Mannheimer Jesuitenkirche

Mannheimer Jesuitenkirche
Mannheimer Jesuitenkirche
... aus südwestlicher Sicht
Jesuitenkirche und -kolleg 1753
Jesuitenkirche und Nationaltheater 1900

Die Mannheimer Jesuitenkirche im Quadrat A 4 ist eine der drei Pfarrkirchen der Innenstadtpfarrei St. Sebastian und Sitz des Dekans des katholischen Dekanats Mannheim. Sie wird auch von der spanischen Gemeinde genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Kirche wurde zwischen 1733 (Grundsteinlegung 12. März) und 1756 als große Hofkirche von den in Mannheim residierenden Kurfürsten Carl Philipp und Carl Theodor nach einem Entwurf des italienischen Architekten Alessandro Galli da Bibiena erbaut und 1760 den Heiligen St. Ignatius von Loyola und St. Franz Xaver durch den Fürstbischof von Augsburg Joseph von Hessen-Darmstadt geweiht. Der Kunsthistoriker Georg Dehio bezeichnete sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts als bedeutendste Barockkirche Südwestdeutschlands.

Markant sind am Außenbau vor allem die zweitürmige Schaufassade aus rotem Sandstein, die von den Statuen der vier Kardinalstugenden, der Fama und einem Giebelrelief des bedeutenden Barockbildhauers Paul Egell (1691–1752) geschmückt wird sowie die mächtige, 75 m hohe Vierungskuppel. Der durch Stuckmarmorpilaster gegliederte Innenraum ist ganz in einem späten Barockstil und beginnenden Klassizismus gestaltet. Mit der Ausmalung der Kirche wurde Egid Quirin Asam aus München beauftragt. Er gestaltete die Vierungskuppel mit Szenen aus dem Leben des Ordensgründers Ignatius von Loyola, während er die Langhausdecke mit einem über 400 m² großen Fresko ausstattete, dessen Inhalt auf das Motiv des Hochaltars Bezug nahm, nämlich die Missionsreise des heiligen Franz Xaver nach Indien. Bei dieser Arbeit verunglückte er tödlich am 29. April 1750.

Zum 300-jährigen Stadtjubiläum wurde die Kirche 1906 umfassend renoviert. Es entstanden die beiden Stifterfiguren in der Vorhalle des Bildhauers Thomas Buscher. Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Kirchenbau durch britisch-amerikanische Luftangriffe schwere Schäden, besonders im Chor und im Kuppelraum. Dabei wurden auch Teile der Ausstattung zerstört oder beschädigt. Nach dem Krieg entschloss man sich die Kirche in ihrem historischen Stil wiederaufzubauen, was unter Einbezug von Originalteilen in der Rekonstruktion des rund 20 m hohen, von Peter Anton von Verschaffelt erbauten, marmornen Hochaltars und der kurfürstlichen Hoflogen gipfelte.

Ausstattung heute

Hochaltar
Zelebrationsaltar aus Silber und Bronze
Orgel

Auch heute ist diese Kirche noch sehr reich an barocken Kunstwerken. Von Verschaffelt haben sich die sechs Seitenaltäre erhalten sowie die Weihwasserbecken. Die ersten beiden Altäre sind dem hl. Aloisius von Gonzaga und dem hl. Stanislaus Kostka geweiht. Die beiden Mittleren den Namenpatronen des Kurfürstenpaars, Karl Borromäus und der hl. Elisabeth von Thüringen. Am Kreuzaltar, links im angedeuteten Querschiff, wurden die Engel mit den Kreuzigungswerkzeugen rekonstruiert. Am rechten Marienaltar wurden Statuen der beiden Kirchenpatrone nachträglich aufgestellt, um ein optisches Gegengewicht zu den Kreuzigungsengeln zu schaffen. Ursprünglich waren auch hier Engelfiguren vorgesehen, die allerdings nie verwirklicht wurden. In den Zwickeln unter der Kuppel finden sich vier Erdteilfresken des Mannheimer Barockmalers Philipp Hieronymus Brinckmann (1709–1760). Die Beichtstühle wurden wie die Kurfürstenlogen rekonstruiert. Die bedeutendste Skulptur ist die 1747 geschaffene „Silbermadonna im Strahlenkranz“ des Augsburger Silberschmieds Joseph Ignaz Saler. Die zerstörten Fresken von Egid Quirin Asam wurden nicht wieder hergestellt. Die heutige Kanzel wurde erst nach dem Krieg angebracht. Sie wurde 1753 geschaffen und stammt ursprünglich aus der Heidelberger Karmeliterkirche. In der Vorhalle befinden sich sehr reich verzierte schmiedeeiserne Gittertore des Mannheimer Schlossermeisters Philipp Reinhard Sieber von 1755 und zwei Denkmäler der Kirchenerbauer von 1906.

Um den heutigen Anforderungen an die Liturgie Rechnung zu tragen, wurde nach der Rekonstruktion des Hochaltars der Chorraum neu gestaltet. Klaus Ringwald schuf einen Zelebrationsaltar aus Silber und Bronze, der durch die neue Gestaltung des Bodens und vier übergroße Kandelaber ein eigenes Gewicht erhält. In den neuen Marmorboden des Hauptschiffs wurden Gedenkplatten angebracht mit den Namen der in der Krypta beigesetzten Jesuiten und des langjährigen Pfarrers der Jesuitenkirche und Mannheimer Ehrenbürgers Joseph Bauer.

Orgel

Das Gehäuse der Hauptorgel auf der Westempore ist ebenfalls nach einem Entwurf des kurpfälzischen Hofbildhauers Paul Egell gefertigt. Es überstand die Bombardierung durch eine splittersichere Verschalung nur wenig beschädigt und wurde 1952 instand gesetzt. 1965 wurde ein Instrument der Orgelbauwerkstätte Johannes Klais, Bonn, eingebaut, das 2004 klanglich optimiert wurde. Das viermanualige Instrument hat 62 Register.

Disposition der Hauptorgel

I Hauptwerk C–g3
Principal 16′
Principal 8′
Gemshorn 8′
Gamba 8′
Octav 4′
Hohlflöte 4′
Quinte 22/3
Superoctav 2′
Mixtur IV
Trompete 16′
Trompete 8′
II Positiv C–g3
Principal 8′
Rohrgedackt 8′
Oktav 4′
Blockflöte 4′
Waldflöte 2′
Larigot 11/3
Cornett V
Scharff III–IV
Dulcian 16′
Krummhorn 8′
Tremulant
III Echowerk C–g3
Holzgedackt 8′
Quintade 8′
Principal 4′
Rohrflöte 4′
Nasard 22/3
Oktav 2′
Terz 13/5
Sifflet 1′
Acuta 4′
Vox humana 8′
Oboe 8′
Tremulant
IV Schwellwerk C–g3
Pommer 16′
Holzflöte 8′
Geigenprincipal 8′
Vox coelestis 8
Octav 4′
Holztraverse 4′
Querflöte 2′
Septsesquialter II–III
Mixtur V
Fagott 16′
Trompete harm. 8′
Clairon 4′
Tremulant
Pedal C–f1
Untersatz 32′
Principal 16′
Subbaß 16′
Zartbaß 16′
Quinte 102/3
Holzoktav 8′
Bartpfeife 8′
Choralflöte 4′
Großsesquialter II
Hintersatz IV 22/3
Posaune 16′
Trompete 8′
Clarine 4′
Cornett 2′

Auf der linken Seitenempore befindet sich die Chororgel. Ihr Gehäuse stammt von einem anonymen Kunstschreiner, der es 1751/52 für die katholische Kirche in Fürth im Odenwald anfertigte. 1961 wurde es nach Mannheim überführt und enthält die auf 16 Register reduzierte Nachkriegsorgel aus dem Egell-Gehäuse. Das Instrument ist mittlerweile technisch unzuverlässig und sollte durch ein Neues ersetzt werden.

Grundriss

Glocken

Die nach der 1669 gegossenen Wallonenglocke in der Konkordienkirche zweitgrößte Barockglocke Mannheims – 1754 von Johann Michael Steiger gegossen – wurde im Jahre 1956 von Friedrich Wilhelm Schilling um fünf, 1975 durch die Heidelberger Glockengießerei um weitere zwei Glocken ergänzt. Die acht Glocken sind auf beide Türme verteilt; im Nordtwestturm hängen die beiden großen, im Südwestturm die übrigen Glocken. Die Glockenstühle sind, ebenso wie die Joche, aus Stahl.

Nr. Name Gussjahr Gießer Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Nominal
(16tel)
1 St. Michael 1956 F. W. Schilling 2023 4935 g0 +4
2 1956 F. W. Schilling 1671 2772 b0 +7
3 1956 F. W. Schilling 1477 1921 c1 +5
4 1754 J. M. Steiger 1275 ~1400 es1 +7
5 1956 F. W. Schilling 1094 857 f1 +7
6 1956 F. W. Schilling 1006 700 g1 +8
7 1975 Heidelberger Glockengießerei 892 511 b1 +8
8 1975 Heidelberger Glockengießerei 790 362 c2 +8

Gemeindeleben

An der Jesuitenkirche waren nach den Jesuiten als eigene (Obere) Pfarrkirche unter anderem die folgenden Geistlichen tätig:

  • 1839–1846: Johann Baptist Orbin, später Erzbischof von Freiburg (1882–1886)
  • 1864–1893: Geistl. Rat Caspar Koch
  • 1893–1895: Karl Fritz, Pfarrverweser, später Erzbischof von Freiburg (1920–1931)
  • 1895–1951: Prälat Joseph Bauer, erster Dekan des Stadtdekanats und Ehrenbürger von Mannheim
  • 1951–1974: Prälat Karl Nikolaus, Dekan
  • 1974–1984: Geistl. Rat Karl Münch
  • 1984–2005: Msgre. Horst Schroff, Dekan
  • seit 2005: Geistl. Rat Karl Jung, Dekan

Literatur

  • Eva-Maria Günther: Die Jesuitenkirche in Mannheim. Lindenberg 2005, ISBN 3-89870-245-6
  • Andreas Schenk: Architekturführer Mannheim. Berlin 1999, ISBN 3-496-01201-3
  • Karl Weich: Mannheim - das neue Jerusalem. Die Jesuiten in Mannheim 1720–1773. Mannheim 1997, ISBN 3920671171
  • Hans Huth, Jesuitenkirche Mannheim, Schnell-Kunstführer Nr. 1084, 1977

Weblinks

49.4862833333338.46063055555567Koordinaten: 49° 29′ 11″ N, 8° 27′ 38″ O


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