- Fabel
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Die Fabel (lateinisch fabula, „Geschichte, Erzählung, Sage“) bezeichnet eine in Vers oder Prosa verfasste kurze Erzählung mit belehrender Absicht, in der vor allem Tiere, aber auch Pflanzen und andere Dinge oder fabelhafte Mischwesen menschliche Eigenschaften besitzen (Personifikation) und handeln (Bildebene). Die Dramatik der Fabelhandlung zielt auf eine Schlusspointe hin, an die sich meist eine allgemeingültige Moral (Sachebene) anschließt. Wichtige Fabeldichter sind Aesop, Phaedrus, Hans Sachs, Jean de La Fontaine, Jean-Pierre Claris de Florian, Christian Fürchtegott Gellert, Magnus G. Lichtwer, Wolfhart Spangenberg, James Thurber, Gotthold Ephraim Lessing und Martin Luther.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Altertum
Fabeln zählen zum volkstümlichen Erzählgut. Aber bereits in Sumer in der Zeit Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. wurden Fabeln, etwa die Fabel vom klugen Wolf und den neun dummen Wölfen, verschriftet und als humorvolle Lehrtexte in den Schulen verwendet.
Bekannt sind die altindische Fabelsammlung Panchatantra, sowie deren Übersetzung und Bearbeitung ins Arabische (vermittelt über das Persische) Kalīla wa Dimna und schließlich die Fabeln des Arabers Lokman. Als Schöpfer der europäischen Fabel gilt Äsop, dessen Werk über Phaedrus, Babrios und Avianus Eingang in das mittelalterliche Europa fand.
In der Antike wird die Fabel nicht als literarische Gattung angesehen, sie ist eher den niederen Schichten zugehörig und wird höchstens als rhetorisches Element verwendet. So schreibt Aristoteles in seiner Rhetorik über Beispiele in Reden und nennt die Fabel (als fingiertes Beispiel) und das historische Ereignis. Die älteste überlieferte Fabel findet sich bei Hesiod. Beispiele für die Verwendung in der lateinischen Literatur finden sich bei Horaz („Die Fabel von der Stadtmaus und der Landmaus“; Sermo II,6 Zeile 79-105) und bei Livius ("Die Fabel vom Magen und von den Gliedern").
Erst Phaedrus schreibt Fabelbücher, die vor allem durch eine Prosabearbeitung, das Romulus-Corpus, verbreitet werden.
Als Begründer der europäischen Fabeldichtung gilt Äsop, der um 600 v. Chr. als Sklave in Griechenland lebte.
Mittelalter und Humanismus
Als ältester Fabeldichter in deutscher Sprache kann der mittelhochdeutsche Dichter Der Stricker gelten, dessen Werke ab Mitte des 13. Jahrhunderts definiert werden. Die älteste Fabelsammlung ist wohl Ulrich Boners Edelstein (etwa 1324). Die Fabelliteratur etabliert sich vor allem im Zeitalter des Humanismus, so nutzt auch Luther nach eigener Aussage die Fabel, um im „lustigen Lügenkostüm“ Wahrheiten zu verbreiten, die die Menschen normalerweise nicht wissen wollten.
Neuzeit
Gotthold Ephraim Lessing bildet gemeinhin den Abschluss der klassischen deutschen Fabeltradition. Er nutzt die Fabel im Sinne der Aufklärung, wobei er durch geringfügige Änderungen des Inhalts zu neuen Nutzanwendungen gelangt. In Russland ist Iwan Krylow der bedeutendste Fabeldichter. Der Franzose La Fontaine ersetzt die allzu belehrenden Fabeln und die damit verloren gegangene Einfalt und Natürlichkeit durch geistigen Witz und spielerische Anmut.
In den 1950er Jahren tut vor allem James Thurber (Fables of Our Time und New Fables of Our Time) viel zur Wiederbelebung der seit dem Biedermeier marginalisierten Gattung. In Deutschland unternimmt Hartwig Stein (In dubio pro LEOne) derzeit einen ähnlichen Versuch, indem er den klassischen Tierkreis mit dem ökonomischen Krisenzyklus kurzschließt, altbekannte Topoi und Konflikte konsequent modernisiert und kulturkritisch modifiziert.
Charakteristische Merkmale einer Fabel
- Im Mittelpunkt der Handlung stehen oft Tiere, Pflanzen oder andere Dinge, denen menschliche Eigenschaften zugeordnet sind.
- Die Tiere handeln, denken und sprechen wie Menschen und stellen meist charakteristische Stereotype dar.
- Die Fabel will belehren und unterhalten (fabula docet et delectat).
- Nach Lessing soll die Fabel einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besonderen Fall zurückführen und diesen dann in Form einer Geschichte darstellen.
- Die Personifikation der Tiere dient dem Autor häufig als Schutz vor Bestrafung o. Ä., denn er übt keine direkte Kritik, etwa an Zeitgenossen.
- Häufiges Fabelthema, vor allem im Zeitalter der Aufklärung, ist die Ständeordnung und die Kritik an ihr.
- In der Fabel herrscht eine Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Die Situation findet nur an einem einzigem Ort und in einer kurzen Zeitspanne statt.
- Es gibt nur eine Haupt-Handlung und keine etwaigen Nebenhandlungen.[1]
- Eine Fabel findet sich meist in einfacher Sprache wieder, da diese für das ganze Volkstum zu verstehen sein sollte.
- Die Auswahl der Tiere beschränkt sich in einer Fabel nur auf bekannte Tiere, die der Gemeinschaft geläufig sind (bspw. Fuchs,Rabe,Lamm[2])
Typischer Aufbau einer Fabel
- Promythion - vorangestellter Lehrsatz
- Ausgangssituation der Handlung (res)
- Auslösung der Handlung (actio, Rede, 1. Handlungsteil)
- Reaktion des Betroffenen (reactio, Gegenrede, 2. Handlungsteil)
- Ergebnis der Handlung (eventus)
- Epimythion - nachgestellter Lehrsatz (vgl. „Die Moral von der Geschicht'“)
In der Regel enthält eine Fabel entweder ein Promythion oder ein Epimythion.
Die einzelnen Teile sind nicht alle in jeder Fabel enthalten, da die Lehre bzw. Moral manchmal gar nicht explizit genannt wird, damit der Leser sie selbst herausfindet oder weil sie ganz offensichtlich ist. Wenn sie genannt wird, kann sie am Anfang (Promythion) oder am Ende (Epimythion) der Fabel stehen. Die Fabel dient im ersten Fall als plastische Verdeutlichung einer Lehre, im häufiger vorkommenden zweiten Fall ist sie die Geschichte, die den Leser auf ein Problem stößt. Weiterhin kann die gleiche Fabel auch unterschiedlichen Zielen dienen, zum Beispiel bei Äsop oder Lessing.
Tierfabel
Tierfabeln sind Fabeln, in denen Tiere wie Menschen handeln und menschliche Eigenschaften haben. Dabei kommen manche Tiere recht oft vor, wie beispielsweise der Löwe, der Wolf, die Eule, der Fuchs.
Diese Tiere haben meist Eigenschaften, die sich in fast allen Fabeln gleichen. Der Fuchs ist dort der Schlaue, Listige, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Die Eule ist die weise und kluge Person. Die Gans gilt als dumm, der Löwe als mutig, die Schlange als hinterhältig, die Maus als klein. Fabeltiere stellen bestimmte Charakterzüge von Menschen dar.
In der Tierfabel wird der personifizierte Charakter des Fabeltieres durch einen charakteristischen Fabelnamen unterstrichen.
- Tiernamen nach der germanischen Fabeltradition
Name Tier CharakterAnmerkungen; LiteraturbeispielAdebar Storch stolz Adelheid Gans geschwätzig anderer Name: Alheid; „Zu guter Letzt“ von Wilhelm Busch Arbnora Igel introvertiert Äugler Kaninchen vorlaut, frech „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Bellyn Widder ängstlich, schwach, aber klug „Der Wolf und das Schaf“ von Gotthold Ephraim Lessing Bokert Biber arbeitswütig „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Boldewyn Esel störrisch, faul „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Braun Bär stark, kriegerisch, tumb, unklug auch: Meister Petz; „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Ermelyn Füchsin listig und schlau „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Gieremund Wölfin böse, dem Bauch gehorchend „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Grimbart Dachs bedächtig, ruhig „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Henning Hahn eitel und schlau „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Hinze Kater eigenwillig „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Hylax Hund treu und gutherzig „Der Wolf und der Schäfer“ von Gotthold Ephraim Lessing Isegrim Wolf dem Bauch gehorchend „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Kratzefuß Henne eitel „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Lampe Hase siehe unten bei Meister Lampe Lupardus Leopard gerissen Lütke Kranich bürokratisch „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Lynx Luchs vorsichtig Markart Häher vorlaut „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Martin Affe eitel, intrigant „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Meister Lampe Hase vorlaut und ängstlich Meister Petz Bär gutmütig, naiv „Der Tanzbär“ von Christian Fürchtegott Gellert Merkenau Krähe naseweis „Der Löwe mit dem Esel“ von Gotthold Ephraim Lessing Metke Ziege meckernd, stur, unnachgiebig „Die zwei Ziegen“ von Albert Ludwig Grimm Murner Katze schläfrig „Leben und Schicksale des Katers Rosaurus“ von Amalie Winter Nobel Löwe stolz, mächtig, gefährlich „Der Löwe und die Maus“ von Äsop Petz Bär siehe oben bei Meister Petz Pflückebeutel Rabe eitel und dumm, besserwisserisch, diebisch „Vom Fuchs und Raben“ von Äsop Reineke Fuchs schlau und hinterlistig „Matten Has“ von Klaus Groth Reinhart Fuchs siehe Reineke Swinegel Igel schlau „Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“ von Ludwig Bechstein Tybbke Ente dumm „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe Wackerlos Hündchen affektiert „Reineke Fuchs“ von Johann Wolfgang von Goethe ? Lamm unschuldig, wehrlos Fabeldichter (Auswahl)
- Äsop (um 600 v. Chr.)
- Phaedrus (um 20 v. Chr. – um 50 n. Chr.)
- Babrios (im 2. Jh. n. Chr.)
- Hyginus (im 2. Jahrhundert n. Chr.)
- Petrus Alfonsi (11./12. Jahrhundert)
- Martin Luther (1483–1546)
- Hans Sachs (1494–1576)
- Wolfhart Spangenberg (1567–1636)
- Jean de La Fontaine (1621–1695)
- Daniel Triller (1695–1782)
- Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769)
- Magnus G. Lichtwer (1719–1783)
- Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781)
- Ignacy Krasicki (1735–1801)
- Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827)
- Jean-Pierre Claris de Florian (1755–1794)
- Christian August Fischer (1771-1829)
- Iwan Andrejewitsch Krylow (1768–1844)
- Wilhelm Hey (1789–1854)
- Pierre Lachambeaudie (1807–1872)
- Joel Chandler Harris (1848–1908)
- James Thurber (1894–1961)
- Wolfdietrich Schnurre (1920-1989)
Gedruckte Fabelsammlungen
- Theodor Etzel: Fabeln und Parabeln der Weltliteratur. Köln: Komet Verlag, o.J., ISBN 3-89836-388-0 (Neuausgabe, mit 101 Originalillustrationen)
- Irmgard Harrer (Hg.): Das Fabelbuch von Aesop bis heute. Wien, München: Annette Betz Verlag im Verlag Carl Ueberreuter, 2003, ISBN 3-219-11104-1 (illustriert von Silke Leffler, ausgezeichnet in Österreich als schönstes Buch des Jahres 2003)
Literatur
- Klaus Doderer: Fabeln. Formen, Figuren, Lehren. München: dtv, 1982, ISBN 3-423-04276-1
- Bernd A. Weil: Fabeln: Verstehen und Gestalten. Frankfurt/M.: Fischer Verlag, 1982, ISBN 3-88323-379-X
- Dr. Joachim Wittkowski: Docet fabula? Anmerkungen zu neuen Fabeln in: Beiträge Jugendliteratur und Medien, 57. Jahrgang, Heft 2, 2005
- Eleanor Marston: Fabelhaft. Die Welt der Fabeltiere. Ein Ratespiel. Frankfurt a.M.: edition Büchergilde, 2011, EAN 4260118010339
Siehe auch
Weblinks
Wiktionary: Fabel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenWiktionary: fabula – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenWikisource: Fabel – Quellen und VolltexteWikiquote: Fabel – Zitate- Fabeln im Literaturnetz
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