Lommi

Lommi
Kneipenschild bei „Lommi“

Das Lommerzheim ist eine Gaststätte in Köln-Deutz, die in ihrer ursprünglichen Form von 1959 bis Silvester 2004 von den Wirtsleuten Hans und Annemie Lommerzheim betrieben wurde. Die skurrile Gaststätte genoss unter Einheimischen und Touristen einen Kultstatus als „kölscheste aller Kölschkneipen“. Nach mehrjährigem Leerstand wurde das Lokal unter Erhaltung des typischen Flairs der alten Gaststätte renoviert und im März 2008 wieder eröffnet.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Der Kult um den ursprünglichen „Lommerzheim“ war begründet in seiner sehr eigentümlichen und anachronistisch-beständigen Atmosphäre: Über 45 Betriebsjahre bestand die kölsche Institution im gleichen, baufällig anmutenden, außen verwahrlosten und innen nie renovierten Gebäude, geführt von einem wortkargen Wirt und seiner Frau mit einem immer gleichen überschaubaren wie deftigen Speisen- und Getränkeangebot. Der Zuspruch der Gäste zeigte sich in der täglichen Überfüllung der engen Schankstube und in der Menschentraube, die jeden Tag zur Öffnungszeit auf den Einlass wartete.

Der Wirt Hans Lommerzheim (* 17. September 1930; † 28. Juni 2005), auch „Lommi“ genannt, war früher Köbes im Päffgen-Brauhaus, das als Hausbrauerei nur für den eigenen Bedarf produzierte. Ausgestattet mit der damals ersten und heute noch seltenen Erlaubnis des Brauers, außerhalb des Brauhauses sein Kölsch auszuschenken, eröffnete er in der Deutzer Siegesstraße 1959 seine eigene Gaststätte. Diese übernahm er gemeinsam mit seiner Frau Annemie von seinen Eltern, die in dem Haus bereits seit 1945 eine Gastwirtschaft betrieben.

Gebäude

Das Obergeschoss

Das Gebäude der Kneipe besaß keinen Dachstuhl und der Putz blätterte ab. Die erste Etage mit ihren vier Fenstern war unbewohnt und mit der Leuchtreklame „Dortmunder Actien–Bier“ versehen - diese Biermarke war allerdings zu Lommerzheims Zeiten nicht mehr im Ausschank. Über den hölzernen Wirtshausfenstern im Erdgeschoss, die in den Jahrzehnten ihrer Existenz offenbar nie einen neuen Anstrich erhalten hatten, stand in verwitterten Blechbuchstaben schlicht „Gaststätte“.

Die Schankstube hinter der sich nach innen öffnenden Tür hatte nikotingebräunte Tapeten, teils war sie mit braunem Holz vertäfelt. Es gab wenige einfache Tische und einige Plätze an der Theke. Die Einrichtung war weitgehend die gleiche wie bei der Eröffnung der Gaststätte: Erneuerungen oder Renovierungen wurden nie durchgeführt. Lediglich Schäden waren behoben worden und defekte Möbelstücke wurden ausgetauscht; auch besaß die Küche eine zeitgemäße Ausstattung. Wie es zur Gründungszeit der Kneipe verbreitet war, befanden sich die sehr schlicht ausgestatteten Toiletten in einem nur über den Hinterhof zu erreichenden Anbau. In einem Schuppen neben den Toiletten wurden die täglich frisch angelieferten 30 l– Holzfässer mit Kölsch gelagert und von dort in den Schankraum gerollt.

Bewirtung

Schanktheke nach der Wiedereröffnung des Lokals mit originaler Thekenlampe

Die sich in der jahrzehntelangen Beibehaltung der Inneneinrichtung offenbarende Ignoranz gegenüber Fortschritt und Zeitgeist zeigte sich auch in der Bewirtschaftung der Gaststätte: Eine Zapfanlage fehlte ebenso wie eine Registrierkasse oder eine Musikanlage zur Beschallung der Schankstube. Wo Stühle zum Sitzen nicht ausreichten, griffen Gäste zu Getränkekisten, die mit einem Telefonbuch als Auflage zu Hockern umfunktioniert wurden oder man blieb einfach stehen.

Lommerzheim selbst rollte die Holzfässer, aus denen das Kölsch mit einem Messinghahn gezapft wurde, hinein und trug die leeren Fässer danach in den Hinterhof. Es gab keine Kellner, Annemie Lommerzheim zapfte, während ihr Mann den Bierkranz mit Kölner Stangen in stoischer Ruhe durch die meist überfüllte Schankstube transportierte. Dabei nahm er beim Bier keine Bestellungen an, sondern brachte es dorthin, wo es benötigt wurde. Wie im Brauhaus üblich, geschah dies so lange, bis der Gast einen Bierdeckel auf sein Glas legte. Obwohl seltener gefragt, hatte Lommerzheim außer Kölsch noch zwei Weinsorten, Softdrinks und einige Spirituosen im Sortiment. Warme Getränke gab es nicht.

Die Speisenkarte war ebenfalls beständig, kölsch-rustikal und überschaubar: Es gab sehr dicke Koteletts, Halven Hahn, Bratwurst, Knoblauchwurst und donnerstags und freitags Hämmchen.

Erfolg

Das Lommerzheim hatte, außer dienstags, täglich von 10:30 Uhr bis 14:00 Uhr und 16:30 Uhr bis ca. 24:00 Uhr geöffnet. Vor allem am Nachmittag bildete sich vor der Tür täglich eine Schlange zur Öffnungszeit, und das Lokal war allabendlich bis auf den letzten Stehplatz besetzt. Tischreservierungen gab es nicht. Den Grund für den Erfolg dieser einfachen, anachronistisch anmutenden Institution sehen viele das Lommerzheim beschreibende Autoren nicht nur im preiswerten und ordentlichen Speise- und Getränkeangebot oder in der als angenehm und gemütlich empfundenen ungezwungenen Atmosphäre. Vielmehr habe das seit Jahrzehnten beinahe unveränderte Lokal eine Art Insel im Zeitenwandel gebildet, auf der man die enormen Unterschiede zwischen den 1950er und den 1990er Jahren kurzzeitig ausblenden konnte - die Sehnsucht nach Beständigkeit, Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit wurde befriedigt. Im generationsübergreifenden Publikum fanden sich Deutzer und Kölner Stammgäste, unregelmäßige Besucher aus Köln und dem Umland sowie internationale Touristen und Messegäste, die durch die Empfehlung der skurrilen Gaststätte in ihrer Reiseliteratur angezogen wurden.

Hans Lommerzheim wird als sehr wortkarg aber schlagfertig beschrieben - zahlreiche Anekdoten über ihn sind überliefert, inzwischen wird er als Kölsches Original bezeichnet. Als anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels 1999 in Köln Bill Clinton eine authentische Kölschkneipe besuchen wollte, fragten seine Begleiter bei Lommerzheim an - allerdings hätte man die Gaststätte aus Sicherheitsgründen für den Publikumsverkehr sperren müssen. „Nä, dat jeiht nit!“ soll Lommerzheim gesagt haben - dann müssten ja die Stammgäste draußen bleiben. Clinton kehrte schließlich im deutlich größeren Brauhaus Malzmühle ein.[1]

Ende

Umbauarbeiten im August 2007

Aus gesundheitlichen Gründen schloss der schon 74-Jährige am 31. Dezember 2004 seine Gaststätte. Das Rheinische Freilichtmuseum bemühte sich um die Erlaubnis, das gesamte Gebäude samt Inneneinrichtung ab- und auf dem Museumsgelände wieder aufzubauen; das Kölnische Stadtmuseum wollte lediglich das Inventar ausbauen und konservieren. Lommerzheim sagte beide Angebote ab.[2] Ein halbes Jahr später verstarb er während einer Urlaubsreise.

Wiedereröffnung und Andenken an Hans Lommerzheim

Die Kölner Brauerei Päffgen hat das Haus von der Witwe Lommerzheims aufgekauft und renovierte das historische Lokal, ohne seine Atmosphäre zu verändern.

Nach der behutsamen Renovierung und Erweiterung in den bis dato unbekannten Gewölbekeller wurde die Gaststätte am 13. März 2008 im Beisein von Annemie Lommerzheim, dem jetzigen Besitzer Rudolf Päffgen unter dem neuen Wirt Frank Glitscher wiedereröffnet. In der Tradition von 1959 wurde das erste Kölschfass mit dem Fahrrad zur Kneipe transportiert, nur diesmal vom Brauer Rudolf Päffgen. [3][4]

Im Jahre 2005 wurde ein Verein gegründet, der Hans Lommerzheim ein Denkmal errichten will.[5] Ein Gedeck (Riesenteller, Besteck, Senftöpfchen und ein abgenagter Knochen von den dort servierten Koteletts) aus der Kultkneipe, vom nachmaligen Vereinsvorsitzenden am letzten Öffnungstag entwendet, wurde von der rechtmäßigen Besitzerin Annemie Lommerzheim dem Kölnischen Stadtmuseum geschenkt, das dieses historische Gedeck einer speziellen Kölner Gaststättenkultur ausstellen will.[6]

Einzelnachweise

  1. „Willkommen,/Bill Clinton - Wie der amerikanische Präsident die Herzen der Kölner erobert hat“ − Süddeutsche Zeitung vom 19. Juni 1999, „ Stammgäste haben sogar Vorrang vor Clinton“ – Kölnische Rundschau vom 25. Oktober 2004
  2. „Museum will die ganze Kneipe samt Fassade“ - Kölner Stadt-Anzeiger vom 24. Februar 2005
  3. „Das Ende der Durst-Strecke“, Onlineausgabe Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. März 2008
  4. „Das Kölsch läuft wieder“, Onlineausgabe Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. März 2008
  5. ... ein Denkmal für Lommi: Website des Vereins)
  6. „Kotelettknochen fürs Museum“, Kölner Stadt-Anzeiger vom 2. Juli 2007

Literatur

  • Günter Mahlke, Hans Schumacher (Hrsg.): Lommerzheim - kleines Glück op Kölsch. 4. Auflage. Köln 2003, ISBN 978-3924182397. 

Weblinks

50.9386388888896.97363888888897Koordinaten: 50° 56′ 19″ N, 6° 58′ 25″ O


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