Merkaba

Merkaba
Kupferstich der Merkabavision des Ezechiel aus dem Iconum Biblicarum des Matthäus Merian (1593-1650).

Merkaba (althebräisch מרכבה „Wagen“) bezeichnet den „Thronwagen“ der Vision des Ezechiel (in Hes 1,4 EU).

Die Merkabamystik oder Merkaba-Literatur bezeichnet eine vorkabbalistische Strömung innerhalb der jüdischen Mystik. Nach entsprechenden Vorbereitungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, gelangt der Mystiker zur unmittelbaren Anschauung der Majestät Gottes auf seinem Thron. Auf dem Weg dorthin, der als „Aufstieg in die Thronwelt“ bezeichnet wird, müssen diverse Schwellen überschritten und Gefahren bestanden werden. Analog zu ähnlichen Beschreibungen aus der Gnosis bzw. dem Neuplatonismus, wo die sieben Wächterdämonen der sieben Planetensphären überwunden werden müssen, ist in der Merkabamystik häufig von sieben Engelwächtern der sieben Palasttore die Rede.

Der Weg durch die sieben Himmel und sieben Thronhallen im siebenten Himmel, bis der Mystiker vor dem göttlichen Thron steht, ist voller Gefahren, die man nur überwindet, wenn man die rechten, überwiegend in Griechisch verfassten Formeln kennt. Ein Großteil der Texte ist der himmlischen Liturgie gewidmet; sie zitieren Hymnen, die die Engel bzw. die vier Lebewesen singen, die den göttlichen Thron tragen. Diese Lieder enden gewöhnlich mit dem dreifachen Heilig von Jes 6,3 EU. Die feierliche und monotone Einförmigkeit der Hymnen soll sicher auch die Ekstase fördern.

In diesen Bereich gehört auch die Beschreibung des göttlichen Palasts oder Tempels, weshalb man auch von Hechalotmystik (hebr. Hechal „Tempel“ oder „Palast“) spricht.

Gemäß der Mischna (Chagiga 2, 1) ist es verboten, auch nur eine Person in der Einleitung des Buches Ezechiel zu unterrichten, sofern dieser Schüler nicht weise ist und fähig ist, den Stoff selbst zu verstehen. Maimonides qualifiziert dieses Verbot als bindende Halacha. Sein philosophisches Hauptwerk, der „Führer der Unschlüssigen“, ist ein Versuch, das Studium der Bibel mit demjenigen der aristotelischen Philosophie zu versöhnen. Hierbei werden die Ausführungen über die Merkaba („Ma'asse Merkaba“) mit der Metaphysik gleichgesetzt.

Sonstiges

Mircea Eliade weist auf die Ähnlichkeiten schamanischer „Fahrzeuge“ und der Merkaba hin.

Der zeitgenössische deutsche Maler Anselm Kiefer betitelte 1987 eines seiner großformatigen Bilder, das ein Kampfflugzeug des Zweiten Weltkriegs im Absturz zeigt, mit Merkaba. Später ergänzte er dies Bild zu einem ganzen Zyklus Merkaba, der 2002 in der Gagosian Gallery, New York, gezeigt wurde.

Literatur

  • Rachel Elior: The Three Temples: On the Emergence of Jewish Mysticism, 2005, ISBN 1-904-11333-8
  • David J. Halperin: The Faces of the Chariot, 1988, ISBN 3-161-45115-5
  • David J. Halperin: Seeking Ezekiel: Texts and Psychology, 1993, ISBN 0-271-00947-0
  • Bill Rebiger: Das Leitermotiv in der Hekhalot-Literatur. Festschrift Jewish Studies Between the Disciplines - Judaistik zwischen den Disziplinen. Papers in Honor of Peter Schäfer on the Occasion of his 60th Birthday. 2003
  • Peter Schäfer: Synopse zur Hekhalot-Literatur, 1981, ISBN 3-161-44512-0
  • Peter Schäfer: Konkordanz zur Hekhalot-Literatur, 2 Bde., 1988, ISBN 3-161-45179-1
  • Peter Schäfer: The Origins of Jewish Mysticism, Tübingen, 2008, ISBN 3-161-49931-X
  • Peter Schäfer: Übersetzung der Hekhalot-Literatur, 2008, ISBN 3-161-48633-1
  • Gershom Scholem: Jewish Gnosticism, Merkabah Mysticism and Talmudic Tradition. The Jewish Theological Seminary of America, New York 1965
  • Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt 1980. ISBN 3-518-07930-1. Bedeutendste Gesamtdarstellung jüdischer Kabbala.
  • Gershom Scholem: Zur Kabbala und ihrer Symbolik. Frankfurt 1973. ISBN 3-518-27613-1
  • Gershom Scholem: Von der mystischen Gestalt der Gottheit. Studien zu Grundbegriffen der Kabbala. Rhein-Vlg., Zürich 1962

Weblinks


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