutschland und Kanadas werden informiert und versichern Kennedy ihre volle Unterstützung.

Weitere diplomatische Bemühungen laufen in mittel- und südamerikanischen Staaten für eine Unterstützung der amerikanischen Position in der Organisation Amerikanischer Staaten und bei der UN. In seiner Fernsehansprache informiert Kennedy die Weltöffentlichkeit über die sowjetischen Raketen auf Kuba und verkündet den Beginn der Seeblockade für den 24. Oktober. Er fordert den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow zum Abzug der Raketen aus Kuba auf und droht für den Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. Ab diesem Zeitpunkt ist die Kubakrise öffentlich. Im Kreml wird das Schlimmste befürchtet, womöglich eine Invasion auf Kuba.

Luftbild vom 27. Oktober 1962 mit einer Raketenstellung
Heck des abgeschossenen U-2-Aufklärungsflugzeuges im Revolutionsmuseum in Havanna, Kuba
Das Triebwerk derselben Maschine (ebenfalls Havanna, Kuba)
  • Dienstag, 23. Oktober: Chruschtschow verkündet, die Blockade nicht zu akzeptieren, versichert jedoch, die stationierten Raketen dienten allein der Verteidigung. Die Diplomatie hat Erfolg: Die OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) stimmt für das Vorgehen gegen Kuba und bestätigt die Seeblockade. Diese wird offiziell als „Quarantäne” bezeichnet, da der Begriff „Blockade” sich im Sprachgebrauch auf militärisches Vorgehen bezieht.
  • Mittwoch, 24. Oktober: Die von John F. Kennedy als „Quarantäne” bezeichnete Seeblockade aus US-amerikanischen Kriegsschiffen beginnt um 10 Uhr Washingtoner Zeit. Es kommt zu einer ersten Zuspitzung, wenngleich die amerikanischen Schiffe nicht ohne den Befehl des Präsidenten schießen dürfen. Dies wurde angeordnet, um eine Eskalation zu vermeiden, sollten die sowjetischen Schiffe versuchen, den Sperrgürtel (mit Radius von 500 Meilen) zu durchbrechen. Doch alle sowjetischen Schiffe drehen ab, nachdem der Radius der Blockade verkleinert wurde, um ihnen mehr Zeit zu geben. Trotzdem ist bei der sowjetischen Regierung keine Bereitschaft zum Einlenken zu erkennen.
  • Donnerstag, 25. Oktober: Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York City: Diplomatischer Schlagabtausch zwischen den UN-Botschaftern Walerian Sorin (UdSSR) und Adlai Stevenson (USA); die US-Delegation präsentiert der Weltöffentlichkeit erstmals eindeutige Aufklärungsfotos von den sowjetischen Raketenstellungen.
  • Freitag, 26. Oktober: Trotz Blockade geht die Stationierung der Raketen auf Kuba weiter. ExComm debattiert über militärische Schritte. Die Hardliner plädieren für Luftangriffe und - falls nötig - eine Invasion. Kennedy erreicht ein Schreiben von Chruschtschow, in dem dieser anbietet, die Raketen von Kuba abzuziehen, falls eine Invasion von Kuba durch die Amerikaner ausgeschlossen werde. Kennedy sichert das zu. Der erste Frachter, der von der amerikanischen Marine blockiert werden sollte, hatte allerdings einen Begleitschutz von mehreren U-Booten. Durch Übungswasserbomben zwingen die Amerikaner die U-Boote, die teilweise atomare Bewaffnung hatten, zum Auftauchen.
  • Samstag, 27. Oktober: Am so genannten „schwarzen Samstag” überschlugen sich die Ereignisse. Morgens wird in Cape Canaveral, USA ein Test mit der neuen LGM-25C Titan II-Interkontinentalrakete (USAF Seriennr. 61-2735) durchgeführt, über den das ExComm nicht informiert war. [3]
  • Ein US-Zerstörer zwingt mit einer Granate ein sowjetisches U-Boot zum Auftauchen. Das U-Boot hat Nuklearwaffen an Bord; um Haaresbreite bricht der Nuklearkrieg aus. Doch Wassili Alexandrowitsch Archipow, einer der drei Offiziere an Bord des U-Bootes, weigert sich, einen Torpedo ohne weiteren Befehl aus Moskau abzuschießen.
  • Ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug verirrt sich in sowjetischen Luftraum, Migs steigen auf. Das US-Flugzeug kann um Haaresbreite entkommen.
  • Ein weiterer Brief von Chruschtschow trifft ein. Darin wird der Raketenabzug nun sowohl an ein Nichtangriffsversprechen der USA als auch an den Abzug der amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei gebunden.
  • Ein US-amerikanisches U-2-Aufklärungsflugzeug wird über Kuba von einer SA-2 Guideline-Flugabwehrrakete abgeschossen; der Pilot Major Rudolf Anderson wird dabei getötet. Der dritte Weltkrieg scheint unmittelbar bevorzustehen. Nach Militärrecht muss nun innerhalb kürzester Zeit ein Luftschlag gegen die feindliche Flugabwehrstellung erfolgen um den Verlust zu rächen. Kennedy untersagt diesen Angriff ausdrücklich und erklärt sich noch einmal zu weiteren Verhandlungen bereit.

Um 19:45 Uhr Washingtoner Zeit findet ein Geheimtreffen zwischen Robert „Bobby” Kennedy und dem Sowjetbotschafter Dobrynin statt. John F. Kennedy lässt seinen Bruder erklären, dass er auch einem Abzug der in der Türkei stationierten US-amerikanischen Jupiter-Raketen zustimmen würde, wie es bereits im zweiten - schon förmlicheren - Schreiben von Chruschtschow gefordert worden war. Diese Möglichkeit hält er vor den meisten Mitgliedern des ExComm geheim, die mehrheitlich einen Luftangriff fordern. Dobrynin gibt diese Nachricht sofort an den Kreml weiter. Spätnachts in Moskau entscheidet Nikita S. Chruschtschow das Angebot Kennedys anzunehmen und die Raketen aus Kuba abzuziehen.

Luftbild vom 1. November 1962
  • Sonntag, 28. Oktober: Die Geheimdiplomatie ist erfolgreich. Chruschtschow lenkt ein und erklärt sich bereit, die Raketen zu entfernen. Im Gegenzug erklären die USA: keine Invasion auf Kuba. Außerdem - was nicht öffentlich werden darf - Abbau der Raketen in der Türkei. Der Rückzug der sowjetischen Raketen wird über Radio Moskau von Chruschtschow bekannt gegeben. Die Krise ist beendet. Heute wird der Erfolg zu einem gewissen Teil auch Papst Johannes XXIII. zugeschrieben, der an der Vermittlung zwischen dem katholischen J. F. Kennedy und Chruschtschow beteiligt war. Vor dem Hintergrund des durch die Sowjetunion nicht autorisierten Abschuss’ der US-amerikanischen U2 und Castros Forderung nach einem atomaren Erstschlag, wird hinter Chruschtschows Entscheidung auch die Angst vermutet, die Kontrolle über die Situation in Kuba zu verlieren.

Folgen der Krise

Die beiden Staaten haben sich folgende Bedingungen auferlegt: Die Sowjetunion zieht ihre Raketen aus Kuba ab. Dagegen erklären die USA, keine weitere militärische Invasion Kubas zu unternehmen und ihrerseits die US-amerikanischen Raketen aus der Türkei und Italien abzuziehen.

Abtransport von Raketen (November 1962)

Der Abzug aus der Türkei findet etwas später und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die NATO-Partner der USA nicht zu brüskieren und die Vereinigten Staaten als Sieger der Krise darstellen zu können. Abgesehen von dieser Öffentlichkeitswirkung waren die Ereignisse von 1962 aus Sicht der beiden Weltmächte USA und Sowjetunion ein taktischer Sieg der jeweils anderen Seite, dies geht aus später veröffentlichten Geheim-Reden der jeweiligen Präsidenten Kennedy und Chruschtschow hervor und verstärkte das Misstrauen der militärischen Führungen beider Länder gegen die eigenen Regierungen.

Die Kubakrise hatte viele Auswirkungen, vor allem auf den Kalten Krieg. So war die Sowjetunion nach dem Abzug der Atomraketen von Kuba wieder mit ihrer strategischen Unterlegenheit konfrontiert. Um ein ungefähres nuklearstrategisches Gleichgewicht zwischen ihnen und den USA herzustellen unternahm die Sowjetunion nach der Kubakrise verstärkte Rüstungsanstrengungen. Diese Aufholjagd beim Rüstungswettlauf hatte Einschnitte beim Lebensstandard und die Aufgabe der teuren Agrarprogramme zur Folge.

Aber die Krise führte auch zu ersten Verhandlungen über eine Rüstungskontrolle. So wurde z.B. am 5. August 1963 in Moskau ein Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser (Mit Ausnahme unterirdischer Tests) unterzeichnet und ab 1969 auch die SALT-Abkommen verhandelt, die eine Begrenzung der Interkontinentalraketen beider Länder vorsah. Es gab fortan auch eine Entspannungspolitik zwischen den beiden Supermächten. So bemühten sie sich einer direkten Konfrontation aus dem Weg zu gehen und ihre Auseinandersetzungen in Stellvertreterkriegen wie z.B. im Vietnam oder in Afghanistan auszutragen. Ihre Interessen konzentrierten sich nach der Krise auch auf die Bereiche des Globus, die noch nicht klar zwischen Ost und West verteilt waren.

Um friedensgefährdende Missverständnisse und direkten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen wurde der Informationsaustausch zwischen den Großmächten verbessert. So wurde z.B. 1963 als weitere Reaktion auf die Krise der so genannte „Heiße Draht“ eingerichtet, eine direkte Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml, die den direkten Kontakt zwischen den Staatsmännern ermöglichen sollte. Auf diese Weise sollten in einer Krisensituation sofortige Verhandlungen möglich sein, so dass eine Eskalation abgewendet werden könne. Der Heiße Draht kam zum ersten Mal am 5. Juni 1967 kurz nach Beginn des Sechstagekriegs zum Einsatz, der zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien ausbrach. Auch danach wurde er in einer Reihe weiterer Konflikte während des Kalten Kriegs genutzt.

Des Weiteren wurde nach der Krise das US-Embargo gegen Kuba nochmals verschärft. Auf diese Weise wurde Kuba noch enger an die Sowjetunion gebunden.

Zentral für die Lösung der Kubakrise war, dass sowohl John F. Kennedy als auch Nikita S. Chruschtschow sich der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst waren. Beide waren versucht alle Entwicklungen unter Kontrolle zu behalten, dem politischen Gegner Zeit für seine Entscheidung zu geben und nicht blind auf die Ratschläge ihrer militärischen Berater zu vertrauen.

Zitate

  • „It shall be the policy of this nation to regard any nuclear missile launched from Cuba against any nation in the Western Hemisphere as an attack by the Soviet Union on the United States, requiring a full retaliatory response upon the Soviet Union." ("Es ist die Verfahrensweise dieser Nation, jegliche Atomrakete, die von Kuba aus auf irgendeine Nation der westlichen Hemisphäre abgeschossen wird, als einen Angriff der Sowjetunion auf die Vereinigten Staaten zu betrachten, der einen völligen Vergeltungsschlag auf die Sowjetunion erfordert.") MOV-Datei -- J.F. Kennedy, Oktober 1962
  • „Das ist so als würden die Sowjets Raketen in Mexiko aufstellen, oder in Kuba“ -- D. Eisenhower, 1959, anlässlich der Aufstellung amerikanischer Atomraketen in der Türkei
  • „Man sollte die Amerikaner spüren lassen, wie es ist, von feindlichen Nuklearbasen umgeben zu sein“ -- Chruschtschow im Mai 1962 zu seinen engsten Vertrauten angesichts der in der Türkei und Italien stationierten US-Atomraketen
  • „Die beiden mächtigsten Nationen der Welt waren zum Kampf gegeneinander angetreten, jede mit dem Finger auf dem Knopf. Man hatte gedacht, dass ein Krieg unvermeidlich war. ... Doch die Episode endete mit einem Triumph des gesunden Menschenverstandes.“ -- aus Chruschtschows Autobiografie „Chruschtschow erinnert sich“
  • „Es ist ganz natürlich, dass, wenn sie dir einen Schlag versetzen, eine physische Abwehr von deiner Seite kommen muss. ... Man weiß, dass der gewinnt, der zuerst losschießt.“ -- der sowjetische U-Boot-Kommandant Nikolaj Schumkow
  • „Zurückhaltung? Warum ist es ihnen so wichtig, den Russen das Leben zu retten? ... Wenn bei Kriegsende zwei Amerikaner und ein Russe am Leben bleiben, dann haben wir gewonnen.“ -- General Thomas Power, US-Befehlshaber, strategisches Bomberkommando
  • „Wir standen so nah am nuklearen Abgrund. Und verhinderten den atomaren Schlagabtausch nicht etwa durch ein gekonntes Management, sondern durch schieres Glück. Keiner von uns begriff damals wirklich, wie nah wir am Rand der Katastrophe standen.“ -- Robert McNamara, US-Verteidigungsminister zur Zeit der Krise
  • „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende“ -- John F. Kennedy, Präsident der USA zur Zeit der Krise
  • "Sie und ich, Herr Präsident, sind wie zwei Männer, die an einem Strick mit einem Knoten ziehen. Wird der Knoten zu fest, dann hilft nur noch das Schwert, ihn aufzulösen." -- Nikita Chruschtschow in dem ersten Schreiben an Washington am 26. Oktober 1962

Filme

Literatur

  • Robert F. Kennedy: Dreizehn Tage. Die Verhinderung des Dritten Weltkrieges durch die Brüder Kennedy (Originaltitel: „Thirteen Days“). München 1969
  • Bernd Greiner: Kuba-Krise, 13 Tage im Oktober: Analysen, Dokumente, Zeitzeugen. Hamburg 1988
  • Christof Münger: Kennedy, die Berliner Mauer und die Kubakrise. Die westliche Allianz in der Zerreißprobe 1961-1963. Paderborn 2003
  • Aleksandr Fursenko et al: One hell of a gamble: Krushchev, Kennedy and Castro 1958-1962. New York 2000
  • Stefan Brauburger: Die Nervenprobe, Schauplatz Kuba: Als die Welt am Abgrund stand. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2002
  • Allison, Graham / Zelikow, Philip: Essence of Decision – Explaining the Cuban Missile Crisis. 2. Auflage, New York u.a. 1999
  • Piok, Arnold: Kennedys Kuba-Krise – Planung, Irrtum und Glück am Rande des Atomkrieges 1960 – 1962. (Reihe diplomica), 1. Auflage, Marburg 2003
  • White, Mark J.: Missiles in Cuba - Kennedy, Khrushchev, Castro and the 1962 Crisis. 1. Auflage, Chicago 1998

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auswärtiges Amt - Geschichte von Kuba
  2. Wolfgang Bayer: Geheimoperation Fürstenberg, DER SPIEGEL 3/2000 vom 17.01.2000, Seite 42
  3. Titan 2


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