- Schaft-s
-
ſ
Das lange s „ſ“ ist eine typographische Variante des Buchstabens „s“ (oder sprachwissenschaftlich ausgedrückt: es ist eine stellungsbedingte allographische Variante des Graphems „s“). Es kommt in den heute üblichen Antiqua-Schriften normalerweise nicht mehr vor.
In Texten, in denen es verwendet wird, wird es in der Regel für das s-Graphem im Anlaut oder Inlaut einer Silbe geschrieben, während im Auslaut einer Silbe das runde s oder Auslaut-s „s“ gebraucht wird. In den gebrochenen Schriften muss das ſ an der richtigen Stelle gesetzt werden, in der Antiqua kann es verwendet werden. Es kam früher in allen romanischen ebenso wie den deutschen, englischen, holländischen, westslawischen und den skandinavischen Schriftformen vor.
„ſ“ bildet auch den ersten Bestandteil der beiden Ligaturen „ſʒ“ („ſz“) und „ſs“, aus denen der deutsche Buchstabe „ß“ hervorgegangen ist.
Entstehung des Minuskel-s
Mit der Halbunzial-Schrift (5. Jh. – 8. Jh.) entstand eine Schriftart, in der gegenüber der Römischen Capitalis-Schriften einzelne Buchstaben erstmals Ober- und Unterlängen ausbildeten. Sie vermittelt, ohne selbst schon ausgesprochen eine Minuskelschrift zu sein, den endgültigen Übergang vom zweilinigen zum vierlinigen Schriftsystem. Diese selbstständige Schriftart vermengt Elemente sowohl der Kapitale wie der Unziale und der jüngeren römischen Kursive zu etwas Neuem, sie stellt den Beginn der Weiterentwicklung der antiken, lateinischen Großbuchstaben- (Majuskel-) Schrift zu einer Kleinbuchstaben- (Minuskel-) Schrift dar. Der Buchstabe S wird nun sowohl in der zweilinigen Majuskelform wie auch in der dreilinigen Minuskelform des langen ſ verwendet.
Die Karolingische Minuskel-Schrift (9. Jh. – 12. Jh.) lehnt sich an die Nebenformen der Halbunzialen an und wandelt sich unter insularer, italischer und westgotischer Einwirkung zu der sie kennzeichnenden Form. Aufgrund der kulturpolitischen Anstrengungen zu einer Normierung im Fränkischen Reich nimmt sie für den Gesamtablauf der abendländischen Schriftentwicklung eine epochale Stellung ein. Sie ist die Schrift, aus der sich mittelbar sowohl unser lateinisches wie auch unser kurrentes Alphabet entwickelt.
Im einzelnen sind die Buchstaben dieser Schrift dem Vierliniensystem voll angepasst. Der Charakter der Minuskelschrift ist damit vorherrschend. Das Ideal der Karolingischen Minuskel liegt in einem Alphabet ohne Doppelformen. In einigen Schreibschulen kommt das „s“ daher ausschließlich als langes ſ mit Oberlänge vor.
Das runde „s“ für das Wortende kommt allerdings schon im 9. Jahrhundert in einigen Schreibschulen wieder dazu. Es breitet sich in der Folgezeit weiter aus, zunächst gerne hochgestellt, während sein Auftreten in der Wortmitte auf das 12. Jahrhundert verweist. Es ist eine kalligraphische Variante von „ſ“ bzw. vom Großbuchstaben „S“, von dem sich ja auch zuvor das lange ſ entwickelt hatte.
Verschwinden des langen s im Antiquasatz
Die Differenzierung zwischen langem und kurzem s verlor seit dem 18. Jahrhundert im Antiquasatz international an Bedeutung. Das lange s wurde in französischen Texten fast schlagartig mit der Revolution unüblich. Das Pariser astronomische Jahrbuch Connaissance des temps beispielsweise benutzte „ſ“ bis zum Erscheinungsjahr 1792, ab 1793 aber „s“, gleichzeitig änderte sich die Jahreszählung auf den Revolutionskalender und die Widmung der Buchreihe.
Um 1800 wurde zum ersten Mal auch deutschsprachiger Text in größeren Mengen in Antiqua gesetzt (vgl. Antiqua-Fraktur-Streit). Anfangs wurde das lange s uneinheitlich verwendet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich ein gewisser Konsens heraus. Grundsätzlich wurde im Antiquasatz kein langes s verwendet. Die einzige Ausnahme war, dass in Antiqua ſs geschrieben wurde, wo im deutschen Fraktursatz sz (Eszett, ß) geschrieben wurde. So wurde „Wasser“ im Fraktursatz mit zwei langen s geschrieben, im Antiquasatz mit zwei runden. Dagegen wurde „Fluss“ im damaligen Fraktursatz mit ß geschrieben, aber im Antiquasatz als „Fluſs“. Der Duden von 1880 fasste die Regel so zusammen:
Mit der Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung von 1901 wurde statt dieser Zwischenlösung die Verwendung eines ß-Zeichens auch im Antiquasatz vorgeschrieben. Dank einer Initiative[1] der Buchdruckerei- und Schriftgießereibesitzer von 1903 verfügten die meisten Druckereien ab 1904 über geeignete Lettern.
Seitdem entsprach die Verwendung eines langen s im Antiquasatz nicht mehr der gültigen Rechtschreibung. Der in Fraktur gesetzte Duden stellte 1915 klar, dass „die mehrfach versuchte Anwendung eines langen ſ in lateinischer Schrift für das ſ in der deutschen Schrift unzulässig ist.“[2] Die Ausgabe 14 (DDR, Leipzig, 1951) des Dudens ist dagegen in Antiqua mit korrekt gesetztem langen s gehalten.
Langes s und rundes s
Synonyme für Lang-s: Anlaut-s, Inlaut-s, Silbenanfang-s, Schaft-s, Kleines Lang-s, Langes s.
- In anderen Sprachen:
- Englisch: Medial s, Descending s, Long s (Unicode-Bezeichnung: Latin Small Letter Long s).
- Französisch: s long
- Italienisch: s lunga
- Spanisch: s larga
Synonyme für Rund-s: Schluss-s (alte Rechtschreibung: Schluß-s), Auslaut-s, Kurz-s, kurzes s, rundes s, Minuskel-s, Kleinbuchstaben-s.
- In anderen Sprachen
- Englisch: Terminal s, Short s, Final s, Lowercase s, Latin small letter s.
- Französisch: s rond, notre s (unser s)
Verwendung
Im Fraktursatz ist die Verwendung des langen ſ selbstverständlich, im Antiquasatz eher ungewöhnlich.[3] Allerdings werden einzelne Zweideutigkeiten durch eine Unterscheidung von ſ und s in deutschsprachigen Texten verhindert. Dies kommt durch das Zusammenwirken folgender Eigenheiten zustande:
- Viele deutsche Wörter enden mit s, da dieser Buchstabe sowohl als Pluralendung, als auch zur Fall-Kennzeichnung dient
- Das s ist häufig eine Fuge bei der Bildung von Komposita
- Komposita werden im Deutschen zusammengeschrieben
- S (mit Sch, Sp, St) ist in der deutschen Sprache der häufigste Anfangsbuchstabe; Komposita, deren zweiter Wortbestandteil mit S beginnt, sind auf diese Weise schneller erkennbar.
- Ähnliches gilt für Komposita, deren zweiter Bestandteil mit Ch, P oder T beginnt: Hier verführt ein vorausgehendes rundes s gar nicht erst dazu, die Aussprache des s irrtümlich in /sch/ zu ändern (Beispiel: Haus-tür, Häs-chen).
In diesen Fällen ist Aussprache und Bedeutung abhängig davon, ob das s im Auslaut oder im Anlaut steht. Daher kann die Differenzierung zwischen ſ und s für den Leser von besonderem Vorteil sein. Beispiel: Durch Verwendung des langen ſ ist es auch ohne Kontext sofort klar, ob eine Wachſtube (Wach-Stube) oder eine Wachstube (Wachs-Tube) gemeint ist. Weitere Beispiele: Kreiſchen (Krei-schen, für Schreien) oder Kreischen (Kreis-chen, für kleiner Kreis), Verſendung (Ver-sendung) oder Versendung (Vers-Endung), Röschenhof (Rös-chen-hof, von kleine Rose) oder Röſchenhof (Rö-schen-hof, vom Eigennamen Rösch).
Andererseits kann das lange ſ in manchen Schriftarten mit dem f verwechselt werden, wenn die Unterscheidung nur schwach herausgearbeitet ist.
Die Regeln zum langen ſ und runden s sind heute vielfach unbekannt, und ihre Unterscheidung ist mit vielen weit verbreiteten dekorativen aus englischen und US-amerikanischen bestehenden Computerschriften (Fette Fraktur, Blackletter u. a.) und Computerprogrammen nicht ohne weiteres realisierbar. Da insbesondere für Werbezwecke und Drucksachen dennoch auch von typographischen Laien gebrochene Schriften eingesetzt werden, ergeben sich häufig Fehler selbst auf großformatigen Wirtshausschildern, Straßenschildern oder Plakaten. Da die genannten Schriften oft nur das runde s besitzen oder um mögliche Verwechslungen mit dem f zu vermeiden, wird statt eines notwendigen langen s vielfach falsch ein rundes s gesetzt (so zum Beispiel seit 15. November 2004 in der FAZ).[4]
Der Typograph Friedrich Forssman nennt eine Ausnahme: „In gotischen Schriften kann auch generell das runde s verwendet werden, vor allem in fremdsprachigen Anwendungen oder bei Verwechslungsgefahr in Beschriftungen.“[3] Dies ist aber eine persönliche Meinung, der viele typographische Fachleute widersprechen. Allerdings spricht Forssman nicht von den gebrochenen Schriften allgemein, sondern nur von der Untergruppe der gotischen Schriften. Die Verwendung des langen s in gebrochenen Schriften wird damit begründet, dass das runde s für die Wortmitte viel zu breit und wuchtig ist und dafür auch nicht von den Schriftgestaltern entworfen wurde.
Eine Reihe von Firmen haben, soweit sie für ihre Produkte Bezeichnungen in gebrochenen Schriften verwenden, das lange s in den letzten Jahren durch ein rundes s ersetzt, etwa Gilden-Kölsch oder Ostfriesentee. Beibehalten wurde das lange s etwa von Jägermeister, wobei es beim Waidmannsspruch am Etikettenrand im Jahr 2005 ebenfalls entfernt wurde. Auch in der DDR wurden manche Produkte unter gebrochener Schrift verkauft, meist dann mit richtigem langen s. Nach der Wende erlebten die gebrochenen Schriften eine kleine Renaissance. Inzwischen wurde aber auch in Ostdeutschland das lange s oft durch rundes s ersetzt.
Manchmal wird allerdings bei vorhandenem langen s (wahrscheinlich aufgrund einer Art typographischer Hyperkorrektur) auch dort das lange s verwendet, wo ein rundes s stehen müsste.
Regeln zur Verwendung von langem ſ und rundem s
Deutsche Sprache
Das runde s
Das runde „s“ kann nur im Silbenauslaut stehen (zumeist nur direkt am Silbenende als Wort- oder Teilwortschluss-s), niemals am Anfang eines kleingeschriebenen Wortes, Teilwortes oder am Silbenanfang:
- als Wortschluss-s:
-
- z. B.: das Haus, der Kosmos, des Bundes, das Pils, aber im Hauſe, die Häuſer, das Pilſen, im Glaſe, ſkandalös, inſzenieren.
- als Fugen-s und in Zusammensetzungen sonst selbstständiger Teilwörter (vgl. Komposita) vor dem anschließend folgenden sonst selbstständigen Teilwort und am Ende von Vorsilben:
- z. B.: Liebes-brief, Arbeits-amt, Donners-tag, Unter-ſuchungs-ergebnis, Haus-tür, Kreis-ſpar-kaſſe, Dis-poſition, dis-harmoniſch, aber Achtung!: ſſ wird auch bei assimilierten Vorsilben verwendet, z. B. aſſimiliert, natürlich auch dann, wenn das folgende Teilwort mit einem langen ſ beginnt: das-ſelbe, Wirts-ſtube, Aus-ſicht, Namens-ſtempel, Zwangs-ſparen. Aber Achtung!: Diese Regel wird nur dann umgesetzt, wenn dabei s auch tatsächlich am Ende der gesprochenen Silbe steht: so heißt es Miſanthrop (da gesprochen Mi-ſan-throp), trotz der Wortbestandteil-Trennung Miſ-anthrop.
- Am Ende sonst selbstständiger Teilwörter auch dann, wenn nach dem s eine mit dem Mitlaut beginnende Nachsilbe wie -lein, -chen, -bar u. Ä. folgt (jedoch nicht vor Endungen, die aus t und ggf. gemurmeltem e [ə] bestehen):
- z. B.: Wachs-tum, Weis-heit, Häus-lein, Mäus-chen, Bis-tum, nachweis-bar, wohlweis-lich, bos-haft (aber er lieſt, ſie hopſte, das ſechſte, vgl. unten zur Verbindung ſt).
- als Silbenauslaut-s (ohne dass ein [Teil-]Wortschluss vorliegen muss):
-
- z. B. kosmiſch, brüskieren, brüsk, Realismus, lesbiſch, Mesner, häufig tritt dieser Fall auch in Eigennamen auf: Oswald, Dresden, Schleswig, Osnabrück.
- im Silbenauslaut steht jedoch unter bestimmten Bedingungen auch ſ anstelle von s (siehe auch Regeln zum Lang-s weiter unten!).
- Dies liegt daran, dass das ſ auf alle Fälle in der ersten Position der Verbindungen ſſ/ſs, ſt und ſp (und seit 1901 auch in ſz) stehen muss, unabhängig von der Silbenstruktur (z. B. Waſſer, Faſs [neue Rechtschr.], Aſt, du ſtehſt, paſſte [neue Rechtschr.], beſte, knuſpern, Faſzination). Dasselbe gilt auch für ſch, ſz (und andere Buchstabenkombinationen aus anderen Sprachen: ſh usw.), aber nur wenn sie als jeweils ein Laut gesprochen werden (also Digraphen sind; so lässt sich auch der Gebrauch von ſ in der Ligatur ſz in gebrochenen Schriften [für Antiqua-ß] erklären: Fuſz = Fuß, [alte Rechtschr.:] Faſz = Faß); und für ſ vor l, n, r, aber nur wenn dazwischen ein „e“ ausgefallen ist z. B. Buſch, Eſche, Flaſh; Wechſler, Pilſner, unſre, aber: Eschatologie; Zuchthäusler, Oslo, Osnabrück.
- Diese Regel für ſ gilt nicht für Teile zusammengesetzter Wörter und für Vorsilben (Präfixe) (Haustür, Dienstag, Dispoſition, austragen, Miſsſtand [neue Rechtschr.]); ſſ wird aber auch bei assimilierten Vorsilben verwendet, z. B. aſſimiliert.
In allen anderen Fällen muss ſ verwendet werden.
Mit diesen vier Regeln werden die allermeisten Fälle abgedeckt, zur Vervollständigung noch die Regeln des langen ſ:
Das lange ſ
Das lange „ſ“ steht immer im Silbenanlaut, nur unter bestimmten Bedingungen auch im Silbenauslaut (anstelle von rundem „s“).
Im Einzelnen gilt:
„ſ“ steht …
- immer am Beginn einer Silbe und vor dem Selbstlaut in der Silbenmitte (also generell im Silbenanlaut):
- z. B. ſauſen, einſpielen, ausſpielen, erſtaunen, Pſyche, Gſtaad, so auch im Anlaut der Nachsilben -ſel, -ſal, -ſam: z. B. Rätſel, Labſal, ſeltſam. Diese Regel, die auf die gesprochenen Silben eines Wortes bezogen ist, gilt selbst dann, wenn die grafische Silbentrennung eine andere ist: Miſanthrop (trotz Miſ-anthrop), vgl. z. B. auch die folgenden Fälle.
- in den Lautverbindungen ſp, ſt und ſz (auch in gebeugten Wortformen vor Endungen auf t und ggf. gemurmeltem e [ə]; auch wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht!):
- z. B. Eſpe, Knoſpe, Weſpe, faſten, Kiſte, Pfoſten, faſzinierend, Oſzillograph; Haſt, Luſt, Neſt, einſt, meiſtens, beſte, lieſt, hopſte, paſſte [neue Rechtschr.], ſechſte.
- in Buchstabenverbindungen, die einen Laut darstellen, also in Digraphen (auch beim doppelt dargestellten Mitlaut ſſ/ſs, auch wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht!):
- z. B. Wunſch, wünſchen, Flaſh, Puſzta, Waſſer, Biſſen, Zeugniſſe, Faſs [neue Rechtschr.], [auch bei assimilierten Vorsilben]: aſ-ſimiliert, Aſ-ſeſſor.
- in den Lautverbindungen ſl, ſn und ſr, wenn ein unbetontes, gemurmeltes e ausgefallen ist (auch wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht!):
- z. B. unſre, Pilſner, Wechſler.
- Bei Silbentrennung bleibt ein „ſ“ am Silbenende unverändert:
- z. B. Weſpe – Weſ-pe, Waſ-ſer, unſ-re.
In allen anderen Fällen wird fast immer rundes s gebraucht (generell ist s nur im Silbenauslaut möglich, z. B. Haus, Eislauf, lesbar, kosmiſch, brüsk, Transport, vgl. oben).
Siehe auch: Deutsche Rechtschreibung im 19. Jahrhundert,
Die nordischen Sprachen
In den nordischen Sprachen Dänisch, Norwegisch und Schwedisch ist ein einfaches s am Anfang oder in der Mitte eines Wortes ein ſ, am Ende ein s; Doppel-s am Anfang eines Wortes ist ſſ, innerhalb eines Wortes immer sſ und am Ende eines Wortes ſs:
- z. B. Jonasſon, ſnärliger, Adresſeaviſen, Moſs Avis.
Die niederländische Sprache
Die niederländische Sprache verwandte das lange s ebenso wie die deutsche Sprache nach Wortbestandteilen, z. B. rechtsgeleerden, godsdienſten, misverſtants.
Die englische Sprache
Die englischen Sprache verwendet das lange s eher nach graphischen als nach semantischen Gesichtspunkten. Es gelten folgende Regeln:
- Am Ende eines Wortes und vor einem Apostroph wird rundes s gebraucht: is.
- Vor und nach einem f wird rundes s gebraucht, z. B. offset, satisfaction.
- Vor einem Bindestrich am Zeilenende steht immer langes ſ, z. B. Shaftſ-bury.
- Im 17. Jh. wurde s vor k und b zu rundem s, z. B. ask, husband; im 18. Jh. hingegen schrieb man aſk und huſband.
- Sonst wird langes ſ verwendet, z. B. ſong, ſubſtitute.
- ss im Inneren eines Wortes wird in kursivem Text zu ſs, z. B. aſsure, Bleſsings, aber: aſſure.
Siehe auch: Fraktursatz
Die französische Sprache
Auch hier ist der Gebrauch von langem und rundem s graphisch bestimmt:
- Am Ende eines Wortes, vor einem Apostroph oder Bindestrich sowie vor einem der Buchstaben f, b und h steht rundes s: ſans, hommes, s'est, presbyter, ſatisfaction, déshonneur. Sonst steht langes ſ.
Die italienische Sprache
Das runde s steht vor
- Vokalen mit Akzent, z. B. sì, paſsò
- einem Apostroph: s'informaſſero
- vor b und f
- und natürlich am Ende eines Wortes.
Sonst steht langes ſ.
Die spanische Sprache
Das runde s steht in folgenden Fällen:
- vor einem Vokal mit Akzent: sí, sì.
- nach einem langen ſ vor einem i: illuſtriſsimo.
- vor b, f und h
- am Wortende.
Sonst steht langes ſ.
Die lateinische Sprache
In der lateinischen Sprache wird unabhängig von Wortbestandteilen in der Mitte des Wortes ein langes ſ verwendet, z. B. nobiſcum, am Ende eines Wortes hingegen s: properas.
Die finnische Sprache
In der finnischen Sprache werden die s-Formen rein phonetisch verwendet, wobei das s am Silbenende steht, das ſ am Silbenanlaut und -inlaut: Hämeesſä, tilustan, oſakſi
Mathematik
∫Das Integralzeichen, von Gottfried Wilhelm Leibniz eingeführt, leitet sich ebenfalls aus dem langen s für lateinisch summa ab.
Darstellung in Computersystemen und Ersetzung
Kodierung
Im internationalen Zeichenkodierungssystem Unicode ist ſ im Unicode-Block Lateinisch, erweitert-A zu finden und liegt auf Position U+017F ›Latin small letter long s‹ (Lateinischer Kleinbuchstabe langes s). Im ASCII-Zeichensatz und in den Zeichensätzen der Normenfamilie ISO 8859 ist das Zeichen nicht enthalten,[5] weshalb viele ältere Computersysteme es nicht darstellen konnten.
Im Internet-Dokumentenformat HTML wird das Zeichen folgendermaßen kodiert:
ſ
(hexadezimal) undſ
(dezimal).
Anbieter von gebrochenen Schriften für PCs haben als Übergangslösung das lange s an anderen Stellen kodiert. Leider verwenden sie unterschiedliche Kodierungen, so dass die Hilfsprogramme und Tastaturtreiber der einzelnen Anbieter untereinander nicht kompatibel sind.
Tastatur
Das »ſ« ist bis auf die Neo-Tastaturbelegung (dort kann es über <Mod3> + ß erreicht werden) nicht auf Tastaturen vorhanden. Ansonsten kann es je nach Schriftart durch die Tastenkombination <Alt Gr> + <ß> (normal für backslash „\“) erreicht werden.
In Windows hält man die linke Alt-Taste fest, tippt rechts im Ziffernblock 383 ein, lässt die Alt-Taste wieder los und hat das ſ.
Die nach Unicode korrekte Darstellung kann auf X11-basierten Systemen (wie Linux oder Unix-Systemen mit graphischer Oberfläche) wie folgt erreicht werden:
# xmodmap -e "keycode 39 = s S U017F section U017F section"
danach kann man mit <Alt Gr> + s das ſ schreiben. Damit verschwindet das eigentlich doppelt belegte ß. Um es stattdessen auf <Alt Gr> + <Umschalt> + s zu legen, tauscht man einfach "U017F" mit "section". Durch einen Eintrag in der ~/.xmodmaprc wird die Einstellung beim Systemstart eingeladen.
Ersetzung
Kann das Zeichen nicht dargestellt werden, weil es in der verwendeten Schriftart oder dem Zeichensatz fehlt, so sollte es durch das normale Schluss-s ›s‹ ersetzt werden.
Da allerdings praktisch alle modernen Computersysteme und -schriften auf Unicode basieren, kann das Zeichen heutzutage problemlos weltweit dargestellt, verarbeitet, übertragen und archiviert werden. Eine Ersetzung aus technischen Gründen ist deshalb kaum noch nötig. Auch wenn die verwendete Tastatur das Zeichen nicht aufweist, kann es praktisch immer über eine entsprechende Funktion des Betriebssystems oder des jeweiligen Texteditors eingefügt werden.
Schriftsatz
Schriftsatz mit langem s ist vergleichsweise komfortabel möglich mit LaTeX sowie mit XeTeX sowie mit vielen Programmen, die OpenType- und AAT-Schriften unterstützen.
Anwendungsbeispiele
Universität Tübingen, 2004. Druckschrift in gebrochener Schrift mit Lang- und Rund-s.
Berlin-Neukölln. Lang-s in einer gebrochenen Schrift (Gotische Schrift, Textur).
Städtisches Kinderheim in Esslingen am Neckar in spitzer Schreibschrift (Deutsche Kurrentschrift) mit Lang-s beim »sch« (2006).
Die Erstausgabe von John Miltons: „Paradise Lost“ (1667).
Ein Lang-s wurde auch im Wort „Congress“ in den „Bill of Rights“ (1788) der USA benutzt.
Martin Luthers 95 Thesen (Wittenberg 1522) in Antiqua mit langem s.
Beispiele für fehlerhafte Verwendung
Berlin 2005 – in „ſt“ und „ſch“ konnte sich „ſ“ länger halten. Hier aber falsch verwendetes Rund-s am Wortanfang bei „selbſt“. Schild mit Lang-s im Antiquasatz.
Fehlerhafte Verwendung des Lang-s am Silbenende auf einem Straßenschild in Freiberg (Sachsen) in Frakturschrift.
ſs
„Claſsen“ statt „Claßen“. Kurios und damit leicht verwechselbar in dieser lateinischen Schreibschrift ist die Verwendung von ſs für ß und auch die Ähnlichkeit des ſ mit dem kleinen h wie es in derselben Form in der spitzen Kurrentschrift verwendet wird. Köln Juli 2005
Nicht falsch, weil hier das ß aus langem und rundem-s durch enges Zusammenrücken erreicht werden sollte. Besser wäre jedoch die Verwendung des ß gewesen, dieses war aber vielleicht nicht vorhanden. (Pirna 2004)
"Maſsatelier" (in Berlin, Kurfürstendamm, 2009)
Zeitungsnamen mit langem s
Zeitungsköpfe in gebrochenen Schriften, die das lange s entsprechend der Regeln des Fraktursatzes anwenden:
- Adresseavisen Norwegische Zeitung
- Aftenposten Norwegische Zeitung
- Bayerische Rundschau (Kulmbach)
- Cellesche Zeitung
- Dithmarscher Landeszeitung
- Düsseldorfer Nachrichten (Westdeutsche Zeitung)
- Goslarsche Zeitung
- Idsteiner Zeitung (Wiesbadener Tagblatt – Rhein Main Presse)
- Hannoversche Allgemeine Zeitung
- Kölnische Rundschau
- Kreiszeitung Wesermarsch
- Lippische Landes-Zeitung
- Maschseebote (Mitteilungsblatt bei Hannover)
- Märkische Oderzeitung (Frankfurt/Oder)
- Münsterländische Tageszeitung (Cloppenburg)
- Neue Rheinische Zeitung (Internetzeitung)
- Oberhessische Presse (Marburg)
- Oldenburgische Volkszeitung
- Ostfriesen-Zeitung (Leer)
- Ostfriesischer Kurier (Norden)
- Schwäbische Zeitung (Leutkirch im Allgäu)
- Traunsteiner Tagblatt
- Westfälische Nachrichten (Münster)
Produktnamen mit langem s
Logos in gebrochenen Schriften mit ungewöhnlicher Verwendung des langen s:
- Dingslebener Brauerei (mit langem s statt rundem S an Silbenende)
- Fürstenberg Brauerei (inzwischen auf Rund-s umgestellt)
- Fürsteneck Schwarzwälder Kirschwasser (Fürsteneck mit richtigem Lang-s, Kirschwasser mit drei falschen Rund-s)
- Gilden Kölsch (inzwischen auf Rund-s umgestellt)
Logos in gebrochenen Schriften mit regelkonformer Verwendung des langen s:
- Eschweger Klosterbräu
- Gilde-Pilsener
- Hasseröder Brauerei
- Jägermeister (Kräuterlikör)
- Kurfürsten Kölsch (Bier)
- Kurfürsten Maximilian Kölsch (Bier)
- Neuzeller Kloster-Bräu
- Staufenpost (Briefpapier)
- Warsteiner Brauerei
Langes s findet sich in ferner in gebrochenen Schriften auf Etiketten von:
- Mariacron (Weinbrand)
Fußnoten
- ↑ Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker, Steindrucker und verwandte Gewerbe. Leipzig, 9. Juli 1903. Nr. 27, XV. Jahrgang. Faksimile in: Mark Jamra: The Eszett (ohne Datum) http://www.typeculture.com/academic_resource/articles_essays/ (Abgerufen 17. April 2008)
- ↑ J. E. Wülfing, A. C. Schmidt (Hrsg.): Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter nach den für Deutschland, Österreich und die Schweiz gültigen amtlichen Regeln. 9. Auflage. Bibl. Inst., Leipzig und Wien, 1915 (Gesetzt in Fraktur)
- ↑ a b F. Forssman, R. de Jong: Detailtypografie. 2. Auflage. Hermann Schmidt, Mainz, 2004.
- ↑ Seit Anfang Oktober 2007 ganz auf Antiqua-Schrift umgestellt (außer dem Titel).
- ↑ Text: Unicode-Werte der 8859-Zeichensätze
Siehe auch
Weblinks
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