- Kultur (Archäologie)
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Als Archäologische Kultur wird in erster Linie ein räumlich und zeitlich begrenzter Ausschnitt der materiellen Kultur bezeichnet. Die Abgrenzung erfolgt in den meisten Fällen willkürlich und wird, wenn sie sich in der Forschung durchsetzt, als Konvention benutzt.
Inhaltsverzeichnis
Abgrenzung
Unterhalb der Einstufung als Kultur gilt ein begrenztes Fundgut als:
Assemblage (Archäologie)
Ansammlung bestimmter Gegenstände verschiedener Art. z.B. Keramikformen und Geräte etc. in enger Assoziation
Industrie (Archäologie)
Ansammlung eines engeren Komplexes von übereinstimmenden Assemblagen von z.B. in bestimmter Technik bearbeiteter Feuersteingeräte. (Faustkeilindustrie)
Gruppe (Archäologie)
Eine nur durch eine Reliktgruppe (z.B) Keramik) bestimmbare Erscheinung, die noch nicht die Grenze zur Kultur überschreitet. Diese Grenze ist allerdings fließend (La-Hoguette-Gruppe)
Als Klassifikationseinheit ist die archäologische Kultur ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Arbeit des Archäologen.
Die archäologische Kultur umfasst nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was allgemein unter Kultur verstanden wird, ist also keinesfalls mit diesem Begriff synonym, trotzdem werden beide oft verwechselt.
Versuch einer kommentierten Definition
Unter materieller Kultur werden alle beobachtbaren Ergebnisse menschlichen Handelns verstanden - wobei die Archäologie besonderes Augenmerk auf Bodenfunde legt. Zur materiellen Kultur gehören z. B. Töpfe und Gewandnadeln, aber auch Verzierungsmuster, Hausgrundrisse oder die Art und Weise wie Gräber angelegt oder Tote gebettet sind. Diese Merkmale sind einer zeitlichen Entwicklung unterworfen und treten in geographisch begrenzten Gebieten unterscheidbar auf. Außerdem lassen sich Korrelationen zwischen bestimmten Merkmalen beobachten, auch wenn diese Merkmale einander technisch nicht bedingen. So können z. B. zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Gebiet Keramikstil X mit Hausform Y zusammen vorkommen. Solche Korrelationen mehrerer Merkmale bilden die Grundlage für die Beschreibung archäologischer Kulturen. Konventionen über eine evtl. Mindestzahl derart korrelierter Merkmale bestehen nicht.
Die zeitliche Entwicklung der Merkmale hat zur Folge, dass sich archäologische Kulturen chronologisch untergliedern lassen - oft geschieht dies durch Beschreibung einer "Anfangs-", einer "Übergangs-" und einer "Endphase". Andererseits wird bei einer großteils ungebrochenen Entwicklung klar, dass die zeitliche Grenzziehung zwischen aufeinander folgenden archäologischen Kulturen rein willkürlich erfolgt. Häufig werden "kleinere" Brüche in der Entwicklung, etwa das Auftreten eines neuen Keramiktyps oder der Wegfall eines anderen als zeitliche Grenze zwischen Kulturen definiert. Eine zeitliche Mindest- oder Maximalgröße existiert nicht, so überspannt z. B. die Jōmon-Kultur in Japan über 10.000 Jahre, die neolithischen Kulturen Mitteleuropas dagegen nur einige Hundert Jahre.
Bei der räumlichen Verteilung gleichzeitiger Merkmale einer postulierten Kultur sind ein relativ geschlossenes Verbreitungsgebiet und eine relative Mindestgröße (=Mindestanzahl von Fundstellen) ausschlaggebend, allerdings nicht zwingend. Auch hier gilt: Bei fließenden Übergängen erfolgt die Grenzziehung willkürlich. Kommen z. B. in einem Gebiet die Merkmale A, B, C und D vor und in einem benachbarten Gebiet gleichzeitig die Merkmale C, D, E und F, könnten zwei hypothetische Kulturen anhand der Verbreitungen der Merkmale A und B einerseits und E und F andererseits postuliert werden.
Leitformen: Typische Artefakte einer Kultur werden in Anlehnung an paläontologische Leitfossilien in der Archäologie als Leitformen bezeichnet.
Eine begrifflich festgelegte hierarchische Gliederung der archäologischen Kulturen in räumliche und zeitliche Überkategorien fehlt weitgehend, bzw. wird von der Forschung für bestimmte Einheiten dynamisch entwickelt, die Trichterbecherkultur wird z. B. in weitere räumliche Untergruppen untergliedert, die sich - forschungsgeschichtlich bedingt - wiederum aus einzelnen zumeist als Kulturen bezeichneten Einheiten zusammensetzen. Versuche der Umbenennungen solch weit verbreiteter Kulturerscheinungen zum Zwecke der besseren Übersicht wie etwa der Glockenbecherkultur in Glockenbecherphänomen (Christian Strahm) scheitern zumeist an den etablierten alten Begriffen. So ist auch das Verhältnis der Begriffe archäologische Kultur und archäologische Gruppe nicht eindeutig geklärt; beide werden sowohl synonym als auch zur Bezeichnung verschiedener hierarchischer Gliederungsebenen genutzt (meist Kultur über Gruppe).
Nomenklatur
Die Benennung der archäologischen Kulturen folgt keinen festen Regeln. Sie werden z. B. nach:
- dem ersten Fundort (z. B. Baalberger Kultur, Rössener Kultur, La-Tène-Kultur)
- dem an Flussläufen festgemachten Verbreitungsgebiet z. B.(Saone-Rhône-Kultur, Theiß-Kultur)
- Hier gibt es auch Mischvarianten (z. B. „Starčevo-Kultur (Ort) und Körös-Cris“ (Fluss))
- den Bestattungssitten (z. B. Einzelgrabkultur, Hügelgräberkultur, Urnenfelderkultur)
- der Keramik-Verzierung oder -Leitform (z. B. Linienbandkeramik oder Trichterbecherkultur)
- anderen typischen Artefakten (z. B. Streitaxtkulturen, Bootaxtkultur) oder etwa
- ihren Bauwerken (z. B. Nuraghenkultur) benannt.
Bei archäologischen Kulturerscheinungen, die heutige Länder- und Sprachgrenzen übergreifen, kommt erschwerend hinzu, dass oft Mehrfachbenennungen für ein und dieselbe archäologische Kultur existieren, so wird z. B. der Kulturkomplex der späten Früh- bis Mittelbronzezeit in Niederösterreich als Böheimkirchener Gruppe/Kultur, in der Südwestslowakei als Mad'arovce Kultur und in Mähren als Věteřov-Kultur bezeichnet.
Verwendung des Begriffs
Die meist willkürliche Abgrenzung der archäologischen Kulturen untereinander und ihre im Einzelnen sehr verschiedenen, manchmal mehr von der Forschungsgeschichte als vom Forschungsgegenstand selbst geprägten Definitionen verdeutlichen, dass es sich um rein künstliche Gebilde handelt, die - zumindest pauschal - nie mit Ethnien, Sprachgruppen oder "Lebendkulturen" gleichgesetzt werden dürfen.
Die Gliederung der immens vielfältigen archäologischen Hinterlassenschaften in Einheiten dient der anders gar nicht zu bewältigenden Übersichtlichkeit und Konventionalisierung - mithin als Grundlage für jede weiterführende Erforschung der im eigentlichen Sinne kulturellen, besser: kulturanthropologischen Phänomene.
Literatur
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- J. Bergmann, Ethnos und Kulturkreis. Zur Methodik der Urgeschichtswissenschaft. Prähist. Zeitschr. 47, 1972, 105-110.
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- Manfred K.H. Eggert, Zum Kulturkonzept in der prähistorischen Archäologie. Bonner Jahrbücher 178, 1978, 1-20.
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- Rolf Hachmann u. a. (Hrsg.): Studien zum Kulturbegriff in der Vor- und Frühgeschichtsforschung (Bonn 1987).
- E. Mandera, Zur Deutung neolithischer Kulturen, Probleme urgeschichtlicher Methodik. Nass. Annalen 76, 1965, 1-14.
- Siân Jones, The archaeology of ethnicity: constructing identities in the past and present (London, Routledge, 1997).
- W. Schmied-Kowarzik Philosophische Überlegungen zum Verstehen fremder Kulturen und zu einer Theorie der menschlichen Kultur. S. 349-390. 1981 In: Grundfragen der Ethnologie
- Chr. Strahm, Kontinuität und Kulturwandel im Neolithikum der Westschweiz. Fundber. Baden-Württemberg 3, 1977, 115-143.
- U. Veit, Kulturanthropologische Perspektiven in der Urgeschichtsforschung: einige forschungsgeschichtliche und wissenschaftstheoretische Vorüberlegungen. In: Urgeschichte als Kulturanthropologie, FS Narr. Saeculum 41, 1990, 182-214.
- H.-P. Wotzka 1993: Zum traditionellen Kulturbegriff in der prähistorischen Archäologie. Paideuma 39: 25-44.
Kategorien:- Archäologischer Fachbegriff
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