- Kürzestgeschichte
-
Die Kürzestgeschichte ist eine Gattung der deutschen Gegenwartsliteratur. Es handelt sich dabei um Prosatexte von maximal zwei bis drei Seiten Länge, die bestimmte Merkmale anderer Kurzprosagattungen auf sich vereinen. Sie entstanden in ihrer heutigen Form in den 1950er und 1960er Jahren in allen deutschsprachigen Ländern, sind aber von den Prosaminiaturen früherer Autoren, vor allem von Robert Walser, Franz Kafka und Bertolt Brecht, beeinflusst.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Die Gattung der Kürzestgeschichte ist relativ heterogen; es gibt kein Merkmal, das auf jeden Einzelfall zutrifft. Die im Folgenden genannten Eigenschaften treten jedoch häufig auf und werden immer wieder neu kombiniert.
Ein zentrales Merkmal der Kürzestgeschichte ist die literarische Gestaltung von scheinbar unbedeutenden – thematischen wie auch sprachlichen – Einzelheiten. Hierbei wird aber nicht unbedingt, wie in der Kurzgeschichte, ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit des Einzelfalles erhoben. Kürzestgeschichten sind nicht immer narrativ; wegen der extremen Kürze kann der Erzählstrang nur angedeutet oder gar nicht vorhanden sein. In diesen Fällen geht es eher um die Wiedergabe eines momentanen Eindrucks oder Gedankens. Ort, Zeit und Personen der Handlung sind nicht genau bestimmbar, sondern nur skizziert oder ganz offen gehalten.
Die Autoren von Kürzestgeschichten wendeten sich von der Nachkriegsliteratur ab, die in realistischer Schreibweise die Kriegserlebnisse zu verarbeiten suchte. Stattdessen entwickeln sie einen subjektiven, psychologischeren Stil, sowohl was die Perspektive, als auch was die Wahl der Stoffe und Themen angeht. Auch satirische, surreale und groteske Elemente werden verarbeitet; die Texte bekommen einen experimentellen Charakter. Ein stärkeres Bewusstsein für die sprachliche Form kommt auf, was eine größere Nähe zur Lyrik bewirkt.
Nayhauss legt dar, dass das Aufkommen von nicht über sich hinausweisenden, subjektivistischen "Momentaufnahmen" sich mit der zunehmenden Vereinzelung des postmodernen Menschen und der Individualität seines Weltverständnisses begründen lasse. Ein allgemeingültiger Sinnhorizont werde nicht mehr wahrgenommen und könne somit auch nicht künstlerisch gestaltet werden. Die Sammlung kleiner Lebensausschnitte, die in ihrer Kombination neue Sinnzusammenhänge erschließen können, entspreche der Gegenwart eher als der Roman, der eine sinnvoll geordnete Welt in ihrer Ganzheit darzustellen versuche.
Gattungen, aus denen sich die Kürzestgeschichte entwickelt hat
Bedeutende Autoren von Kürzestgeschichten
Quelle
- Hans-Christoph Graf von Nayhauss (Hrsg.): Kürzestgeschichten. (Arbeitstexte für den Unterricht, RUB 9569). Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-009569-0.
- Christine Hummel (Hrsg.): Kürzestgeschichten. (Texte und Materialien für den Unterricht, RUB 15064). Reclam, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-15-015064-1.
Wikimedia Foundation.