Mannlicher-Schönauer

Mannlicher-Schönauer

Die Repetierbüchse Mannlicher-Schönauer wurde anfang des 20. Jahrhunderts in Österreich entwickelt und 1903 als Ordonanzwaffe bei der griechischen Armee eingeführt. Eine geringe Anzahl noch nicht ausgelieferter Exemplare wurde von Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Eine weitaus größere Verbreitung fand das Gewehr jedoch als Jagdwaffe und wurde in dieser Form bis 1972 gefertigt.

Mannlicher-Schönauer Repetierbüchse Modell GK (gekrümmter Kammergriff)
Mannlicher-Schönauer Stutzen mit 50 cm Lauflänge

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ferdinand Ritter von Mannlicher konstruierte das System und Otto Karl Schönauer das Trommelmagazin, was zum Namen Mannlicher-Schönauer führte. Das System basierte auf dem Mannlicher Modell 1893, das von der rumänischen Armee verwendet wurde und nicht mit den in Österreich-Ungarn als Ordonanzwaffe eingeführten Geradezugrepetierern Mannlicher Modell 1890 bzw. 1895 zu verwechseln ist. In der Waffenfabrik Steyr (Oberösterreich) gefertigt, erschien zuerst das Modell-1900, im Kaliber 6,5 × 54 Mannlicher-Schönauer (M.-Sch.), bei dem im Gegensatz zu den jagdlichen buttermesserförmigen noch ein militärischer kugelförmiger Kammerstengelgriff Verwendung fand. Dann folgte das jagdliche Modell-1903 im selben Kaliber als halbgeschäftete Büchse mit 60 cm Lauflänge und als vollgeschäfteter Stutzen mit einer Lauflänge von 45 cm. In der Erfolgsgeschichte sind System, führige Stutzenausführung und Patrone ursächlich miteinander verknüpft. Vor allem bei Gebirgsjägern war die Waffe sehr beliebt und ist bis heute eine hervorragende Wahl, wenn Reh-, Gams- und schwaches Rotwild mit einer leichten und führigen Repetierbüchse bejagt werden sollen. Auch in Afrika erwarb sich „der Schönauer“ einen hervorragenden Ruf – die Standard-Geschosse mit einem Gewicht von 10,3 Gramm weisen eine hohe Querschnittsbelastung auf, was zu großer Tiefenwirkung führt. Mit Vollmantelgeschossen wurde sie sogar von dem Elefantenjäger Karamoja Bell eingesetzt, er benutzte allerdings eine Leiter für frontale Gehirnschüsse und war ein ausgesprochener „Kleinkaliberfreund“. Da er aber über 1000 Elefanten mit der 6,5 × 54 erlegt hat, ist folgende Aussage durchaus bemerkenswert: „... die 6,5 × 54 enttäuschte mich nur ein einziges Mal, und da lag ein Zielfehler meinerseits vor ...“

Es erschienen weitere Modelle, die sich nur durch die neuen Kaliber unterscheiden: Modell 1905 in 9 × 56 mm M.-Sch., Modell 1908 in 8 × 56 mm M.-Sch. und Modell 1910 in 9,5 × 57 mm M.-Sch. Die Lauflänge des Stutzens betrug nun 50 cm. Die beiden erstgenannten Kaliber sind hervorragende Hochwildkaliber, die 9,5 × 57 alias .375 Rimmless Nitro Express bewährte sich in Afrika. Alle drei erlangten aber nie die Popularität der 6,5 × 54 mm.

6,5×54-Mannlicher-Schönauer-Munition

Nach dem Ersten Weltkrieg waren in Österreich als Verliererstaat Repetierbüchsen untersagt. Deswegen wurden auch Einzellader ohne Magazin gefertigt.

Das Modell 1924 hatte ein größeres System, um auch längere Patronen unterzubringen. Es erschien in den Kalibern 7 × 57 mm, 7 × 64 mm, .30-06, 8 × 57I, 8 × 60 mm S, 9,3 × 62 mm und 10,75 × 68 mm. Rasantere Kaliber wie die 7 × 64 haben den für diese Kaliber vorgesehenen 65 cm langem Lauf. Zumindest von der 7 × 57 sind Versionen mit dem 1903er-System bekannt, die aber wahrscheinlich nachträglich abgeändert wurden, jedenfalls lässt sich die 7 × 57 in den kürzeren Systemen unterbringen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit dem Modell 1950 die Fertigung wiederaufgenommen, es wurde für eine Vielzahl an populären Kalibern von .243 Win. bis 9,3 × 64 eingerichtet. Von den Mannlicher-Schönauer-Kalibern überlebte nur die 6,5 × 54. Die Steuerkurve zum Öffnen des Verschlusses wurde von der Systemhülse in den Lauf verlegt. Zusätzlich zur auf den Schlagbolzen wirkenden Flügelsicherung gab es nun eine auf den Abzug wirkende Schiebesicherung zum schnellen und bequemen Entsichern am Ansitz (lautlos ist die Flügelsicherung auch), anfangs rechts hinten neben der Systemhülse, später am Kolbenhals. Des Weiteren gab es das Modell GK für „gekrümmter Kammerstengel“ (Bezeichnung für Exportmodelle: Modell-1952), der Kammerstengel verlief nicht mehr gerade nach unten, sondern schräg nach hinten. Eine weitere Ausführung war das Modell Magnum in 6,5 × 68-, 8 × 68S- und Winchester-Magnum-Kalibern bis zur .458.

Ende der 1960er-Jahre erschien das Nachfolgemodell Steyr-Mannlicher mit völlig neuem Verschlussystem. Die Produktion des klassischen Mannlicher-Schönauers lief 1972 aus, die aufwendige Fertigung war einfach zu teuer geworden. Für kurze Zeit wurde noch das Mannlicher-Schönauer Modell 1972 (auch M-72 genannt) angeboten, bei dem das neue System des Steyr-Mannlicher mit dem Trommelmagazin des klassischen Mannlicher-Schönauers und einer neu gestalteten Sicherung mit einer Art Kippelement als Handhabe kombiniert wurde. Diese Sicherung wirkte zwar immer noch auf den Schlagbolzen, hatte aber die für ein Jagdgewehr unfassbare Eigenschaft, im Winter einzufrieren bzw. bei Verschmutzung sehr leicht zu blockieren. Die Anekdote des „Gewehres, dem alle österreichischen Jäger nachtrauern“ kommt daher, dass die alten Produktionsmaschinen leider vernichtet wurden.

Die Berühmtheit des Schönauers beruht einerseits auf seiner Führigkeit als Stutzen auch in Verbindung mit dem einzigartigen Trommelmagazin, das eine schlanke Schaftform ermöglicht, andererseits auf dem unerreicht geschmeidigen und leichten Schlossgang, der sehr schnelles Repetieren ermöglicht (insbesondere in den kurzen Systemen der Vorkriegsmodelle). Der Verschluss läuft derart passgenau, dass die entladene und geöffnete Büchse bei durchgezogenem Abzug nur mit der Mündung nach unten zu geschwenkt werden braucht, um sie zu schließen und zu entspannen. Auch ist es möglich, praktisch lautlos eine Patrone einzurepetieren, wenn man die Kammer vorsichtig und langsam führt und einen Finger auf die aus dem Magazin hochkommende Patrone legt.

Technik

System

Mannlicher-Schönauer in seine Einzelteile zerlegt

Repetiergewehr mit Zylinderverschluss (engl.: bolt action). System mit offener hinterer Hülsenbrücke, der Kammerstengel läuft durch die hintere Hülsenbrücke, d.h. er verriegelt vor ihr. Verriegelung über zwei Verriegelungswarzen vorne in der Systemhülse unmittelbar hinter dem Lauf und eine als dritte Verriegelungswarze fungierende Fläche des Kammerstengels. Wie beim Mauser-98er-System liegt diese dritte Verriegelungsfläche nicht direkt an, da sich sonst asymmetrische Verriegelungskräfte während des Schusses ergeben würden, sie dient nur als Rückversicherung, damit die Kammer dem Schützen nicht ins Gesicht fliegen kann, wenn die vorderen Verriegelungwarzen versagen sollten. Nichtrotierender Auszieher, manueller Auswerfer. Öffnungswinkel 90°.

Mannlicher konstruierte das Magazin für das italienische Carcano-Gewehr, das eine Weiterentwicklung des deutschen Gewehrs 88 war, beide mit der charakteristischen offenen Hülsenbrücke. Offenbar entwickelte er aus dem dabei gesammelten Wissen den Mannlicher M-1893 und schließlich den Mannlicher-Schönauer. Auch stammen sowohl die 6,5 × 53R des M-1893 als auch die 6,5 × 54 M.-Sch. von der 6,5 × 52 Carcano ab.

Magazin

Fest eingebautes Trommelmagazin für fünf Patronen, der im Querschnitt sternförmige Zubringer besteht aus gefrästem Nirosta und ist exakt auf die Maße der jeweiligen Patrone abgestimmt. D. h. jede einzelne Patrone wird kontrolliert geführt und Beschädigungen an der Geschossspitze sind weitgehend ausgeschlossen. Über eine Entladetaste lässt sich das Magazin nach oben entladen. Zum Reinigen lässt es sich nach unten entnehmen, dazu wird eine Taste im Magazinboden eingedrückt (beispielsweise mit der Geschosspitze einer Patrone) und dann der Magazinbodendeckel um 90° gedreht.

180° Flügelsicherung des Schönauers.

Sicherung

180°-Flügelsicherung, auf den Schlagbolzen wirkend. Dadurch kann sich selbst im Fall eines Schlagbolzenbruchs kein Schuss lösen. Stellung gesichert: Schlagbolzen und Kammer sind blockiert. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, auch bei entspanntem Schloss sichern zu können. Dazu muss der Sicherungsflügel etwas nach vorn gedrückt und dann umgelegt werden. Somit kann die Kammer bei unterladener (und entspannter) Büchse blockiert werden. Bei den Nachkriegsmodellen gab es eine zusätzliche auf den Abzug wirkende Sicherung (s.o.).

Mannlicher-Schönauer GK mit Flintenabzug

Abzug

Deutscher Stecherabzug, Stecher einstellbar. Ungestochen hat auch der Druckpunktabzug relativ niedriges Abzugsgewicht. Optional war ein Flintenabzug erhältlich.

Schaft

Pistolengriffschaft, halb- oder vollgeschäftet, Standardausführung mit geradem Schaftrücken und deutscher Backe. Vom Modell 1950 und GK gab es Versionen mit Monte-Carlo-Schäftung. Die Verbreitung der vollgeschäfteten Stutzenausführung führte dazu, dass im englischen Sprachgebrauch der Ausdruck „Mannlicher-Style“ generell vollgeschäftete Stutzen bezeichnet. Die Schaftkappe besteht bei den Vorkriegsmodellen aus Stahl, unter einem Klappdeckel befindet sich ein Schaftmagazin, das in Längsrichtung zwei Bohrungen für Patronen und eine etwas größere Bohrung für Putzzeug aufweist. Die Nachkriegsmodelle haben eine ventilierte Gummischaftkappe.

Weblinks


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