Minnedienst

Minnedienst

Minne (mhd. Liebe) ist eine spezifisch mittelalterliche Vorstellung von gegenseitiger gesellschaftlicher Verpflichtung, ehrendem Angedenken und Liebe, die die adlige Feudalkultur des Hochmittelalters prägte. Das mittelhochdeutsche Wort minne wird seit dem 19. Jahrhundert als literaturgeschichtlicher und rechtshistorischer Fachbegriff gebraucht.

Minne in der höfischen Literatur

Erhörung eines Bewerbers

Der Begriff der Minne bezeichnete im frühen und hohen Mittelalter ganz allgemein die positive mentale und emotionale Zuwendung, das „freundliche Gedenken“, und wurde für die Beziehung der Menschen zu Gott und für Beziehungen der Menschen untereinander in sozialer, karitativer, freundschaftlicher, erotischer und sexueller Hinsicht gebraucht. Besonders charakteristisch für die höfische Kultur des Hochmittelalters wurde die Thematisierung speziell eines Aspektes: des gesellschaftlichen Umgangs und der emotional-erotischen Beziehung zwischen Männern und Frauen. Diese Seite der Minne, die sich weitgehend mit der heutigen Idee der (Geschlechter-)Liebe deckt, wurde in Deutschland seit 1170 zu einem zentralen Thema in der Lyrik (Minnesang) und Epik (höfischer Roman). In diesem Prozess erfuhr Minne eine Stilisierung zu einem Ideal platonischer Liebe, das vor allem den unverbrüchlichen ritterlichen Dienst für eine Dame, die Unterwerfung unter ihren Willen und die Werbung um ihre Gunst bedeutete (so genannte Hohe Minne). Vor allem im 12. bis 14. Jahrhundert bezeichnete Minne diesen „fin’amors“ oder „amour courtois“ (höfische, adlige Liebe) der romanisch geprägten Ritterkultur. Die autobiographische Erzählung Ulrichs von Liechtenstein über seinen Frauendienst berichtet humorvoll im Detail von den zuweilen fast grotesken Diensten, die ein Ritter für seine Dame vollbringen sollte. Es ist umstritten, ob dieses Ideal, das vor allem in der Gesellschaftskunst des Minnesangs gepflegt wurde, auch eine Bedeutung für das reale Leben des Ritterstandes hatte oder ob es sich eher um ein literarisches, fiktionales Spiel handelte.

Wortgeschichte

Das Wort Minne hat einen radikalen Bedeutungswandel hinter sich. Bezeichnete es zunächst die Liebe allgemein, also etwas wie Geschwisterliebe, Gottesliebe etc., bedeutete es bald die speziell zweigeschlechtliche Liebe. Der Adel und der Klerus sprachen sich aus Gründen der Distinktion selbst allein die Fähigkeit zu, zivilisiert zu lieben, und sprachen diese den niederen Ständen (vor allem den Bauern) ab. So wurde Minne immer stärker zu einer Bezeichnung für die körperliche, also hier eine weltliche, bäurische, trieb- und tierhafte Liebe, wie sie in einigen derben Texten thematisiert wurde. Die ältere Literaturwissenschaft bezeichnete diesen Aspekt des Minnebegriffs auch als „niedere Minne“. Im Spätmittelalter verlagerte sich die Bedeutung des Wortes Minne immer stärker auf den sexuellen Aspekt, so dass das Wort zur Bezeichnung „edlerer“ Gefühle nicht bloß untauglich wurde, sondern tabu war und so zunehmend durch das Wort Liebe ersetzt wurde, bis es quasi ausstarb. Erhalten geblieben ist es heute nur im Fachterminus Minnesang.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Minnedienst — haben, auch: Zum Minnedienst gehen (müssen): seine Freundin (Geliebte) besuchen, ihr zur Verfügung stehen müssen. Die Redensarten werden heute scherzhaft oder mit ironischer Anspielung gesagt, wenn ein (junger) Mann eine intensive Liebesbeziehung …   Das Wörterbuch der Idiome

  • Minnedienst — Mịn|ne|dienst 〈m. 1; im MA〉 Verehrung der Edelfrau durch den Ritter, Werben um die Gunst der Geliebten * * * Mịn|ne|dienst, der: (im MA.) höfischer Dienst des Ritters für die verehrte Frau: Ü M. haben/zum M. gehen (ugs. scherzh.; sich mit… …   Universal-Lexikon

  • Minnedienst — Minnedienstm Liebesverhältnis;Geschlechtsverkehr;Stelldichein.WohlvonSoldatenausgegangenoderbeeinflußt,weilihnenjeglicheTätigkeit»Dienst«ist.1920ff …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

  • Minnedienst — Mịn|ne|dienst …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Frauenehre — Bei der Frauenehre vom Stricker handelt es sich um ein didaktisches Lehrgedicht, das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Niederösterreich entstanden ist. Das Gedicht richtet sich in erster Linie an die höfische Gesellschaft des hohen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gurnemanz — Dieser Artikel behandelt den Versroman Parzival von Wolfram von Eschenbach. Für weitere Werke über die mythische Figur des Parzival siehe Parceval. Wolfram, Parzival 1,1ff (Prolog) – Ist zwiffel hertzen noch gebur... ( Heidelberg, Cod. Pal. germ …   Deutsch Wikipedia

  • Orilus — Dieser Artikel behandelt den Versroman Parzival von Wolfram von Eschenbach. Für weitere Werke über die mythische Figur des Parzival siehe Parceval. Wolfram, Parzival 1,1ff (Prolog) – Ist zwiffel hertzen noch gebur... ( Heidelberg, Cod. Pal. germ …   Deutsch Wikipedia

  • Parzifal — Dieser Artikel behandelt den Versroman Parzival von Wolfram von Eschenbach. Für weitere Werke über die mythische Figur des Parzival siehe Parceval. Wolfram, Parzival 1,1ff (Prolog) – Ist zwiffel hertzen noch gebur... ( Heidelberg, Cod. Pal. germ …   Deutsch Wikipedia

  • Parzival — Wolfram, Parzival 1,1ff (Prolog) – Ist zwiffel hertzen noch gebur... ( Heidelberg, Cod. Pal. germ. 339, fol. 6r) Parzival von Wolfram von Eschenbach ist ein Versroman der mittelhochdeutschen höfischen Literatur, der vermutlich im ersten Jahrzehnt …   Deutsch Wikipedia

  • Parzival (Wolfram) — Dieser Artikel behandelt den Versroman Parzival von Wolfram von Eschenbach. Für weitere Werke über die mythische Figur des Parzival siehe Parceval. Wolfram, Parzival 1,1ff (Prolog) – Ist zwiffel hertzen noch gebur... ( Heidelberg, Cod. Pal. germ …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”