Ligatur (Typographie)

Ligatur (Typographie)
Bleiletter und Druckbild einer ſi-Ligatur (langes s, i) in 12p Garamond

Eine Ligatur (Mittellateinisch ligatura „Verbindung“, nach lat. ligarī „(ver)bunden werden“) ist in der Typografie eine Verbindung zweier oder mehrerer Buchstaben zu einer optischen und formalen Einheit. Sie hat sich historisch entweder durch schnelle Schreibweise häufig genutzter Zeichen gebildet oder wurde zur optischen Korrektur anders als die Einzelzeichen geschrieben. Im Satz werden Ligaturen heute vor allem verwendet, wenn zwei Buchstaben mit Oberlängen (z. B. f, i, l, t) aufeinander folgen, da ohne Ligatur entweder eine Lücke zwischen den Buchstaben entstehen würde oder es durch Unterschneidung zu unschönen Verbindungen der Oberlängen käme. Im Bleisatz sind Ligaturen zur Ermöglichung von Unterschneidungen zwingend nötig.

Inhaltsverzeichnis

Zeichensatz

Ligaturen im lateinischen Alphabet

Ligaturen vermeiden optische Lücken, die beim schnellen und angenehmen Lesen stören. Ligaturen finden vor allem im professionellen Satz Verwendung, werden aber aus zeitlichen Gründen besonders im Zeitungssatz weggelassen. Die Ligaturen werden üblicherweise typografisch gestaltet und bilden nicht nur eine einfache Verkleinerung der Laufweite (siehe Abbildungen).

In deutschsprachigen Texten sind die Verbindungen ff, fi, fl, ft sowie deren Kombinationen (ffi, ffl usw.) geläufig, weniger üblich sind Verbindungen wie von fk, fj, fh, fb, fz, ll, st, ch, ck, ct, tt, tz, kk, Qu, ſi, ſſ, ſt, ſch. Je nach Schriftart sind diese zudem selten Ligaturen im engeren Sinne, da die einzelnen Buchstaben zur Unterschneidung nur näher aneinander gerückt sind, aber keine tatsächliche Verbindung eingehen. Die Anzahl der Ligaturen ist bei verschiedenen Schriftarten unterschiedlich.

Anwendung im Deutschen

Im Deutschen werden Ligaturen nur gesetzt, wenn die zu verbindenden Buchstaben im gleichen Morphem liegen, also beispielsweise im Wortstamm. Ligaturen werden in der Regel nicht gesetzt, wenn sie eine grammatikalische Fuge (z. B. eine Wortfuge) trennt. „Kaufläche“ (Kau-fläche) wird daher mit fl-Ligatur geschrieben, hingegen wird bei „Kaufleute“ keine Ligatur verwendet, weil die Buchstaben f und l hier in verschiedenen Wortteilen (Kauf-leute) stehen. Eine Ausnahme bilden Nachsilben, die mit i beginnen (-ig, -in, -ich, -isch). Hier werden auch über die grammatikalische Fuge hinweg Ligaturen gesetzt. So wird beispielsweise „häufig“ trotz der Fuge (häuf-ig) mit fi-Ligatur geschrieben. Die Anwendung von Ligaturen ist jedoch nicht verbindlich geregelt, generell folgt man dem Grundsatz: Wenn die einzelnen Buchstaben getrennt gesprochen werden, wird keine Ligatur verwendet.

Bleisatz

Ligaturen haben im Bleisatz neben den ästhetischen auch technische Gründe. Ohne Ligaturen hätte man beim Buchstaben f nur die Wahl, ihn bündig auf den Kegel zu stellen, was ein den Lesefluss störendes ‚Loch‘ im Satzbild zur Folge hätte, oder ihn rechts frei über den Kegel hinaus gehen zu lassen, damit er zum Teil über den Kegel des nachfolgenden Buchstaben ragte. Der so freigestellte Teil des f würde jedoch ohne den schützenden Kegel leicht abbrechen. Aus diesem Grund werden die betreffenden Kombinationen direkt zusammen auf einen Kegel gegossen (vgl. Logotype).

Computersatz

Der Computersatz erlaubt heute eine fast beliebige Positionierung der Buchstaben. Deshalb ist es möglich, den Abstand zwischen zwei Zeichen einzustellen und in vielen Fällen auf Ligaturen zu verzichten. In guten Schriftarten sind spezielle Ligaturen vorhanden. Die anderen Ligaturen werden durch entsprechende Positionierung der typografischen Zeichen emuliert. Die ß-Ligatur wird jedoch als ein Buchstabe behandelt und standardmäßig verwendet.

Neue Schrifttechniken wie OpenType, Graphite von SIL oder Apples wenig verbreitetes AAT erlauben den manuellen oder auch automatischen Einsatz von Ligaturen, ohne den zugrundeliegenden Code zu verändern, sofern dies auch explizit in einer Schrift vorgesehen ist. Einige Programme wie QuarkXPress (ab Version 7) oder von Adobe, z. B. InDesign, bieten diese Möglichkeit mit OpenType sowohl unter Mac OS X als auch unter Windows.

Bei Microsoft-Programmen wie Word hingegen müssen Ligaturen noch als Sonderzeichen eingefügt werden und verwirren die Rechtschreibprüfung. Das Emulieren mancher Ligaturen aus mehreren Einzelzeichen gelingt dann gut, wenn das Schriftdesign des Fonts darauf bereits angepasst ist.

Schwierigkeiten können sich bei der Rechtschreibprüfung ergeben. Selbst manche Satzprogramme unterstützen die Verwendung von Ligaturen nur in recht aufwändiger Weise. Einige Satzprogramme (zum Beispiel TeX) verlagern die Verwendung von Ligaturen daher in den Ausgabeprozess. Dies kann das Problem jedoch nur teilweise lösen, da es kontextabhängig ist, ob ein Zeichen als Ligatur gesetzt werden muss oder nicht. Der Setzer muss explizit angeben können, ob eine Ligatur gesetzt werden soll oder nicht (z. B. bei LaTeXKauf"|leute“ zur Unterbindung der automatischen Ligatur). Die automatisierte Setzung bzw. Unterdrückung von Ligaturen anhand der Silbentrennungswörterbücher wird bisher noch von keinem Satzprogramm geleistet.

Ungewollte „Ligaturen“ können entstehen, wenn Buchstaben zu eng zusammengerückt werden. Dieses unbeabsichtigte Zusammenstoßen ist zu vermeiden. Gute Schriftarten enthalten entsprechende Informationen zur Optimierung der Abstände von Buchstabenpaaren, so genannte Unterschneidungspaare.

Der universelle Zeichensatz – Unicode – bietet nur sehr beschränkte Unterstützung für Ligaturen. Nur einige wenige Ligaturen wie „fi“ haben aus Kompatibilitätsgründen mit bestehenden Zeichensätzen/-kodierungen (u. a. Macintosh Roman) ihren Platz in Unicode. Das Unicode-Konsortium lehnt es grundsätzlich ab, weitere Ligaturen in Unicode aufzunehmen und begründet dies damit, dass Ligaturen ein Problem der Zeichendarstellung, nicht der Zeichenkodierung seien.[1] Eine Steuerung der somit notwendigen automatischen Ligation soll mit den Nullbreitenzeichen U+200C (Verbindung unterdrücken) und U+200D (Verbindung erzwingen) geschehen, die in HTML als Zeichenentitäten ‌ (zero width non-joiner) bzw. ‍ (zero width joiner) aufgenommen wurden.

Fraktursatz

Zwangsligaturen ch, ck, tz bleiben im gesperrten Satz erhalten.

Im deutschsprachigen Fraktursatz gibt es eine Reihe von Verbünden. In jedem Fall gilt die Regel, dass ein Verbund nicht über eine Wortfuge hinweg gesetzt werden darf (Beispiel: Ta-tz-e = tz-Ligatur, aber Lu-ft-z-ug = ft-Ligatur + z). Dies betrifft auch Familiennamen slawischer Herkunft auf -cky (z. B. Ranicky), die – entsprechend der getrennten Aussprache – nicht mit ck-Ligatur, sondern getrennten Lettern c und k geschrieben werden.

Die Ligaturen ch, ck und tz bezeichnet man als Zwangsligaturen, diese bleiben auch im Sperrsatz unaufgelöst. Alle anderen üblichen Ligaturen (ff, fi, fl, ft, ll, ſi, ſſ, ſt, tt, seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch ſch) werden im Sperrsatz in Einzelbuchstaben aufgelöst und, abgesehen von ſt und ſs, gesperrt gesetzt.

Das ß wurde dagegen schon im 19. Jahrhundert nicht mehr als Ligatur, sondern als Einzelbuchstabe begriffen.

Die reformierte deutsche Rechtschreibung belebt im Bereich der s-Schreibung eine Idee aus dem frühen 19. Jahrhundert wieder, die sogenannte Heysesche s-Schreibung. Im Heyseschen Fremdwörterbuch taucht für Doppel-s am Wortende eine eigens geschaffene Ligatur ſs auf (siehe Weblinks).

Bedeutung im Schriftsystem

Für die europäischen Schriften gilt: Eine Ligatur ist ein Element der grafischen Oberflächenstruktur der geschriebenen Sprache. Das heißt, dass sie nicht notwendiger Bestandteil des Schriftsystems, der Orthografie sind. Ihre Verwendung folgt allein typografischen Regeln, die der optischen bzw. ästhetischen Gestaltung dienen, ohne für die Bedeutungsunterscheidung von Wörtern notwendig zu sein. Für das Funktionieren der deutschen Orthografie ist es zum Beispiel nicht notwendig, „knifflig“ mit der Ligatur für ffl zu schreiben. Die Verwendung von Ligaturen ist in keiner europäischen Sprache orthografisch vorgeschrieben, sie ist ein Stilmittel und von Schriftart zu Schriftart unterschiedlich. Ligaturen sind demnach keine Grapheme eines Schriftsystems.

Von diesen echten, synchron als solche verwendeten Ligaturen sind Einheiten eines Schriftsystems zu unterscheiden, die ursprünglich (diachron) aus Ligaturen entstanden sind (vgl. auch die Entwicklung des lateinischen Alphabets). Zu diesen zählen Buchstaben wie w, ß, æ, œ und Zeichen wie & und % (vgl. u.). Die Verwendung solcher Buchstaben unterliegt heute (synchron) orthografischen Regelungen, sie sind kleinste bedeutungsunterscheidende Einheiten eines Schriftsystems und damit Grapheme wie andere Buchstaben auch.

Die Ligaturen w und ß

Antiqua-ſs vs. Textura- und Fraktur-ſz

Hauptartikel: w, ß

Der Buchstabe w hat sich als Ligatur aus zwei u bzw. v entwickelt. Bis ins Mittelalter wurde zwischen den Buchstaben u und v nur ästhetisch, nicht dem Lautwert nach unterschieden. In manchen Sprachen ist dieser Ursprung noch an der Buchstabenbezeichnung nachzuvollziehen (engl. double u „Doppel-u“, span. uve doble „Doppel-v“).

Im Druck wurde das kleine w bei nicht vorhandener Letter auf verschiedene Weise realisiert, im Fraktursatz beispielsweise mit rundem r als „rv“.

Die Ursprünge des Buchstabens bzw. der Ligatur ß (Eszett) sind noch nicht vollständig geklärt. Das deutsche ß hat sich in den gebrochenen Schriften des Spätmittelalters vermutlich als Ligatur aus langem ſ und z entwickelt. In den frühneuzeitlichen Antiqua- und Kursivschriften hat es sich hingegen als Ligatur aus langem ſ und rundem s entwickelt. Diese Variante des Doppel-s geriet in den genannten Schriften im 18. Jahrhundert gleichzeitig mit dem langen ſ außer Gebrauch. Die Abschaffung der Frakturschrift durch die Nationalsozialisten 1941 führte zur Wiederbelebung des ß in der Antiquaschrift. Die Typographen bedienten sich dabei sowohl der Kombination ſ+s als auch ſ+z. Während die seit 1996 in deutschsprachigen Schulen gelehrte und von zahlreichen Verlagen adaptierte reformierte deutsche Orthographie das ß auf die Verwendung nach langen Vokalen und Diphthongen beschränkt und damit nur den ß-Buchstaben anerkennt, benutzen traditionell Schreibende und Verlage wie Diogenes weiterhin auch die ß-Ligatur nach Adelung. Beide Varianten werden aus linguistischer Sicht meist als gleichwertig betrachtet, während über die typographische Ebenbürtigkeit nach wie vor Uneinigkeit herrscht. Der „Erfinder“ der reformierten ß/ss-Schreibung jedenfalls, Johann Christian August Heyse, hatte, nachdem heftige Kritik an seiner Schreibvariante geäußert worden war, 1826 vorgeschlagen, „ein neues Zeichen zu creiren [und] ein ſ zu verbinden mit einem s“. Diese neue Ligatur entsprach damit prinzipiell dem im 20. Jahrhundert aus ſ und s neugeschaffenen ß für die Antiqua.[2]

Die Zeichen &, % und @

Kaufmanns-Und (links) und ursprüngliche Et-Ligatur (rechts).

Das &-Zeichen ist eine Ligatur aus den ursprünglichen Einzelbuchstaben „e“ und „t“ („et“, lat. „und“). In der Schreibschrift hat es sich zunächst in eine Darstellung entwickelt, in der der Bogen vom kleinen e in den Stamm des kleinen t übergeht. Wird das E großgeschrieben, ergibt sich in vielen kursiven Schriften die nebenstehende Darstellung. Daraus hat sich durch weitere Vereinfachung das heute bekannte Kaufmanns-Und (auch Ampersand-Zeichen) gebildet.

Das %-Zeichen ist eine Ligatur von „cto“ (ital. cento „hundert“), das @-Zeichen ist eine Ligatur aus „at“ oder „ad“. Die Herkunft ist noch nicht vollständig geklärt.

Ligaturen in anderen Sprachen und Schriften

Der Name Muhammad in arabischer Schrift, oben als Ligatur, unten auf der Grundlinie verbunden, wie in einfacheren Drucken üblich

In skandinavischen Texten sind die Ligaturen von ſk, ſl und ſþ üblich. In der französischen Sprache unterscheidet man ästhetische und orthographische Ligaturen. Die orthographischen Ligaturen sind bindend, dürfen nicht getrennt geschrieben werden und gelten als eigene Buchstaben (Æ und Œ, l’e-dans-l’a und l’e-dans-l’o). Umstritten ist die Stellung der Ligatur IJ als eigener Buchstabe im Alphabet des Niederländischen.

Nicht nur in der lateinischen Schrift gibt es Ligaturen, auch in vielen anderen sind sie vorhanden. Im griechischen Alphabet findet sich als Zahlzeichen für 6 noch der alte Buchstabe Ϛ (Stigma), eine Ligatur aus Sigma und Tau. Schon seit byzantinischer Zeit wird gelegentlich für den Digraphen ΟΥ (Omikron-Ypsilon, gesprochen /u/), die Ligatur Ȣ verwendet.

Der kyrillische Buchstabe Ю (Ju) geht auf eine Ligatur der griechischen Buchstaben Iota und Omikron zurück. Das Serbische verwendet die Ligaturen Љ (Lje) und Њ (Nje), zusammengesetzt aus Л bzw. Н und dem Weichheitszeichen Ь für die palatalisierten Laute // und //.

Einige Schriften werden grundsätzlich nur wortweise verbunden geschrieben und gedruckt, wie z. B. Mongolisch und Arabisch. In der arabischen Schrift ist die Form des Zeichens vom Kontext abhängig. Es gibt bis zu vier verschiedene Formen je Buchstaben: allein stehend, initial, medial und final. Die einzige Zwangsligatur im Arabischen ist das Lam-Alif (لا), das bei der Verbindung der Buchstaben ل (Lam) und ا (Alif) entsteht. Bei bestimmten Schriftarten kommt eine große Zahl von weiteren Ligaturen hinzu, deren Verwendung aber nicht obligatorisch ist.

Komplexe Ligatur ddhrya in der Devanagari-Schrift

In fast allen indischen Schriften spielen Ligaturen eine wichtige Rolle. Hier sind sie nicht nur typografische Varianten sondern haben einen graphematischen Status, das heißt ihr Gebrauch ist bedeutungsunterscheidend. In den indischen Schriften trägt jeder Buchstabe einen inhärenten Vokal (meist a). Wenn zwei Konsonanten unmittelbar ohne Vokal aufeinandertreffen, werden sie zu einer Ligatur verbunden. Vor allem in Sanskrit-Texten kommen teils sehr komplizierte Ligaturen mit drei oder mehr Bestandteilen vor. Manche Ligaturen sind in ihrer Bildungsweise einfach, z. B. ergeben in der Devanagari-Schrift स sa und न na die Ligatur स्न sna. Bei anderen Verbindungen wie क्ष kṣa (aus क ka und ष ṣa) sind die Einzelbestandteile dagegen nicht mehr ohne weiteres zu erkennen. Allein die tamilische und die singhalesische Schrift verwendeen keine Ligaturen, sondern ein spezielles diakritisches Zeichen, welches das Fehlen des inhärenten Vokals anzeigt.

Einzelnachweise

  1. Unicode Consortium: Unicode FAQ. Ligatures, Digraphs and Presentation Forms (Stand 9. Juni 2006).
  2. Heysesche s-Schreibung

Literatur

  • Jan Tschichold: Meisterbuch der Schrift. Ravensburg 1952, ²1965, 1979, 1992. ISBN 3-473-61100-X.
  • Albert Kapr: Schriftkunst. Verlag der Kunst, Dresden 1955, 1971, 1996, Sauer, München 1983, Hamburg 2004. ISBN 3-598-10463-4.
  • Georg Kandler: Alphabete. Erinnerungen an den Bleisatz. Minner Verlag, Kornwestheim 1995 (Bd 1), 2001 (Bd 2). ISBN 3-922545-21-1, ISBN 3-922545-23-8.
  • Carl Faulmann: Das Buch der Schrift. Wien 1880, Hildesheim 1986, Eichborn, Frankfurt 1990. ISBN 3-8218-1699-6.
  • Robert Bringhurst: The Elements of Typographic Style. Hartley & Marks, Point Roberts ²2002. ISBN 0-88179-133-4.
  • Eberhard Dilba: Typographie-Lexikon und Lesebuch für alle. 2. Auflage, Books on Demand, Norderstedt 2008. ISBN 978-3-8334-2522-6.

Weblinks


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