Lignocellulose-Ethanol

Lignocellulose-Ethanol
Cellulose-Ethanol
Andere Namen

Bio-Ethanol zweiter Generation

Kurzbeschreibung Ottokraftstoff für angepasste Motoren
Herkunft

biosynthetisch[1]

Charakteristische Bestandteile

Ethanol (wasserhaltig)

Eigenschaften
Aggregatzustand flüssig
Oktanzahl

ca. 104 ROZ

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Ethanol, der aus pflanzlichen Abfällen hergestellt wird, wird als Cellulose-Ethanol (Ceetol) oder Lignocellulose-Ethanol bezeichnet. Wie der herkömmliche Ethanol-Kraftstoff ist er ein Ottokraftstoff, der durch Vergärung von pflanzlichen Abfallstoffen gewonnen werden kann (Bio-Ethanol). Die Herstellung von Lignocellulose-Ethanol-Prozessen befindet sich allerdings noch in der Entwicklung und wurde bislang nur im Testmaßstab realisiert.

Inhaltsverzeichnis

Bioethanol aus pflanzlicher Biomasse

Bioethanol ist Alkohol, der durch Fermentation aus Zuckern mit Hilfe von Mikroorganismen gewonnen wird. Im Allgemeinen wird dazu die Hefe mit dem wissenschaftlichen Namen Saccharomyces cerevisiae eingesetzt. Die Zucker stammen aus Pflanzen, die durch den Prozess der Photosynthese die Energie des Sonnenlichtes ausnutzen, um aus Kohlendioxid (CO2) ihre organischen Bestandteile aufzubauen. Die Zucker können in Form von Stärke (z. B. Getreidekorn, Kartoffel) oder Saccharose (z. B. Zuckerrübe, Zuckerrohr) gespeichert werden, oder sie werden in Strukturbestandteile (z. B. Cellulose) umgewandelt, die der Pflanze ihre Form und Stabilität verleihen. Gegenwärtig wird Bioethanol vornehmlich durch Vergärung von Saccharose (brasilianisches Zuckerrohr) oder Stärkehydrolysaten (Mais, Getreide) gewonnen. Nach Destillation und Trocknung kann das Ethanol als Kraftstoff eingesetzt werden. Diese Art der Herstellung erzeugt jedoch eine Konkurrenzsituation zum Lebensmittelmarkt. Darüber hinaus stehen die nur begrenzten Anbauflächen und die ökologischen Probleme bei der notwendigen Intensivierung der Landwirtschaft einer großflächigen Produktion von auf Stärke basierendem Ethanol entgegen. Angestrebt wird daher zunehmend die Nutzung von kostengünstigen pflanzlichen Reststoffen wie Stroh, Holzresten und Landschaftspflegegut oder von Energiepflanzen wie Rutenhirse[2] (auch Switchgrass, Panicum virgatum) oder Miscanthus, die keiner intensiven landwirtschaftlichen Bewirtschaftung bedürfen und auch auf minderwertigen Böden wachsen.

Zusammensetzung der pflanzlichen Biomasse

Pflanzenreste oder Energiepflanzen besitzen nur wenig Stärke oder Saccharose, sondern enthalten Zucker in Form von Lignocellulosen in ihren Zellwänden eingelagert. Lignocellulosen bestehen aus Cellulose, Hemicellulosen und dem nicht fermentierbaren Lignin („Holzstoff“). Cellulose ist wie die Stärke ein Polymer aus Zuckermolekülen mit sechs Kohlenstoffatomen, der Glucose, die zu langen Ketten miteinander verknüpft sind. Beide unterscheiden sich nur in der Art der Verknüpfungen. Hemicellulosen bestehen zum größten Teil aus Zuckern mit fünf Kohlenstoffatomen, Xylose und Arabinose, die in verzweigten Ketten aneinandergelagert werden.

Überblick über den Cellulose-Ethanol (Ceetol)-Produktionsprozess

Um aus Lignocellulose Bioethanol herstellen zu können, müssen zunächst die Cellulose und die Hemicellulosen in die einzelnen Zucker gespalten werden. Das geschieht mit Säuren und speziellen Enzymen. Danach müssen die Hefen das Gemisch aus Glucose, Xylose und Arabinose zu Ethanol fermentieren. Die Fermentation, Destillation und Trocknung geschieht analog zum klassischen Ethanol-Kraftstoff-Prozess.

Vorbehandlung und Verzuckerung des Pflanzenmaterials

Trotz der großen Ähnlichkeiten in der Stärke- und Lignocellulose-Fermentation weist die letztere einige Schwierigkeiten auf. Zunächst muss die Lignocellulose verflüssigt und verzuckert werden. Dieses ist deutlich schwieriger als bei der Stärke, da die Zuckerketten nur schwer zugänglich sind. Das Pflanzenmaterial muss deshalb zunächst chemisch oder thermisch vorbehandelt werden. Erst dann kann die Verzuckerung mit Hilfe von speziellen Enzymen (Cellulasen, Xylanasen, Glucosidasen) geschehen, die analog den Amylasen bei der Stärke die Celluloseketten in Glucose spalten. Diese Enzyme werden aus Pilzen gewonnen, die in der Natur an der Verrottung von Pflanzenresten beteiligt sind. Da wesentlich mehr Enzyme als bei der Stärkeverzuckerung benötigt werden, führt dies zu erhöhten Kosten. Forschungsanstrengungen haben hier in den letzten Jahren jedoch zu einer deutlichen Kostenreduzierung geführt.

Vergärung des Zuckergemisches aus Hexosen und Pentosen

Der zweite wesentliche Unterschied liegt darin, dass in der Lignocellulose nicht wie in der Stärke nur Glucose als Zuckerbaustein vorhanden ist, sondern auch andere Zucker wie Xylose und Arabinose (= C5-Zucker oder Pentosen). Diese können jedoch von den zur Ethanolproduktion verwendeten Hefen nicht genutzt werden. Es müssen also speziell gezüchtete Hefen eingesetzt werden, die neben der Glucose auch die anderen Zucker zu Ethanol vergären können.

In der traditionellen Ethanol-Kraftstoff-Produktion werden ausschließlich Hefen vom Typ Saccharomyces eingesetzt. Das sind die gleichen Hefen, die auch zur Herstellung von Brot, Bier und Wein dienen. Hefen haben gegenüber Bakterien den Vorteil, dass ihre Handhabung in industriellen Prozessen schon seit Jahrhunderten etabliert ist. Darüber hinaus sind sie auch wesentlich widerstandsfähiger und robuster. Aus diesem Grunde bieten sie sich hervorragend für die Produktion von Ethanol aus Lignocellulose an. Ihr großer Nachteil ist jedoch, dass sie nur die C6-Zucker (=Hexosen) aber nicht die C5-Zucker (=Pentosen) vergären können.

Verschiedene Forschergruppen aus Europa und den USA haben in den letzten Jahren Hefestämme züchten können, die auch C5-Zucker zu Ethanol vergären. Aus dem Erbmaterial der Hefe lässt sich ablesen, dass diese früher einmal in der Lage war, C5-Zucker zu verwerten. Sie hat diese Eigenschaft allerdings im Laufe ihrer Evolution wieder verloren. Mit Hilfe moderner biologischer Verfahren gelang es jedoch, den Hefezellen diese Eigenschaft wieder zu verleihen bzw. sie sogar deutlich zu verbessern. Dazu wurde ihnen gezielt das entsprechende Erbmaterial aus anderen Hefen, Pilzen und Bakterien angeboten. Solch ein so genannter horizontaler Gentransfer ist in der Natur ein normaler Prozess, und hat über die Jahrmillionen zu der Vielfalt an Organismen geführt, die heute bekannt sind. Auch die Hefezellen besitzen von Natur aus Erbmaterial, das sie im Laufe ihrer Entwicklung von anderen Organismen erworben haben. Im Falle der C5-Zucker vergärenden Hefen konnte dieser Prozess nun in einer deutlich verkürzten Zeit nachgestellt werden. Dabei sind Hefezellen entstanden, die sowohl C6- als auch C5-Zucker vergären können.

Im Falle des C5-Zuckers Xylose wurden dazu zwei verschiedene Strategien angewandt. Wissenschaftler der Universität Lund in Schweden nutzten einen Zweischritt-Mechanismus (Xylose-Reductase/Xylitol-Dehydrogenase aus der Hefe Pichia stipitis) aus, um Xylose in den Stoffwechsel der Saccharomyces-Hefen einzuschleusen. Wissenschaftler der Universität Frankfurt und solche der Technischen Universität Delft aus den Niederlanden konnten kürzlich aber auch erfolgreich Hefen züchten, die Xylose direkt in einem Schritt mit Hilfe des Enzyms Xylose-Isomerase in ihren Stoffwechsel integrieren und zu Ethanol vergären können. Dabei nutzen die Delfter Wissenschaftler eine eukaryotische Xylose-Isomerase wohingegen die Frankfurter Wissenschaftler eine bakterielle Xylose-Isomerase verwenden, die den Vorteil hat, weniger stark durch den Inhibitor Xylitol gehemmt zu werden.

Im Falle des C5-Zuckers Arabinose stellte sich der häufig in Pilzen zu findende 5-stufige Abbauweg in den Saccharomyces-Hefen als wenig geeignet heraus. Dagegen konnte an der Universität Frankfurt erfolgreich ein 3-stufiger Stoffwechselweg etabliert werden, der sonst nur in Bakterien zu finden ist. Integrierte man diesen Stoffwechselweg in die Hefen und zwang sie dann mehrere Monate lang, Arabinose als einzige Energiequelle zu nutzen, dann entwickelten sich tatsächlich Hefestämme, die neben der Glucose auch Arabinose vergären konnten. Zusammen mit den Forschern der Universität Lund wurde dann eine Hefe gezüchtet, die alle Zucker, also Glucose, Xylose und Arabinose zu Ethanol vergären kann.

Fermentationsinhibitoren

Ein dritter Unterschied zwischen dem klassischen Ethanol-Kraftstoff-Prozess und Cellulose-Ethanol sind toxische Stoffe, die bei der chemischen und thermischen Vorbehandlung des Pflanzenmaterials entstehen (z. B. Furfurale). Diese Inhibitoren schädigen die bei der Fermentation eingesetzten Mikroorganismen. Sie müssen deshalb vor der Fermentation entfernt werden, was jedoch zusätzliche Kosten verursacht. Ein Ausweg ist es, Inhibitor-tolerante Hefen einzusetzen.

Logistik

Ein vierter wesentlicher Unterschied ist das niedrigere Raumgewicht von Pflanzenabfällen, d. h. die niedrigere Energiedichte gegenüber Getreide- oder Maiskörnern. Dieses bedeutet erhöhte Transportkosten und einen erhöhten Lagerraumbedarf. Dieses Problem könnte jedoch durch effizientere Presstechniken, den Transport von bereits zerkleinertem Material und kleineren, dezentralen Produktionsanlagen gelöst werden.

Wirtschaftliche Betrachtung

Die Umsetzung aller Zucker kann die Wirtschaftlichkeit der Vergärung von pflanzlicher Biomasse erheblich verbessern. Stroh enthält etwa 32 % Glucose, 19 % Xylose und 2,4% Arabinose. In 1 t Stroh sind also 320 kg Glucose enthalten. Bei einer vollständigen Vergärung entstehen daraus etwa 160 kg Ethanol, was einem Volumen von 200 l entspricht. Die vollständige Vergärung des Pentosezuckers Xylose ergibt entsprechend zusätzliche 124 l Ethanol pro Tonne Stroh.

Prozessentwicklung und Implementierung

Als nächstem Schritt gilt es nun, die im Labor erzielten Erfolge für den industriellen Einsatz weiterzuentwickeln. Die verschiedenen Schritte des Prozesses müssen in industrielle Maßstäbe überführt und implementiert werden. Ebenso müssen die entwickelten Hefestämme an die industriellen Bedingungen adaptiert werden. Die im Laboralltag benutzten Hefestämme sind zwar sehr gut geeignet, die verschiedenen Vergärungsstrategien zu erforschen, sie sind jedoch meist für industrielle Anwendungen weniger brauchbar. Zum einen sind die Laborhefen nicht stabil genug und verlieren ihre erworbenen Fähigkeiten sehr schnell wieder, zum anderen sind sie zu empfindlich gegenüber toxischen Substanzen (Furfuralen), die bei der chemischen Vorbehandlung des Pflanzenmaterials entstehen.

Ausblick

Alle wesentlichen Voraussetzungen für einen Lignocellulose-Ethanol-Prozess sind vorhanden. Nun gilt es nur noch, diese Forschungsergebnisse in die grosstechnische Produktion umzusetzen. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) hat in einer Studie die Kosten für Lignocellulose-Ethanol aus Abfallstroh auf etwa 60 Cent pro Liter geschätzt. Das ist nur wenig mehr als die Kosten für Stärke-Ethanol. Außerdem sind es nur Schätzungen, da es noch keine industrielle Produktion gibt. Ebenso sind darin keine steuerlichen Vergünstigungen, Fördermittel und sonstigen Subventionen berücksichtigt. Die wahren Kosten wird erst die erste kommerziell betriebene Anlage zeigen. Die größten Kosten werden immer noch durch die Enzyme zur Celluloseverzuckerung verursacht. Enzymhersteller verweisen jedoch darauf, dass es bereits kostengünstige Prozesse für effektivere Enzyme gibt, es aber nicht lohnt, sie zu produzieren, weil keine Nachfrage da ist. Erst wenn die ersten kommerziellen Anlagen laufen, wird die Nachfrage steigen und die Enzyme werden billiger werden. Erst dann wird man auch sehen, wie sich die neu gezüchteten Hefen unter diesen Bedingungen verhalten. Auch wenn vielleicht die C5-Zuckervergärung zunächst noch nicht optimal verläuft, so können alle Hefen die C6-Zucker bereits vollständig vergären. Und sobald verbesserte, kostengünstige Enzyme und Hefen da sind, lassen sich diese in jeder Anlage jederzeit problemlos austauschen. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es bereits einige Firmen, die kurz vor der Kommerzialisierung von Cellulose-Ethanol-Prozessen stehen.[3]. Langfristig wird jedoch auch Cellulose-Ethanol nur eine Übergangslösung darstellen. Die Biokraftstoffe der 3. Generation, wie z.B. Biobutanol zeigen deutlich bessere Eigenschaftem, allerdings aber auch nur dann, wenn sie aus Lignocellulose gewonnen werden.[4].

Quellen

  1. Biokraftstoff
  2. M. R. Schmer, K. P. Vogel, R. B. Mitchell, and R. K. Perrin: Net energy of cellulosic ethanol from switchgrass. In: PNAS. 105, Nr. 2, 2008, S. 464-469. doi:10.1073/pnas.0704767105 und deutsche Zusammenfassung
  3. http://www.investincellulosicethanol.com/
  4. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,572186,00.html

Weblinks


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