Maggiatalbahn

Maggiatalbahn

Die Maggiatalbahn, offiziell Ferrovia Locarno–Ponte Brolla–Bignasco (LPB) war eine schweizerische Schmalspurbahn, die von Locarno am Lago Maggiore nach Bignasco im Maggiatal führte. Der Betriebsbahnhof war die Station Locarno S. Antonio. Die Bahn diente sowohl dem Personenverkehr, dem Güterverkehr als auch dem Transport von Granit aus dem Steinbruch von Cevio.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Talbevölkerung des Maggiatals (Valle Maggia) erhielt erst mit der Einrichtung der ersten Postkutschenlinie im Jahre 1849 eine öffentliche Verkehrsverbindung nach Locarno. Zunächst fuhr die Postkutsche einmal täglich in dreieinhalbstündiger Fahrt nach Bignasco. In späteren Jahren wurde die Anzahl der Fahrten bis auf drei pro Tag ausgeweitet und die Strecke bis Fusio im Val Lavizarra verlängert (Fahrzeit weitere 2:15 Stunden).

Nach der Eröffnung der Tessinischen Talbahnen (Locarno–Bellinzona) am 20. Dezember 1874 und der Gotthardbahn 1882 wuchsen die Hoffnungen auf weitergehende Verkehrsprojekte in der Region Locarno. Nationalrat und Stadtpräsident von Locarno, Francesco Balli, machte sich für eine bessere Verkehrsanbindung stark, indem er 1892 die Vereinigung «Pro Locarno e Ditorni» mit dem Ziel der Förderung des Tourismus in der Region gründete. Er beantragte die Konzession für folgende von Locarno ausgehende Schmalspurstrecken:

  • über Ponte Brolla ins Maggiatal nach Bignasco (Tourismus, Granittransporte)
  • über Ponte Brolla ins Centovalli bis zur Landesgrenze bei Camedo/Ribellasca
  • am Ufer des Lago Maggiore entlang über Ascona, Brissago zur Landesgrenze bei Valmara.

Am 22. Dezember 1898 erhielt er die Konzessionen für diese drei Bahnen mit der Auflage, dass die beiden letzteren Linien auf italienischer Seite der Grenze nach Domodossola (Centovallibahn) bzw. Intra (Bahn entlang dem Lago Maggiore) Fortsetzung finden müssen. Die Konzessionen erfuhren noch einige kleinere Veränderungen, bis am 12. Juli 1903 die «Società della Ferrovia Locarno–Ponte Brolla–Bignasco» (LPB) gegründet wurde.

Nachdem die Finanzierung der voraussichtlichen Baukosten von 2,28 Millionen Franken durch Aktien und Staatssubvention gesichert war, konnte 1905 mit dem Bau begonnen werden. Bereits am 3. August 1907 konnte die Einweihung in Bignasco gefeiert werden, die offizielle Betriebsübergabe war am 2. September 1907.

Im Vorgriff auf den Bahnbau wurde das am 13. November 1904 in Ponte Brolla fertiggestellte Wasserkraftwerk der Società Elettrica Sopracenerina schon mit Generatoren für die Erzeugung des Einphasenwechselstroms für den Bahnbetrieb ausgerüstet.

Die Betriebsführung der neu gegründeten Locarneser Trambahn «Società Tramvie Locarnesi» (STL) lag ab 1. Oktober 1908 auch bei der LPB. Ab 1. Januar 1923 wurde beide Gesellschaften an die «Società Ferrovie Regionali Ticinesi» (FRT) verpachtet, die die neu erbaute Centovallibahn (LC) betreiben sollte. Seit Beginn der 60er Jahre betrieb die FRT auch Autobuslinien im Raum Locarno, sie wurde daher zum 1. Juli 1960 in «Ferrovie autolinee regionali ticinesi» (FART) umbenannt.

Als Folge der Abwanderung der Materialtransporte und des Individualverkehrs gingen die Einnahmen zu Beginn der 50er Jahre stark zurück. Die Mittel für die dringend notwendige Sanierung kamen jedoch nicht der Maggiatalbahn zugute, sondern wurden in die Centovallibahn investiert. So kamen Gutachter und ein aus Bundes- und Kantonsvertretern bestehender Fachausschuss zur Entscheidung, die Bahn stillzulegen und durch Autobusse zu ersetzen, was der Tessiner Grosse Rat am 20. Oktober 1965 mit grosser Mehrheit bestätigte.

Trotz heftiger Proteste im Maggiatal war die Stilllegung nicht mehr zu verhindern. Am 28. November 1965 verkehrte der letzte Zug von Bignasco nach Locarno.

Der Autopullmann

Ab Neujahr 1955 führte man als Versuch Autobusse für Abonnementsbesitzer ein. Auf Grund dieser positiven Erfahrungen beschloss man, eigene Busse anzuschaffen. Im Dezember konnten von dem Unternehmen Winterhalter in Zürich zwei Occasionsbusse erworben werden. Diese beiden Fahrzeuge stellte man als Reisecar Nummer 1 und 2 ein. Sie hatten einen hellviolett-senfgelben Anstrich. Diese fuhren anfänglich nur die Verstärkungskurse, welche als Autopullmann bezeichnet wurden. Teilweise fuhren sie über die Endstation Bignasco hinaus bis nach Cavergno. Ab 1961 fing man damit an, in den Randstunden anstelle eines Bahnkurses einen Autokurs anzubieten.

Linienführung

Zuerst folgte die Bahn der Strassenbahn von Locarno und erreichte anschliessend via Ponte Brolla, Avegno, Gordevio, Ronchini, Aurigeno-Moghegno, Maggia, Lodano, Coglio-Giumaglio, Someo, Riveo, Cevio die Endstation Bignasco.

Die Fahrt von Locarno nach Bignasco dauerte rund 70 Minuten.

Bahnhöfe, Haltepunkte und Bauwerke

Fahrplanfeld 71a (Locarno-Bignasco), Stand 1963[1][2]
Die hier angegebene Kilometerangaben sind Tarifkilometer
Legende
0 Locarno 205 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
0 Locarno Lago
Haltepunkt, Haltestelle
5 Locarno San Antonio 213 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
6 Solduno 226 m ü. M.
Tunnel – bei mehreren Tunneln in Folge
Sass Gott (19.5 m)
Bahnhof, Station
9 Ponte Brolla 258 m ü. M.
Abzweig – in Fahrtrichtung: nach links
9 Abzweig zur Centovallibahn
Tunnel – bei mehreren Tunneln in Folge
Ponte Brolla 58 m
Haltepunkt, Haltestelle
13 Avegno 293 m ü. M.
Tunnel – bei mehreren Tunneln in Folge
Sass Pietsch 180 m
Haltepunkt, Haltestelle
17 Gordevio 312 m ü. M.
19 Ronchini Bedarfshalt 304 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
21 Aurigeno-Moghegno 317 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
22 Maggia 327 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
25 Lodano 341 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
27 Coglio-Giumaglio 350 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
31 Someo 369 m ü. M.
Haltepunkt, Haltestelle
35 Riveo 390 m ü. M.
Tunnel – bei mehreren Tunneln in Folge
Sasso Visletto 50 m
Haltepunkt, Haltestelle
39 Cevio 416 m ü. M.
40 Cevio Ospedale Bedarfshalt
43 Bignasco 438 m ü. M.
- Cavergno Nur Zusatzkurse Bus 450 m ü. M.

Technik

Die Schmalspurbahn hatte eine Spurweite von 1000 mm und wurde im Stadtbereich von Locarno mit 800 V/20 Hz Wechselstrom, über Land mit 5000 V/20 Hz Wechselstrom betrieben. Die Fahrleitung und die Stromabnehmer waren gleicher Bauart wie die von der Maschinenfabrik Oerlikon im Versuchbetrieb zwischen Seebach und Wettingen erprobte Seitenfahrleitung. Die LPB war die einzige Bahngesellschaft, die genau diese Seitenfahrleitung anwandte.

Infolge der geplanten Inbetriebnahme der Centovallibahn musste zwischen 1923 und 1925 das Stromsystem auf 1200 Volt Gleichstrom geändert werden. Nur auf der Gemeinschaftsstrecke wurde eine Mittelfahrleitung erstellt, während im Maggiatal die Seitenfahrleitung erhalten blieb.

Die Zug- und Stosseinrichtung bestand aus einem Zentralpuffer mit je zwei Schraubenkupplungen.

Rollmaterial

Ehemaliger Maggiatalbahn Triebwagen Nr. 1 des FFS in erbärmlichen Zustand im Jahre 2005 in Uster

Für die Betriebseröffnung 1907 wurden 3 baugleiche Triebwagen des Typs BCFe 4/4 beschafft, sie erhielten die Nummern 1–3. Bei diesen elektrischen Triebwagen stammt der mechanische Teil von der Maschinenbau-Gesellschaft Nürnberg, der elektrische Teil von der Maschinenfabrik Oerlikon. Die 16,0 Meter langen Fahrzeuge hatten bei einem Gesamtgewicht von 28 Tonnen eine Stundenleistung von 160 PS. Diese wurde im Laufe der Umstellung auf Gleichstrombetrieb in den Jahren 1925 und 1926 auf 244 PS erhöht, zugleich erhöhte sich das Gesamtgewicht auf 29,7 Tonnen. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 45 Kilometer pro Stunde. Einzig der Wagen Nummer 1 überlebte die Betriebseinstellung und wurde von der FART übernommen, welche ihn 1979 an die SIFF abgab. Er wurde am 23. Oktober 1997 nach Uster überführt wo er durch den Verein Freunde Schweizer Schmalspurbahnen (FSS) der Nachwelt erhalten werden soll.

Im Jahre 1911 wurde eine zweiachsige Güterlokomotive des Typs Ge 2/2 mit der Nummer 4 beschafft. Bei dieser 7,5 Meter langen elektrischen Lokomotive, stammte der mechanische Teil von der SWS Schlieren und der elektrische Teil von der Maschinenfabrik Oerlikon. Die Stundenleistung der 40 Kilometer pro Stunde schnellen Lokomotive betrug 240 PS. Die Lokomotive verunglückte am 30. Mai 1923 bei Visletto, wobei sie in die Maggia stürzte und unterging. Sie wurde sogleich abgeschrieben.

Daneben waren noch zwei Personenwagen der 3. Wagenklasse C 51+52 und ein Personenwagen 3. Klasse mit Postabteil CZ 71 - später BZ 306 - sowie 18 Güterwagen vorhanden. Es waren die K 101-104 (gedeckte Güterwagen), M 121-124 (Mittel-Hochbord), M 141-144 (Niederbord) und N 161-164 (Niederbord und Drehschemel). 1910 folgten noch die P 145+146 (später M) der Maggia Steinbrüche Cevio.

In späteren Jahren setzte die FRT eigene Fahrzeuge ein, so fuhren die Centovalli AB4 109-111, AB4 71+72 (ex Holland) und teilweise sogar die modernen B 120-123 im Maggiatal. Hinzu kamen noch der mit einer Seitenrute ausgerüstete ABFe 4/4 18 und das Tram Xe 2/2 1. Auch die von der FRT beschafften Güterwagen (grösstenteils ex SBB Brünig) waren oft im Maggiatal anzutreffen. Etwas ungewöhnlich, dass auch die SSIF G 501-504 im Maggiatal eingesetzt wurden [3].

Während der Umstellung von Wechsel- auf Gleichstrombetrieb waren zwei G 3/4, die für die Rhätische Bahn gebaut wurden, im Einsatz (Nummern 7 + 8).

Literatur

  • Markus Schweyckart: Elektrische Bahn Locarno–Ponte Brolla–Bignasco. Prellbock Druck & Verlag, Leissigen 1997, ISBN 3-907579-05-4

Einzelnachweise

  1. Tarifkilometer, Haltestellen, Höhenangaben aus: SBB-Kursbuch Sommer 1963
  2. Angaben zu Tunnels aus den Internet-Fanseiten www.maggiabahn.ch.vu und www.polier.ch
  3. Internet-Fanseite polier.ch

Weblinks

  • Valmaggina, La Die Geschichte der Maggiatalbahn vom Beginn bis zum Ende (1907-1965)
  • FART Mapo's Seiten über die FART der Nachfolgegeselschaft der LPB.

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