Lena und Boris Nikitin

Lena und Boris Nikitin
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Als Nikitin-Methode wird ein Modell zur kindlichen Früherziehung bezeichnet, das zu Beginn der 1960er-Jahre vom russischen Ehepaar Lena und Boris Nikitin entwickelt und in mehreren Büchern beschrieben wurde.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Die Familie Nikitin wohnte in der Siedlung Bolschewo, rund 40 Kilometer nordöstlich von Moskau. Boris Pawlowitsch († 1999), der Vater, war gelernter Ingenieur. Lena Alexejewna, die Mutter, war von Beruf Lehrerin und später Bibliothekarin. Die beiden haben sieben Kinder, die zwischen 1959 und 1971 geboren wurden. Diese Kinder sind: Alexej (*1959), Anton (*1961), Olga (*1962), Anna (*1964), Julija (*1966), Iwan (*1969) und Ljuba (*1971).

Ihr „Familienexperiment" war zu Zeiten der UdSSR sehr umstritten. Die Nikitins haben ihre Kinder auf spielerische Weise ab den ersten Lebensmonaten gefördert und gefordert, ihnen Selbständigkeit, Unabhängigkeit und die Fähigkeit zur Selbsthilfe beigebracht, ihnen auch intellektuelle Leistungen und soziales Verhalten abverlangt. Unter anderem ging es ihnen darum, eine anregende Umgebung - eine Lern-Spiel-Landschaft - für und mit ihren Kindern zu schaffen. Die von ihnen entwickelten Spielmaterialen zur Förderung der geistigen Entwicklung kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.

Alle Kinder konnten mit drei oder vier Jahren lesen und nach dem Lehrplan der ersten Klasse rechnen, mit fünf bis sechs Jahren konnten sie schreiben, und mit vier bis fünf Jahren waren sie in der Lage, Pläne, Zeichnungen und Landkarten zu verstehen. In den ersten Schuljahren zeigten alle Kinder ausgezeichnete Leistungen. Zum Teil wurden sie gleich in die zweite oder dritte Klasse eingeschult oder übersprangen mehrere Klassen.

Barfuss und im Höschen

Die Nikitins gehen davon aus, dass der Mensch die natürliche Fähigkeit aller Säugetiere besitzt, sich an verschiedenen Umgebungstemperaturen anzupassen.

Diese Fähigkeit zur „Wärmeregulatur“ kann jedoch verloren gehen, wenn Kinder schon früh durch Kleidung an eine gleichmäßige Temperatur gewöhnt werden. Dies kann dazu führen, dass sie anfälliger für verschiede Krankheiten werden, z.B. für Erkältungen.

Außerdem wird durch enge, schwere Kleidung der natürliche Bewegungsdrang des Kindes behindert. Wenige und leichte Kleidung und eine kühle Umgebungstemperatur regen hingegen zur Bewegung an. Körperliche Aktivität wird als angenehm und lustvoll empfunden.

Das barfüßige Laufen wirkt sich günstig auf die Körperhaltung aus und die Kinder können ihre Fähigkeiten zu Gehen und Laufen sowie ihre gesamte Bewegungskoordination besser entwickeln.

Aufgrund dieser Vorstellung heraus, durften die Kinder barfuss und nur mit kurzem Höschen bekleidet fast das ganze Jahr hindurch drinnen und draußen spielen.

Ein weiterer Vorteil dieser Art war, dass die Eltern weniger Zeit mit dem An- und Ausziehen und dem Waschen der Kleidung verbrachten und so wiederum mehr Zeit verblieb, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen.

„Problem“ Ernährung

Der Grundgedanke der Familie ist: Wenn man essen soll muss man Hunger haben, wer Hunger hat, der isst auch. Andere Familien stellen sich stundenlang in die Küche und bereiten „…verschiedene Gerichte für Jung und alt, gewürzt und ungewürzt.“[1] Die Eltern hatten ihr Essen so umgestellt, dass es alle essen können. Was für Kinder gesund ist, ist für Erwachsene nicht ungesund. Es gab geregelte Mahlzeiten am gemeinsamen Tisch, alle aßen dasselbe. Wer nichts isst, muss bis zur nächsten Mahlzeit warten.

Kleinkinder werden auf diese Weise schon früh an das normale Essen herangeführt und bekommen immer Häppchen zum probieren, bevorzugt gesundes, nahrhaftes Essen aus der Region (traditionelle Gerichte). Spielereien mit dem Essen gab es nicht. Konsequent wurde das Essen entfernt und vom Tisch aufgestanden. Es blieb nichts auf dem Teller, was weggeschmissen wird. Sollte sich dennoch mal einer überschätzt haben, blieb das Essen für später auf dem Teller.

Die Nikitins waren der Meinung, dass den meisten Eltern die Geduld fehlt, gleich zu Beginn auf diese Kleinigkeiten zu achten und diese zu korrigieren, was es später dann umso schwerer mache.

Turnen

Körperliche Früherziehung

Die Kinder fangen von klein auf an zu turnen. Sowie sie laufen können und die Ringe oder andere Geräte ergreifen können, fangen sie an diverse Bewegungen zu probieren und zu erlernen.

Sportgeräte

Anfänglich gab es in einem Zimmer der Wohnung nur ein paar Ringe, ein kleines Reck und ein paar Lianen. Nach einem Umzug wurde die Ausstattung erweitert. Es gab u. a. eine große Stange, die 5,70m lang war und über 2 Etagen ging.

Angst & Überwindung

Die Kinder werden Schritt für Schritt an die einzelnen Geräte geführt. Keines der Kinder wird, wie es manchmal üblich ist, an Ringe gehoben, damit es Schaukeln kann. Die Kinder fangen niedrig an und arbeiten sich dann immer weiter nach oben, soweit sie können und Lust haben.

Wenn die Kinder eine Höhe erreichten, die ihnen Angst machte, werden sie nicht hinunter gehoben. Das Kind soll lernen sich selbst zu behelfen, um ein höheres Maß an Selbständigkeit zu erlangen.

Zeit

Wenn Kinder keine Kraft mehr haben oder keine Lust zum Turnen, hören sie von alleine auf. Es bedarf somit keiner Regulierung durch die Eltern. Es sollte kein Leistungsdruck aufkommen.

Nutzen

Turnende Kleinkinder sind motorisch weiter entwickelt als andere und haben einen praktischen Zugang zu physikalische Gesetzen, beispielsweise der Schwerkraft.Gleichzeitig sind sie i. d. R. auch umsichtiger beim Erforschen von neuen Dingen, ohne ängstlich zu sein.

Spielmaterial

Zu den von Boris und Lena z. T. selbst entwickelten Spielmaterialien gehören:

  • Nikitin Musterwürfel
  • Nikitin Quadrate
  • Nikitin Matrici
  • Nikitin Zahlentürme
  • Nikitin ABC-Würfel
  • Nikitin Uniwürfel
  • Nikitin Geowürfel
  • Nikitin Bausteine

Mit dem Uniwürfel soll das Kind beispielsweise sein räumliches Denken und die dreidimensionale Vorstellungskraft trainieren.

Mit den Nikitin-Quadraten wird der Sinn für Formen und Kombinatorik spielerisch trainiert. Im Allgemeinen sind alle diese Spiele darauf angelegt, die Feinmotorik, Konzentration, Wahrnehmung und auch die Kreativität zu fördern.

Jedes Spiel hat zudem verschiedene Schwierigkeitsgrade, die dem Kind immer wieder neue Herausforderungen bieten.

Niktin-Spielmaterialen finden sich heutzutage in den meisten Einrichtungen der Kindertagesbetreuung wieder.

Fürsorge & Achtung

Neben dem Erwerb kognitiver und körperlicher Kompetenzen, haben die Eltern darauf Wert gelegt, dass ihre Kinder ihre sozialen Fähigkeiten entwickeln und nicht aufgrund ihrer Leistungen sich zu „Einzelkämpfern“ entwickeln.

Lena Nikitin hat dies in drei wesentlichen Punkten zusammengefasst:

  • Die Erwachsen sollten stets selbst fürsorglich miteinander umgehen und sich gegenseitig unterstützen. Alle häuslichen und erzieherischen Tätigkeiten teilen sich beide Eltern.
  • Die Kinder sollten die Gelegenheit haben, sich schon als Kleinkind helfend in die Familie einzubringen und hierzu ermutigt und bestärkt (Lob!) werden. Verrichtet ein Kind eine „Arbeit“, so wird es dafür am Monatsende entlohnt. Außerdem haben die Kinder ein Mitspracherecht bei familiären Angelegenheiten, bspw. bei Auseinandersetzungen.
  • Kinder sollten schon früh lernen, für andere Menschen Mitgefühl zu entwickeln und sich um diese zu kümmern, zum Beispiel durch ehrenamtliches Engagement.

Einzelnachweise

  1. Nikitin, Boris & Lena: Vom ersten Lebensjahr bis zur Schule (Ot goda do schkoly), Übersetzung und Herausgeberin: Marianna Butenschön, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982 S. 29ff.

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