Luxemburger Kompromiss

Luxemburger Kompromiss

Der Luxemburger Kompromiss (auch als Luxemburger Vereinbarung bekannt) legte am 29. Januar 1966 Divergenzen in der Agrarpolitik der EWG bei.

Vorausgegangen war am 1. Juli 1965 der Abbruch der EWG-Verhandlungen über den Agrarfonds durch Frankreich; das Land sandte danach keinen Vertreter mehr zu den Sitzungen des Rats der Europäischen Gemeinschaft, der damit beschlussunfähig wurde (Politik des leeren Stuhls).

Der sogenannte Luxemburger Kompromiss sah vor, dass der Rat in Fällen, in denen er grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit entscheiden könne, bei Beeinträchtigung „sehr wichtiger Interessen“ eines Mitgliedstaates weiterverhandeln muss. Im Text der Vereinbarung tritt dann weiter die fehlende Übereinkunft zwischen Frankreich auf der einen und den übrigen fünf Mitgliedstaaten auf der anderen Seite zutage. Frankreich vertrat die Auffassung, dass in einem solchen Fall so lange verhandelt werden müsse, bis ein einstimmiges Ergebnis erzielt ist. Die anderen Staaten dagegen ließen im Dokument feststellen, dass keine Einigkeit darüber erzielt wurde, was geschehen solle, falls keine Einstimmigkeit erzielt wird. Der Luxemburger Kompromiss war somit kein Kompromiss, sondern ein Text, der die Uneinigkeit über die Anwendung der Mehrheitsabstimmungen schriftlich fixierte.

Durch die Vereinbarung ist eine Art Gewohnheitsrecht entstanden, nach dem Mitgliedsstaaten in wichtigen Fällen so lange weiterverhandeln, bis ein Konsens erzielt wird. Zwar ist diese Vereinbarung nicht rechtsverbindlich, jedoch wird sie in der Praxis durchaus eingehalten. Gleiches ist auch in Bereichen, in denen eigentlich eine qualifizierte Mehrheit als ausreichend vorgesehen ist, überwiegend der Fall.

Literatur

Jean-Marie Palayret, Helen Wallace, Pascaline Winand (Hrsg.): Visions, Votes and Vetoes. The Empty Chair Crisis and the Luxembourg Compromise Forty Years On. Peter Lang, Bruxelles/Bern/Berlin, 2006, ISBN 978-90-5201-031-1.

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