Lalebuch

Lalebuch

Die Schildbürger, wohnhaft im fiktiven Ort Schilda, sind Hauptakteure einer ganzen Reihe von kurzen märchenhaften Geschichten (Schildbürgerstreichen) und neben der Legende um Till Eulenspiegel die bekannteste Sammlung von Schelmengeschichten in Romanform.

Dieser früher fälschlich Volksbuch genannte Schwankroman erschien erstmals 1597 unter dem Titel „Das Lalebuch. Wunderseltsame, abenteuerliche, unerhörte und bisher unbeschriebene Geschichten und Taten der Lalen zu Laleburg“, bekannt wurde die zweite Ausgabe von 1598 mit dem Titel „Die Schiltbürger“; mehrere Autoren sind als ihr Urheber im Gespräch, u.a. Johann Friedrich von Schönberg.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Mehrere Städte nehmen für sich in Anspruch, die Verhältnisse in ihrer Stadt seien seinerzeit die Vorlage für die Berichte von Schilda gewesen:

Einen historisch fundierten Hinweis auf die reale Herkunft der Schildbürger liefert das Vorhandensein des aus den Geschichten bekannten Schildbergs bei der Gneisenaustadt Schildau bei Torgau. Von den Bürgern von Schilda, das seit dem 17. Jahrhundert Schildau zugeschrieben wird, handelt die Nacherzählung Erich Kästners und Horst Lemkes. Sie berichten dort eine Reihe närrischer Schwänke.

Mit den Schildbürgerstreichen vergleichbare Schelmendarstellungen sind im deutschen Sprachraum von der hessischen Kleinstadt Schwarzenborn überliefert (Schwarzenbörner Streiche). Auch aus anderen Sprachregionen sind ähnliche Geschichten bekannt, so etwa aus England beispielsweise Gotham, aus der Türkei die mittelalterlichen Geschichten des Hodscha Nasreddin oder aus Tschechien die fiktive Stadt Kocourkov.

Den Ortsnamen Schilda gibt es indes wirklich; die Gemeinde Schilda im Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg trägt diesen Namen und liegt nur wenige Kilometer von dem in Familienbesitz des mutmaßlichen Autors des Buches, Johann Friedrich von Schönberg, befindlichen Rittergütern in Falkenberg/Elster und Uebigau. Schönberg wurde in Sitzenroda, einem Nachbarort der Gneisenaustadt Schildau geboren.

Erzählungen

Die Bürger Schildas waren gemeinhin als äußerst klug bekannt, weswegen sie begehrte Ratgeber der Könige und Kaiser dieser Welt waren. Da die Stadt auf diese Weise langsam aber sicher entvölkert wurde, verlegte man sich auf eine List:

Die Schildbürger begannen sich dumm zu stellen, so dumm sogar, dass sie begannen, jede Aussage, auch Metaphern, wörtlich zu interpretieren. Dies war so erfolgreich, dass sie mit der Zeit in ihrer Dummheit verblieben und dafür genauso bekannt wurden wie ehedem für ihre Klugheit.

Bekannte Schildbürgerstreiche

  • Die Schildbürger bauen ein Rathaus: Als die Schildbürger ein neues, pompöses Rathaus bauen, vergisst der Architekt die Einplanung von Fenstern und das Rathaus ist innen stockfinster. Daraufhin versuchen die Schildbürger, mit Eimern das Sonnenlicht einzufangen und ins Innere zu tragen, was allerdings fehlschlägt.
  • Die Schildbürger verschieben das Rathaus: Eine Jacke diente als Markierung der Rathausverschiebung. Als ein Landstreicher die Jacke mitnahm, glaubte man das Rathaus zu weit geschoben zu haben.
  • Der versalzene Gemeindeacker: Um unabhängig von den teuren Salzlieferungen zu werden, beschließen die Schildbürger, das Gewürz selbst anzubauen und streuen eine Fuhre Salz auf den Gemeindeacker. Die Ernte der vermeintlichen Salzgewächse (in Wirklichkeit Brennnesseln) von Hand schlägt leider fehl. In Schildau ist der Schauplatz dieses Streichs als „Salzberg“ bekannt.
  • Der Kaiser kommt zu Besuch: Der Kaiser will zu Besuch kommen, um zu schauen, ob es wahr ist, was man über die Bewohner dieser Stadt sagt. Er lässt ihnen ausrichten, sie sollen zum Empfang „halb geritten und halb zu Fuß“ entgegenkommen, womit er meinte, dass man zu Fuß gehen kann, wenn man kein Pferd besitzt. Die Schildbürger jedoch beraten darüber und kommen ihm schließlich auf Steckenpferden entgegengeritten. Am Ende seines Aufenthaltes in Schilda garantiert ihnen der Kaiser absolute Narrenfreiheit.
  • Die Kuh auf der alten Mauer: Weil auf einer alten Mauer hohes Gras wuchert, wollen einige Schildbürger das Gras entfernen, indem sie es von einer Kuh abweiden lassen. Um die Kuh auf die Mauer zu hieven, zerren einige starke Männer die Kuh an einem Seil nach oben. Da das Seil um den Hals gewickelt wurde, wird die Kuh schließlich stranguliert. Als die Schildbürger sahen, wie die Kuh die Zunge rausstreckte, da riefen sie begeistert: kieck mol, da frett se schon.
  • Die versunkene Glocke: Um die wertvolle Kirchenglocke vor dem Feind zu schützen, beschließen die Schildbürger, sie im See zu versenken. Um sich zu merken, an welcher Stelle des Sees sie die Glocke nach dem Ende des Krieges wieder herausholen können, schnitzen die findigen Bürger eine Kerbe in den Bootsrand. Als sie nach dem Krieg merken, dass sie so die Glocke nicht wiederfinden, schneiden sie vor Wut die Kerbe aus dem Bootsrand heraus, wodurch sie freilich nur noch größer wird.
  • Vom richtigen Verscheuchen der Vögel: Weil Krähen die frische Aussaat vom Gemeindeacker picken, sollen sie verscheucht werden. Damit der Gemeindevorsteher nicht die Saat zertrampelt, wird er auf einer Plattform von vier Männern auf das Feld getragen.
  • Baumstämme in die Stadt tragen: Die Schildbürger fällen Bäume und wollen nun die Stämme in ihre Stadt bringen. Sie stellen fest, dass das Stadttor zu schmal ist: die Baumstämme passen der Breite (eigentlich der Länge, denn sie tragen sie parallel zur Mauer!) nach nicht durch. Also reißen sie links und rechts vom Tor die Stadtmauer ein, bis die Stämme hindurchpassen. Als die Schildbürger fertig sind, merken sie, dass es doch viel einfacher gewesen wäre, die Baumstämme der Länge nach durch das Tor zu tragen. Sie tragen nun also alle Baumstämme wieder aus der Stadt, mauern die Stadtmauer links und rechts wieder zu und tragen die Stämme abermals – nun der Länge nach – durch das Tor in die Stadt. (Fast dieselbe Geschichte wird auch von der Stadt Ulm erzählt.)
  • Wie die Schildbürger sich das Wissen eintrichtern wollten: Als eine Gruppe von Schildbürgern einmal Nürnberg besuchte, fragten sie sich, worum es sich wohl bei dem Nürnberger Trichter handele. Ein Nürnberger behauptete nun, dass man durch den Trichter hindurch Klugheit aufnehmen könne, wodurch lästiges und zeitraubendes Lernen überflüssig werde. Die Schildbürger waren begeistert und probierten natürlich gleich aus, was dieser ihnen geraten hatte. Die übrigen Nürnberger amüsierten sich prächtig über die Schildbürger und begannen Wasserschläuche auf diese zu richten. Dies bewegte die Schildbürger jedoch dazu, noch eifriger zu "trichtern", da sie das Wasser für Klugheit hielten. Zurück in Schilda erzählten sie den daheim gebliebenen Schildbürgern von ihrem Besuch in Nürnberg. Diese waren sehr beeindruckt, bis ein kleiner Junge Niespulver unter ihnen verstreute, was folglich zu heftigen Niesanfällen führte. Die Schildbürger waren enttäuscht - so schnell waren sie ihr neu erlangtes Wissen wieder los geworden.
  • Erziehung an einem Tag oder gar nicht:
  • Als die Schildbürger ihren Fastnachtsumzug hielten:
  • Ein Krebs kommt vor Gericht: Ein Krebs, der auf unerklärliche Weise in Schilda auftaucht, wird wegen Anmaßung und Betruges (wegen seiner Scheren wurde er für einen geborenen Schneider gehalten), Sachbeschädigung und Körperverletzung zum Tod durch Ertränken verurteilt.
  • Der Käse im Brunnen:
  • Die Zerstörung von Schilda: Um eine schwarze Katze zu vertreiben, legen die Schildbürger Feuer an jedes Haus, auf dessen Dach sich die Katze flüchtet, was die ganze Stadt schließlich in Schutt und Asche legt.

Die Teterower Hechtsage

Die Teterower Hechtsage ist ebenfalls ein sehr bekannter Schildbürgerstreich und bezieht sich auf die slawische Gottheit Svantovit. Nach der Zerstörung des Heiligtums auf der Burgwall-Insel 1171 durch die Dänen verbreitete sich unter den in Teterow lebenden Wenden die Ansicht, dass sich Svantovit durch die Verwandlung in einen Fisch mit goldenem Kopfband entzogen habe. Da sich dieser Glaube über lange Zeit erhalten konnte, versuchte die katholische Geistlichkeit ihn lächerlich zu machen. Sie erfanden daher die Geschichte von dem Hecht mit der Glocke.

In der heute bekanntesten Fassung wird der Hecht im Teterower See von den Schildbürgern gefangen. Da in wenigen Wochen ein Besuch des Landesherren stattfinden soll und der Hecht nicht so lange frisch gehalten werden kann, beschließen die Schildbürger ihn wieder ins Wasser zu lassen. Um ihn auch wiederzufinden, binden sie ihm eine Glocke um und schneiden eine Kerbe in das Boot, an der Stelle wo sie den Hecht hineingelassen haben. Die Suche nach dem Hecht gestaltet sich jedoch schwieriger als gedacht.

Der 1914 in Teterow eingeweihte Hechtbrunnen soll an die Hechtsage erinnern. Als Andenken an die Teterower Schildbürgerstreiche wird daher auch jedes Jahr am Wochenende nach Himmelfahrt in Teterow das Hechtfest (Motto: Noch lebt der Hecht) gefeiert. Höhepunkt ist die Theater-Aufführung der bekanntesten Teterower Schildbürgerstreiche.

Der Beckumer Rathausbrunnen (Pütt)

In Beckum sollte einmal der im westfälischen Pütt genannte Brunnen auf dem Marktplatz von Schlamm gereinigt werden. Hierzu wurde eine Kette aus Männern in den Brunnen herab gelassen. Als der am obersten Ende hängende Mann nicht mehr konnte, sagte er zu den anderen: Haltet euch alle fest, ich muss mir mal eben in die Hände spucken. Somit fielen alle Mann in den Brunnen.

Heutige Schildbürgerstreiche

Schildbürgerstreich in Celle – die Rampe führt dort zum Behinderten-WC
2,5 m Fahrrad- und Fußgängerweg in Bonn.

Die Legende um Schilda ist bis heute Bestandteil der deutschsprachigen Kultur und hat Einzug gehalten in den deutschen Wortschatz. Der Begriff Schildbürgerstreich findet in der Umgangssprache für aberwitzige und irreführende Regelungen (Beschilderungen) oder eine sich ins Gegenteil verkehrende Bürokratie Verwendung.

Auch heute werden teilweise noch Schildbürgergeschichten verfasst, um auf Vorgänge hinzuweisen, die dem Autor der Geschichte besonders dumm oder schelmisch vorkommen.

Nicht als Streich, sondern als ernsthaften Beitrag zur Stadthistorie, hat die Stadt Krefeld Ende 2007 unter dem Titel Schild-Bürger eine Sonderausgabe ihres amtlichen Stadtplanes herausgebracht. Hierbei wurde der Begriff Schildbürger im wörtlichen Sinne interpretiert, da es sich um eine Karte handelt, die alle Bürger Krefelds behandelt, denen ein eigenes Straßenschild gewidmet wurde, nach denen also eine Straße oder ein Platz benannt wurde. Zusätzlich zur Kartendarstellung der etwa 230 benannten Straßen und Plätze werden Kurzbiografien aller mit einem Straßennamen geehrten Personen und ein Hinweis zum Zeitpunkt der Benennung gegeben. Im Dezember 2008 ist eine ergänzende Ausgabe unter dem Titel Schild-Bürger 2 erschienen, die sich mit den personenbezogenen Straßenbenennungen beschäftigt, die keinen direkten Bezug zur Krefelder Stadtgeschichte besitzen.

Literatur

  • Erich Kästner, Horst Lemke: Die Schildbürger, Dressler Verlag, 2000, ISBN 3-791-53571-4.
  • Karl Simrock: Die Schildbürger, Vitalis Verlag, 2000, ISBN 3-934-77437-7.
  • Ruth Kraft (Hrsg.), Fritz Koch-Gotha (Illustr.): Das Schildbürgerbuch von 1598. Dausien, Hanau 1985, ISBN 3-768-43563-6.
  • Otfried Preußler: Bei uns in Schilda – die wahre Geschichte der Schildbürger nach den Aufzeichnungen des Stadtschreibers Jeremias Punktum. ISBN 3-522-10600-8
  • Gerhard Böhmer: Teterow. Chronik und Lebensbild einer mecklenburgischen Kleinstadt. Teterow 1947.
  • Schleswig-Holsteinische Volksmärchen. Schildbürgergeschichten (AT 1200-1439), Eheschwänke (AT 1350-1439), Schwänke von Frauen und Mädchen (AT 1440-1524) – aus dem Zentralarchiv der Deutschen Volkserzählung in Marburg an der Lahn. Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Gundula Hubrich-Messow. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 2004. ISBN 3-89876-182-7

Siehe auch

  • Die Abderiten
  • Narrenliteratur
  • Schwank
  • Entsprechungen in anderen Kulturkreisen: cs:Kocourkov da:Molbohistorie en:Wise Men of Gotham eo:Abdero fi:Hölmölä nl:Kamper ui no:Molbo

Weblinks


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