Maschinenfabrik Eßlingen

Maschinenfabrik Eßlingen
Die mächtige Württembergische K gehört zu den erfolgreichsten in Esslingen konstruierten und gebauten Lokomotiven
Lokomotive No. 103, Bismarck, der Hessischen Ludwigsbahn, gebaut 1872

Die Maschinenfabrik Esslingen AG (ME), auch Maschinenfabrik Eßlingen AG, war ein Unternehmen zur Herstellung von Lokomotiven, Straßenbahnen, Eisenbahnwagen, Rollböcken, bahntechnischen Ausrüstungen (Drehscheiben, Schiebebühnen), Brücken, Stahlhochbauten, Pumpen und Kesseln.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Emil Keßler gründete die Maschinenfabrik am 11. März 1846 in Stuttgart; vorausgegangen war eine Initiative des Königreichs Württemberg, eine vom damaligen Ausland unabhängige Eisenbahnindustrie zu schaffen. Keßler brachte einschlägige Erfahrung aus Karlsruhe mit, wo er seit 1837 Mitinhaber, ab 1842 Alleininhaber der Maschinenbau-Gesellschaft Karlsruhe war.

Der Grundstein des neuen Werkes in Esslingen am Neckar wurde am 4. Mai 1846 gelegt. Ein Jahr später, im Oktober 1847, wurde vertragsgemäß die erste Lokomotive an die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen (K.W.St.E.) abgeliefert. Die Maschinenfabrik arbeitete fortan eng mit der württembergischen Staatseisenbahn zusammen, sodass fast alle ihrer Neuentwicklungen hier hergestellt wurden.

Nach dem Tod von Emil Keßler 1867 übernahm sein damals 26jähriger gleichnamiger Sohn Emil Keßler das Werk. Er leitete es bis zum Ende des Jahres 1885. Die tausendste Lokomotive im Jahr 1870 erhielt zu Ehren des Firmengründers den Namen KESSLER.

Das Unternehmen erwarb sich einen sehr guten Ruf, zunächst im Inland, zunehmend jedoch auch im Ausland. Mehrere Übernahmen anderer Firmen (Maschinenfabrik Gebr. Decker & Co. 1881, Maschinen- & Kesselfabrik G. Kuhn 1902), die Gründung der Costruzioni Meccaniche Saronno (Italien) 1887 sowie 1913 der Bau eines neuen Werkes bei Mettingen zeugten vom Erfolg.

Eine Episode blieb der 1852 aufgenommene und bereits 1858 wieder eingestellte Bau von Binnenschiffen in Ulm und Friedrichshafen, der jedoch dazu beitrug, dass die wirtschaftliche Krisenzeit nach 1848 überwunden werden konnte. Fünfzig Donauboote, zwei Neckardampfer, zwei Bodenseedampfer und zwei Bodenseeschlepper waren das Ergebnis dieser Aktivität. Dauerhafter war das Engagement im Stahl- und Brückenbau, der bis zum Ende der Gesellschaft betrieben wurde.

Ab 1907 stand wieder ein Keßler der Maschinenfabrik vor, Emil Keßlers jüngster Sohn Ludwig Keßler. Auch im Bau elektrischen Lokomotiven engagierte man sich, 1912 entstand die Wendelsteinbahn. Nach 1920 wurde ein Programm von Akkumulatoren-Lokomotiven aufgelegt, vor allem für Gruben- und Industriebahnen. Außerdem wurden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren gebaut, Kleinlokomotiven Köf genauso wie der Esslinger Triebwagen. Ebenfalls wurden in Esslingen die, das Stuttgarter Stadtbild prägenden, Straßenbahnwagen des Typs GT 4 von 1956 bis 1965 in mehr als 350 Exemplaren gebaut, die noch bis Ende 2007 im Einsatz waren. Auch die Fahrzeuge der Standseilbahn Stuttgart stammen von der ME.

Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden insgesamt mehrere tausend Dampf- und Diesellokomotiven weltweit geliefert, darunter zahlreiche Sonderausführungen. Einen besonderen Ruf erwarb sich die ME durch den Bau ihrer Zahnradlokomotiven in vielen Varianten. Sie baute Zahnradlokomotiven der Systeme Riggenbach, Abt und Strub. Mit einer solchen Maschine schloss auch der Dampflokomotivbau in Esslingen und damit zugleich in ganz Westeuropa ab: am 21. Oktober 1966 verließ als letzte eine für Indonesien gebaute Zahnrad-Dampflokomotive das Werk.

Zuletzt war die ME eine Tochtergesellschaft des Gutehoffnungshütte. 1965 erwarb die Daimler-Benz AG zunächst 71 % des Unternehmens, um die Werksanlagen für ihre Produktion zu nutzen[1]. Die Produktion von Flurförderzeugen wurde 1968 an die Still GmbH veräußert[2]. Der Bau von Eisenbahnfahrzeugen wurde daher eingestellt. Die Maschinenfabrik Esslingen AG besteht auch heute (2007) noch, allerdings lediglich als reine Grundstücks- und Verpachtungsgesellschaft.

Alte Lokomotiven werden heute vom Verein zur Erhaltung der Lokomotiven der ME neu aufgebaut und Museumsbahnen für den täglichen Fahrbetrieb übergeben. Dieser Verein hat seinen Sitz in den alten Vorstandsräumen der Maschinenfabrik in der Emil-Kessler-Straße in Mettingen auf dem Werksgelände der Daimler AG.

Weitere Informationen

Literatur

  • Max Mayer: Lokomotiven, Wagen und Bergbahnen – Geschichtliche Entwicklung in der Maschinenfabrik Eßlingen seit dem Jahre 1846. VDI-Verlag, Berlin 1924.
  • Katalog zur Ausstellung Emil Kessler 1813–1867. Ausstellung in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe vom 4. November bis 2. Dezember 1967, Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, 1967.
  • Wolfgang Messerschmidt: Lokomotiven der Maschinenfabrik Esslingen 1841 bis 1966. Steiger-Verlag, Moers 1984.
  • Wolfgang Messerschmidt: Von Lok zu Lok. Esslingen und der Lokomotivbau für die Bahnen der Welt. Franckh´sche Verlagshandlung, Stuttgart 1969.
  • Werner Willhaus: Maschinenfabrik Esslingen., Eisenbahn-Kurier Verlag, Freiburg 1999.
  • Ludwig Keßler: Aus den Anfängen der Maschinenfabrik Eßlingen. Emil Keßler – sein Leben, sein Werk. Erinnerungsschrift zur 125. Wiederkehr des Geburtstags von Emil Keßler, 1938.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Maschinenfabrik Esslingen und ihre historische Entwicklung
  2. Chronik der Still GmbH

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Maschinenfabrik Esslingen — (ME), was a German engineering firm that manufactured locomotives, tramways, railway wagons, roll blocks, technical equipment for the railways, (turntables and traversers), bridges, steel structures, pumps and boilers. The mighty Württemberg K… …   Wikipedia

  • Maschinenfabrik Esslingen — Fabrikhallen der Maschinenfabrik Esslingen zwischen Bahnhof und Neckar in der Mitte des 19. Jahrhunderts… …   Deutsch Wikipedia

  • Eßlingen — Eßlingen, Stadt und Oberamtssitz im württemberg. Neckarkreis, ehemals freie Reichsstadt, am Neckar und an der Staatsbahnlinie Bretten Friedrichshafen, 234 m ü. M., ist teilweise noch von starken Mauern mit Türmen und Toren umgeben und besteht aus …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Eßlingen — Eßlingen, 1) Oberamt im württembergischen Neckarkreise, 21/2 QM., 29,541 Ew.; 2) Stadt darin am Neckar, Sitz des Gerichtshofs für den Neckarkreis u. der Bezirksbehörden; alte Burg, Pädagogium, Schullehrerseminar mit Taubstummenschule,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Eßlingen am Neckar — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Eugen Kittel — November 1930 Eugen Kittel (* 2. Juli 1859 in Eningen unter Achalm bei Reutlingen; † 23. Mai 1946 in Stuttgart) war ein deutscher Ingenieur. Er prägte neben seinem Amtsvorgänger Adolf Klose im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert maßge …   Deutsch Wikipedia

  • Emil von Keßler — Emil Kessler Emil Julius Carl von Keßler, auch Kessler geschrieben, (* 20. August 1813 in Baden Baden; † 16. März 1867 in Esslingen am Neckar) war ein deutscher Unternehmer und Gründer der Maschinenfabrik Esslingen …   Deutsch Wikipedia

  • Wagenbauanstalten — (carriage and waggon works; ateliers des wagons; officine dei veicoli). Im Gegensatz zu Frankreich, England und Nordamerika befassen sich die Eisenbahnen der anderen Länder gewöhnlich nicht mit der Neuherstellung von Wagen in größerem Umfang und… …   Enzyklopädie des Eisenbahnwesens

  • Emil Keßler — Emil Kessler Emil Julius Carl von Keßler, auch Kessler geschrieben, (* 20. August 1813 in Baden Baden; † 16. März 1867 in Esslingen am Neckar) war ein deutscher Unternehmer und Gründer der Maschinenbau Gesellschaft Karlsruhe und der… …   Deutsch Wikipedia

  • Kranlokomotiven — (crane locomotives; locomotives grue; locomotive a gru) sind meist B1 Verschublokomotiven, die mit einem durch Dampf betriebenen Drehkran ausgerüstet sind, um sowohl den Verschubdienst, als auch das Auf und Abladen von Eisenbahnwagen an… …   Enzyklopädie des Eisenbahnwesens

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”