Lommerzheim

Lommerzheim
Kneipenschild bei „Lommi“

Das Lommerzheim ist eine Gaststätte in Köln-Deutz, die in ihrer ursprünglichen Form von 1959 bis Silvester 2004 von den Wirtsleuten Hans und Annemie Lommerzheim betrieben wurde. Die Kombination eines baufällig und verwahrlost anmutenden Gebäudes, der vermeintlich nie renovierten[1][2] Inneneinrichtung und der Eigenarten des Wirtsehepaares verschafften der Kneipe den Ruf als „kölscheste aller Kölschkneipen“.[1][3] Nach mehrjährigem Leerstand wurde das Lokal in Anlehnung an die Einrichtung der alten Gaststätte renoviert und im März 2008 wieder eröffnet.

Inhaltsverzeichnis

Hans Lommerzheim

Umbauarbeiten im August 2007

Der Wirt Hans Lommerzheim (* 17. September 1930; † 28. Juni 2005), auch „Lommi“ genannt, war früher Köbes im Päffgen-Brauhaus, das als Hausbrauerei nur für den eigenen Bedarf produzierte. Ausgestattet mit der damals ersten und heute noch seltenen Erlaubnis des Brauers, außerhalb des Brauhauses sein Kölsch auszuschenken, eröffnete er in der Deutzer Siegesstraße im Jahr 1959 seine eigene Gaststätte. Diese übernahm er gemeinsam mit seiner Frau Annemie von seinen Eltern, die in dem Haus bereits seit 1945 eine Gastwirtschaft betrieben.

1959 – 2004

Gebäude und Einrichtung

Über den ursprünglichen Zustand des Gebäudes in der Siegesstraße 18 gibt es keine veröffentlichten Aufzeichnungen. Es besitzt, anders als die benachbarten Häuser, keinen Dachstuhl. Das unbebaute, von der Straße aus links neben dem Haus gelegene Grundstück gibt den Blick auf die unverputzte Ziegelwand frei. Straßenwärts zeigt das Haus eine seit vielen Jahren verwitterte Fassade mit vier Fensterachsen im unbewohnten Obergeschoss. Darüber ist die veraltete Leuchtreklame „Dortmunder Actien-Bier“ angebracht - diese Biermarke war allerdings zu Hans Lommerzheims Zeiten nicht mehr im Ausschank. Das Erdgeschoss wird rechts von einem großen Holzsprossenfenster mit integrierter Eingangstür dominiert. Links daneben befindet sich eine Tür zum Treppenhaus. Über dem Eingangsbereich steht in Blechbuchstaben „Gaststätte“. Rechts schließt sich ein viergeschossiges Mietshaus unmittelbar an.

Der ca. 50 m² große[4]Schankraum ist durch eine nach innen öffnende Tür zu erreichen. Die Inneneinrichtung bis 2004 entsprach weitgehend derjenigen bei Eröffnung der Gaststätte. Allerdings wurden über die Jahre punktuell Schäden behoben, defekte Möbelstücke ausgetauscht, kleinere Renovierungsarbeiten durchgeführt sowie Andenken hinzugefügt.[5] Auch besaß die Küche eine zeitgemäße Ausstattung. Die Schankstube war teilweise mit braunem Holz vertäfelt, ansonsten waren Tapeten angebracht, die über die Jahre einen braunen Farbton angenommen hatten. Es gab wenige einfache Tische und einige Plätze an der Theke. Bis zur Schließung durch den Wirt existierten weder Zapfanlage, Registrierkasse, Fernseher, Zigarettenautomat noch eine Musikanlage[6]

Die einfachen Toiletten befanden sich in einem nur über den Hinterhof zu erreichenden Anbau. In einem Schuppen neben den Toiletten wurden die täglich angelieferten 30-l-Holzfässer mit Kölsch gelagert und von dort in den Schankraum gerollt.

Bewirtung

Das Lommerzheim hatte, außer dienstags, täglich von 10:30 Uhr bis 14:00 Uhr und 16:30 Uhr bis ca. 24:00 Uhr geöffnet. Tischreservierungen gab es nicht. Annemie Lommerzheim zapfte, während ihr Mann servierte. Servicepersonal gab es ansonsten nicht. Der Wirt nahm beim Bier keine Bestellungen an, sondern brachte es dorthin, wo es benötigt wurde. Lommerzheim hatte außer Kölsch zuletzt zwei Weinsorten, Softdrinks und einige Spirituosen im Sortiment. Die Speisenauswahl bestand aus dicken[7]Koteletts, Halven Hahn, Bratwurst, Knoblauchwurst und donnerstags und freitags Hämmchen. Während diese kleine Speisenauswahl die retrospektive Wahrnehmung und Berichterstattung dominiert, gab es in den frühen Jahren der Gaststätte auch eine Speisenkarte mit abwechslungsreicheren Gerichten: Zeitzeugenberichte aus den 1970er Jahren beschreiben ein gutbürgerlich orientiertes Gasthaus, in dem Samstags weiße Tücher mit Kerzen die Tische schmückten. In den Wintermonaten habe es Muscheln rheinische Art, am Aschermittwoch ein traditionelles Fischessen gegeben.[8]

Erfolg

Schanktheke nach der Wiedereröffnung des Lokals mit originaler Thekenlampe

Bis in die 70er Jahre wurde das Lommerzheim als gewöhnliches, „gut laufendes“ Gasthaus mit „bürgerlich-anständigem“ Konzept beschrieben. Im Laufe der 1980er Jahre habe sich eine Wahrnehmung als „Kult-Kneipe“ etabliert. Lommerzheim wurde in lokalen Stadt- und Gastronomieführern erwähnt, den Anfang machte das alternative Heft „TAGNACHT“ der StadtRevue.[8] Der Zustrom der Gäste erhöhte sich, so dass sich vor allem am Nachmittag vor der Tür täglich eine Schlange zur Öffnungszeit bildete[9], und das Lokal war allabendlich eng besetzt.

Das seit Jahrzehnten beinahe unveränderte Lokal habe, so die Interpretation der Autoren Günter Mahlke und Hans Schumacher, eine Art „Insel im Zeitenwandel“ gebildet, auf der man die enormen Unterschiede zwischen den 1950er und den 1990er Jahren kurzzeitig ausblenden konnte – die Sehnsucht nach Beständigkeit, Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit sei befriedigt worden.[10] Das Publikum setzte sich zusammen aus Deutzern, Kölner Stammgästen sowie Touristen und Messegästen, die durch die Empfehlung der Gaststätte in ihrer Reiseliteratur angezogen wurden. Hans Lommerzheim wird als sehr wortkarg aber schlagfertig beschrieben – zahlreiche Anekdoten über ihn sind überliefert, inzwischen wird er als Kölsches Original bezeichnet. Als anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels 1999 in Köln Bill Clinton eine authentische Kölschkneipe besuchen wollte, fragten seine Begleiter bei Lommerzheim an – allerdings hätte man die Gaststätte aus Sicherheitsgründen für den Publikumsverkehr sperren müssen. „Nä, dat jeiht nit!“ soll Lommerzheim gesagt haben – dann müssten ja die Stammgäste draußen bleiben. Clinton kehrte schließlich im deutlich größeren Brauhaus Malzmühle ein.[11]

Ende

Aus gesundheitlichen Gründen schloss der schon 74-Jährige Hans Lommerzheim am 31. Dezember 2004 seine Gaststätte. Das Rheinische Freilichtmuseum bemühte sich um die Erlaubnis, das gesamte Gebäude samt Inneneinrichtung ab- und auf dem Museumsgelände wieder aufzubauen; das Kölnische Stadtmuseum wollte lediglich das Inventar ausbauen und konservieren. Lommerzheim sagte beide Angebote ab.[12] Ein halbes Jahr später verstarb er während einer Urlaubsreise.

Wiedereröffnung und Andenken an Hans Lommerzheim

Die Kölner Brauerei Päffgen hat das Haus von der Witwe Lommerzheims aufgekauft und renovierte das historische Lokal, ohne seine Atmosphäre zu verändern.

Nach der Renovierung und Erweiterung in den Gewölbekeller wurde die Gaststätte am 13. März 2008 im Beisein von Annemie Lommerzheim, dem jetzigen Besitzer Rudolf Päffgen unter dem neuen Wirt Frank Glitscher wiedereröffnet. In der Tradition von 1959 wurde das erste Kölschfass mit dem Fahrrad zur Kneipe transportiert, nur diesmal vom Brauer Rudolf Päffgen.[13][14]

Ein im Jahre 2005 gegründeter[15] Verein ließ Lommerzheim im Mai 2009 ein Denkmal errichten. Die Bronzeplatte im Biergarten der wiedereröffneten Gaststätte zeigt den verstorbenen Wirt beim Bierzapfen.[16] Ein Gedeck (Teller, Besteck, Senftöpfchen und ein abgenagter Knochen von den dort servierten Koteletts) aus der Kneipe, vom nachmaligen Vereinsvorsitzenden am letzten Öffnungstag entwendet, wurde von der rechtmäßigen Besitzerin Annemie Lommerzheim dem Kölnischen Stadtmuseum geschenkt, das dieses historische Gedeck einer speziellen Kölner Gaststättenkultur ausstellen will.[17]

Fünf Jahre nach seinem Tod bekam Lommi seine Straße. Der Fußweg, der von der Siegesstraße, schräg gegenüber der Gaststätte, am Deutzer Jugendgästehaus vorbei zum Bahnhof Köln-Deutz führt, wurde auf Initiative der Grünen nach ihm Hans-Lommerzheim-Weg benannt und mit einem in Fraktur beschrifteten Straßenschild versehen, das unterhalb die Lebensdaten des Gastwirts aufzeigt. Zur Einweihung wurde das von Brings Keyboarder Kai Engel komponierte Lommerzheim-Lied aufgeführt. Darüber hinaus gibt es im Biergarten seit 2009 den Lommi-Brunnen.[18]

Einzelnachweise

"Lommi" Brunnen im Biergarten des Hauses
  1. a b Bernd Imgrund, Britta Schmitz: 111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss 2008, ISBN 978-3-89705-618-3, S. 130
  2. Mahlke/Schumacher, S. 89
  3. Aus für Kölner Kultgaststätte Lommerzheim, Kölner Stadt-Anzeiger vom 26. Dezember 2004
  4. Mahlke/Schumacher, S. 128
  5. Mahlke/Schumacher, S. 89-90, S. 98-99
  6. Mahlke/Schumacher, S. 128
  7. „Lommi“ führte ein strenges Regiment, Kölner Stadt-Anzeiger, 12. März 2008, online
  8. a b Mahlke/Schumacher, S. 119
  9. Dirk Holterman: Streifzüge 2. Neue traumhafte Touren durch Nordrhein-westfalen. Hier und heute Schlütersche, 2002, ISBN 3877068553, S. 80
  10. Mahlke/Schumacher, S.–93
  11. „Willkommen,/Bill Clinton – Wie der amerikanische Präsident die Herzen der Kölner erobert hat“ – Süddeutsche Zeitung vom 19. Juni 1999, „ Stammgäste haben sogar Vorrang vor Clinton“ – Kölnische Rundschau vom 25. Oktober 2004
  12. „Museum will die ganze Kneipe samt Fassade“ - Kölner Stadt-Anzeiger vom 24. Februar 2005
  13. „Das Ende der Durst-Strecke“, Onlineausgabe Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. März 2008
  14. „Das Kölsch läuft wieder“, Onlineausgabe Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. März 2008
  15. ... ein Denkmal für Lommi: Website des Vereins)
  16. Ein Denkmal für Lommerzheim, Kölner Stadt Anzeiger vom 11. Mai 2009, S. 27
  17. „Kotelettknochen fürs Museum“, Kölner Stadt-Anzeiger vom 2. Juli 2007
  18. N. Rakoczy: Ein Weg für Lommerzheim, Kölner Stadtanzeiger, 20. September 2010, S. 29 (und andere Kölner Medien)

Literatur

  • Günter Mahlke, Hans Schumacher (Hrsg.): Lommerzheim - kleines Glück op Kölsch. 4. Auflage. Köln 2003, ISBN 978-3924182397.

Weblinks

50.9386388888896.9736388888889

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