LL(k)-Grammatik

LL(k)-Grammatik

Dieser Artikel setzt Vorkenntnisse im Bereich Theoretische Informatik und Compilerbau voraus.


Eine LL(k)-Grammatik (im Kontrast zu LF(k)-Grammatik auch schwache LL(k)-Grammatik) ist eine spezielle kontextfreie Grammatik, welche die Grundlage eines LL(k)-Parsers bildet.

Eine kontextfreie Grammatik heißt LL(k)-Grammatik für eine natürliche Zahl k, wenn jeder Ableitungsschritt eindeutig durch die nächsten k Symbole der Eingabe (Lookahead) bestimmt ist. Das bedeutet, die Frage, welches Nichtterminalsymbol mit welcher Regel als nächstes expandiert werden soll, kann eindeutig mit Hilfe der nächsten k Symbole der Eingabe bestimmt werden.

Generell gilt, je größer k gewählt wird, umso mächtiger wird die Sprachklasse, wobei die Ausdrucksstärke von kontextfreien Grammatiken nie erreicht wird. Damit gibt es kontextfreie Sprachen, die für kein k von einer LL(k)-Grammatik erzeugt werden.

\mathcal L(\mathrm{LL}(1)) \subsetneq \mathcal L(\mathrm{LL}(2)) \subsetneq \dots \subsetneq \mathcal L(\mathrm{LL}(k)) \subsetneq \mathcal L(\mathrm{LR}(1)) = \mathcal L(\mathrm{DPDA})

Dabei steht DPDA für die deterministischen Kellerautomaten. Diese können genau die deterministisch kontextfreien Sprachen erkennen.

Inhaltsverzeichnis

Formale Definition LL(k)-Grammatik

Eine kontextfreie Grammatik G = (N,Σ,P,S) ist genau dann eine LL(k)-Grammatik, wenn für alle Linksableitungen der Form

S\Rightarrow^*_l wA\gamma\Rightarrow_l
  \left\{ \begin{array}{l}
            w\alpha\gamma \Rightarrow^*_l wx \\
            w\beta\gamma \Rightarrow^*_l wy
          \end{array} \right.

mit \quad (w,x,y \in \Sigma^*; \alpha,\beta,\gamma \in (N \cup \Sigma)^*; A \in N) und \mathit{first}_k(x)=\mathit{first}_k(y)^{\,} gilt: \alpha=\beta^{\,}

Für die in der Definition benutzte Funktion zur Bestimmung der FIRST-Mengen gilt:

a\in\Sigma^*;|a|\le k \mathit{first}_k\left(a\right)=\{a\}
a\in\Sigma^*;|a|>k \mathit{first}_k(a)=\{v \in \Sigma^ * \mid a=vw; |v|=k\}
A \in (N\cup\Sigma)^* \backslash \Sigma^* \mathit{first}_k(A)=\{v \in \Sigma^ * \mid A \Rightarrow^* w;w \in \Sigma^ *; \mathit{first}_k(w)=\{v\}\}

Anwendung

Aktuelle LL-Parser benutzen meist nur einen Lookahead von 1. Daher kann in den folgenden Ausführungen k = 1 gesetzt werden.

Bei der praktischen Anwendung ist nur mit großem Aufwand überprüfbar, ob die vorliegende Grammatik die Definition einer LL(k)-Grammatik erfüllt. Es wird stattdessen ein abgewandelter Ansatz benutzt.

Eine kontextfreie Grammatik ist genau dann eine LL(k)-Grammatik, wenn für alle Nichtterminalsymbole A, für alle Produktionen A \to \beta und A \to \gamma mit \beta \ne \gamma und S \Rightarrow^*_l wA\alpha gilt: first_k(\beta\alpha) \cap first_k(\gamma\alpha) = \emptyset.  (w \in \Sigma^*; \alpha,\beta,\gamma \in (N \cup \Sigma)^*; A \in N)

Erklärung: Das Startsymbol der kontextfreien Grammatik S wurde (in eventuell mehreren Schritten) nach wA^{\,}\alpha expandiert. Gemäß der Linksableitung wird das Nichtterminalsymbol A als nächstes ersetzt. Dazu gibt es in der kontextfreien Grammatik aber zwei verschiedene Regeln; A \to \beta und A \to \gamma. Die Frage, mit welcher Regel A expandiert wird, bestimmt sich aus der Berechnung von first_k\left(\beta\alpha\right) und first_k\left(\gamma\alpha\right). Um die Frage eindeutig beantworten zu können, müssen beide Mengen disjunkt sein.

Im Allgemeinen hängt first_k\left(\beta\alpha\right) aber vom Rechtskontext α ab (wenn \beta \Rightarrow^* \epsilon). Das Ziel ist die Bestimmung von first_k\left(\beta\alpha\right) nur aus den Produktionen, d. h. aus β und aus den Strings, die einem Vorkommen von A folgen können. Für diesen Zweck wird die Funktion follow_k\left(A\right) definiert, die die Menge aller A folgenden Symbole berechnet.

\forall\beta \in (N \cup \Sigma)^*: follow_k(\beta)=\{w \in \Sigma^* \mid \exists \alpha\gamma \in (N \cup \Sigma)^* \mbox{ mit } S \Rightarrow^*_l \alpha\beta\gamma \mbox{ und } w \in first_k(\gamma)\}

Damit kann die eingangs geforderte Bedingung umformuliert werden:

Eine reduzierte kontextfreie Grammatik ist genau dann eine LL(1)-Grammatik, wenn für alle Nichtterminalsymbole A und für alle Produktionen A \to \beta und A \to \gamma mit \beta \ne \gamma gilt: first_1(\{\beta\}follow_1(A)) \cap first_1(\{\gamma\}follow_1(A))=\emptyset.

Achtung: Dieser Satz kann auf Fälle k > 1 nicht angewandt werden.

Die zu einer Produktion A \to \beta berechnete Menge la(A,\beta)=first_1\left(\{\beta\}follow_1(A)\right) wird als Lookahead-Menge bezeichnet.

Beispiel

Für die folgende Grammatik G wird geprüft, ob sie eine LL(1)-Grammatik ist. Dazu müssen die Lookahead-Mengen aller Produktionen mit gleichen linken Regelseiten disjunkt sein.

G=\left(\{E,E',T,T',F\},\{\epsilon,a,(,),+,*\},P,E\right) und die Menge der Produktionen ist:
E \to TE'
E' \to +TE'
E' \to \epsilon
T \to FT'
T' \to *FT'
T' \to \epsilon
F \to (E)
F \to a

Zunächst werden die first- bzw. follow-Mengen der Nichtterminalsymbole bestimmt, da diese für die Berechnung der Lookahead-Mengen nötig sind.

E E' T T' F
first1 \left\{(,a\right\} \left\{+,\epsilon\right\} \left\{(,a\right\} \left\{*,\epsilon\right\} \left\{(,a\right\}
follow1 \left\{)\right\} \left\{\epsilon,)\right\} \left\{+,\epsilon,)\right\} \left\{+,\epsilon,)\right\} \left\{*,+,\epsilon,)\right\}

Es folgt der Vergleich der Lookahead-Mengen für alle Produktionen mit gleichen linken Regelseiten.

Als erstes für die beiden Produktionen E' \to +TE' und E' \to \epsilon

la(E',+TE') \cap la(E',\epsilon)=first_1(\{+TE'\}follow_1(E')) \cap first_1(\{\epsilon\}follow_1(E'))=\{+\} \cap \{\epsilon,)\}=\emptyset

Als nächstes für die beiden Produktionen T' \to *FT' und T' \to \epsilon

la(T',*FT') \cap la(T',\epsilon)=first_1(\{*FT'\}follow_1(T')) \cap first_1(\{\epsilon\}follow_1(T'))=\{*\} \cap \{+,\epsilon,)\}=\emptyset

Als letztes für die beiden Produktionen F \to (E) und F \to a

la(F,(E)) \cap la(F,a)=first_1(\{(E)\}follow_1(F)) \cap first_1(\{a\}follow_1(F))=\{(\} \cap \{a\}=\emptyset

Da alle betrachteten Schnittmengen leer sind, handelt es sich bei der Grammatik G um eine LL(1)-Grammatik.

Siehe auch

Literatur


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