Körös-Cris-Kultur

Körös-Cris-Kultur

Die Körös-Kultur (auch Körös-Criş-Kultur) ist eine der wichtigsten Kulturen des Frühneolithikums Südosteuropas. Absolutchronologisch wird die Kultur etwa in die Zeit von 6200 bis 5600 v. Chr. datiert.

Die Kultur wird gemeinsam mit der im ehemaligen Jugoslawien und im ungarischen Transdanubien verbreiteten Starčevo-Kultur als eine der formativen Kulturen der Linearbandkeramik betrachtet und firmiert dann auch unter dem Begriff Starcevo-Körös-Criş-Kultur. Benannt ist sie nach der Körös (rumänisch Criş), einem Nebenfluss des ostungarischen Flusses Theiß.

Die Theiß (ung. Tisza) ist der größte Nebenfluss der Donau. Nach ihm wurde die endneolitische Theiß-Kultur benannt.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitungsgebiet

Fundorte der Körös-Kultur finden sich hauptsächlich in der Nähe von Flüssen. Siedlungsschwerpunkte treten im Maros-Mündungsgebiet sowie entlang der Körös und ihrer ungarischen und rumänischen Zuflüsse (Schwarze, Weiße und Schnelle Criṣ) auf. Fundhäufungen liegen in der Gegend um Hódmezővásárhely und Endrőd.

Forschungsgeschichte

Erste Ausgrabungen, die Material der Körös-Kultur zutage förderten, wurden von J. Bánner in den 1930er Jahren durchgeführt, ohne dass die Fundstücke kulturhistorisch genauer eingeordnet werden konnten. Die systematische Aufarbeitung des Materials, die chronologische Einordnung und der Vergleich mit den benachbarten Kulturen erfolgte 1944 durch die ungarische Archäologin Ida Kutzián ("A Körös kultúra", Budapest 1944; 1947 auf englisch publiziert). Die Arbeit ist bis heute von hohem wissenschaftlichem Wert. In den folgenden Jahrzehnten konnten neue Grabungen das Fundmaterial bereichern und neue Ergebnisse zum Siedlungswesen und zur materiellen Kultur liefern. Leider sind die zahlreich erfolgten Ausgrabungen bis heute fast ausschließlich unzureichend publiziert. Etwas ausführlicher legte J. Makkay 1992 die Körös-Siedlung von Endrőd-Öregszőlők vor.

Siedlungswesen

Auf Grund fehlender Publikationen der neueren Grabungen ist das Siedlungswesen der Körös-Kultur wenig bekannt. Es liegen einerseits einfache Bauten in Pfostenbauweise vor, die durchweg kleineren Ausmaßes sind; andererseits treten sog. "Grubenhäuser" auf, große Wohnbauten, die in den Boden eingetieft sind. A. Whittle nimmt an, dass die Siedlungen nur kurzfristig, vielleicht saisonal bewohnt wurden.

Endrőd-Öregszőlők

Als einzige besser vorgelegte Siedlung darf die von Endrőd-Öregszőlők gelten, die Janos Makkay 1992 als Vorbericht vorlegte (vgl. Literaturverzeichnis). Hier liegen mehrere Grubenhäuser mit Öfen vor. Hinzu kommen weitere Gruben, die reich mit Keramik und Knochenmaterial verfüllt waren. Wie viele Bauten zur gleichen Zeit bestanden, ist unklar. Die Siedlung von Endrőd mag etwa 500 Jahre bestanden haben, umfasst also nahezu die ganze Zeitspanne der Körös-Kultur.

Obsidian: Die Siedlung von Méhtelek-Nádas

Weitab vom eigentlichen Verbreitungsgebiet liegt im Norden Ungarns die Körös-Siedlung von Méhtelek-Nádas. Es wird vermutet, dass die Siedlung errichtet wurde, um Obsidian abzubauen. Dafür spricht die Tatsache, dass 80% aller Geräte in Méhtelek aus diesem Gestein gefertigt wurden. Obsidian als besonders hochwertiges und ästhetisch ansprechendes Material konnte wie Silex zur Herstellung von Geräten verwendet werden und durch Handel weit verbreitet.

Unpublizierte Siedlungen

Weitere Siedlungen sind z.B. aus Szajol-Felsőföld, Röszke-Ludvár, Endrőd Fundort 39 etc. bekannt geworden; sie sind jedoch gar nicht oder nur in kurzen Vorberichten publiziert. Seit 1992 gräbt Alasdair Whittle von der Universität Cardiff in Ecsegfalva, Komitat Békés.

Keramik

Im Gegensatz zur Keramik der Starčevo-Kultur, die Bemalung in weiß-auf-rot und dunkel-auf-rot kennt, ist die Keramik der Körös-Kultur oft unbemalt. Typische Gefäßformen sind große Vorratsgefäße, Schüsseln, Schalen und halbkugelige Gefäße. Auffällig ist, dass viele dieser Stücke auf drei bis sechs kleinen Füßchen ruhen. Verzierungen sind meist plastisch appliziert und äußerst vielgestaltig. Es treten plastische Leisten, Warzen, Buckel und flächige Rauungen (Barbotinemuster) auf. Als Besonderheit sind plastisch applizierte anthropo- und zoomorphe Darstellungen zu erwähnen, etwa Ziegen und Hirsche.

Als Sonderform seien ferner rundliche Gegenstände aus gebranntem Ton erwähnt, die in verschiedenen Formen auftreten (tomatenförmig, blumenförmig, flach etc.) und in der Mitte durchlocht sind. Da sich die Körös-Siedlungen stets in Gewässernähe befinden, spricht einiges für die Deutung der Stücke als Netzsenker.

Totenritual

Bis heute sind nur wenige Bestattungen der Körös-Kultur bekannt. Es handelt sich dabei meist um sog. Hockergräber, d.h. auf der Seite liegend Bestattete, die häufig zusammen mit zahlreichen Keramikfragmenten und Tierknochen in großen Gruben innerhalb von Siedlungen liegen. Da es sich aber insgesamt nur um eine Handvoll Bestattungen handelt, muss man sich die Frage stellen, ob in der Körös-Kultur nicht weitaus häufiger eine andere Art des Totenrituals und der Bestattungssitte geübt wurde, die eine Auffindung der Toten unmöglich macht - etwa eine Aufbahrung außerhalb der Siedlungen, wo Tiere den Toten entfleischten (siehe Dekarnation). Ein solches Totenritual ist archäologisch aber nicht nachweisbar.

Kult

Im Fundmaterial der Körös-Kultur begegnen, ähnlich wie im Bereich der Starčevo-Kultur, doch bedeutend zahlreicher, anthropomorphe Idole aus Ton. Es liegen einfache, säulenartig gestaltete Stücke und besser ausgeformte Figuren vor, die, soweit erkennbar, weiblichen Geschlechts sind; sie weisen oft lange, stabartige Köpfe und Hälse und ein stark betontes Gesäß auf. Es wird vermutet, dass diese Stücke mit einem Fruchtbarkeitskult in Verbindung stehen. Auch zoomorphe Stücke treten auf, wobei das dargestellte Tier oft schwer zu identifizieren ist.

Als Besonderheit sind sogenannte Altäre zu erwähnen, Keramikgegenstände auf drei oder vier Füßen, deren Verwendungszweck bis heute ungeklärt ist. Es mag sich um Tischchen, Lämpchen oder anderes gehandelt haben.

Knochen- und Steingeräte

Das Spektrum der Knochengeräte der Körös-Kultur umfasst Ahlen, Pfrieme und besonders häufig löffel- und spatelartige Geräte. Aus Stein wurden Beile hergestellt, aus Silex Pfeilspitzen, Querschneider, Kratzer, Schaber und andere Geräte.

Literatur

  • I. Kutzián: A Körös kultúra [The Körös Culture]. Diss. Pannonicae (Budapest 1944/1947).
  • J. Makkay: Excavations at the Körös culture settlement of Endrőd-Öregszőlők 119 in 1986-1989. In: S. Bökönyi (Hrsg.), Cultural and landscape changes in south-east Hungary, 121-93 (Budapest, Archaeolingua 1992).
  • Andrew Sherratt: Early agrarian settlement in the Körös region of the Great Hungarian Plain. Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 35, 1983, 155-69.

Weblinks


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