Mitisgrün

Mitisgrün
Strukturformel
Keine Strukturformel vorhanden
Allgemeines
Name Schweinfurter Grün
Andere Namen
  • Kupfer(II)-arsenitacetat
  • Wiener Grün
  • Pariser Grün
  • Mitisgrün
  • Uraniagrün
  • Papageigrün
  • Kaisergrün
  • Neugrün
  • Originalgrün
  • Moosgrün
  • Deckpapiergrün
  • Patentgrün
  • C.I. 77410 (Pigment Green 21)
Summenformel C4H6As6Cu4O16
CAS-Nummer
  • 12002-03-8
  • 12310-22-4
Kurzbeschreibung grünes, kristallines Pulver
Eigenschaften
Molare Masse 1013,80 g/mol
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

zersetzt sich beim Erhitzen [1]

Löslichkeit

in Wasser schlecht löslich [1]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [2]
Giftig Umweltgefährlich
Giftig Umwelt-
gefährlich
(T) (N)
R- und S-Sätze R: 23/25-50/53
S: (1/2)-20/21-28-45-60-61
MAK

keine MAK, da cancerogen [1]

LD50

22 mg·kg−1 (Ratte, oral) [3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Schweinfurter Grün wird unter anderem auch als Pariser Grün, Patentgrün oder Mitisgrün bezeichnet. Es handelt sich dabei um Kupfer(II)-arsenitacetat, ein Doppelsalz, das Kupfer, Arsen und das Anion der Essigsäure enthält. Die chemische Formel wird mit Cu(CH3COO)2 · 3 Cu(AsO2)2 angegeben.[4]

Schweinfurter Grün fand im 19. Jahrhundert als Malerfarbe Verwendung. Es wurde wegen seiner Farbintensität und Lichtechtheit geschätzt, allerdings war seine Giftigkeit schon früh bekannt. Der Ausdruck Giftgrün geht auf Schweinfurter Grün zurück. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde es als eines der ersten Pflanzenschutzmittel eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Jahre 1805 entdeckte der österreichische Techniker Ignaz Edler von Mitis (1771–1842) ein Fällungsprodukt, das nach ihm Mitisgrün genannt wurde. Erstmals hergestellt wurde Schweinfurter Grün um 1805 in Wien. Die erste industrielle Fertigung von Mitisgrün fand im unterfränkischen Schweinfurt durch den Industriellen Wilhelm Sattler statt, das Produkt wurde nach diesem Fabrikationsort benannt. 1814 wurde die Produktion nach Schonungen im Landkreis Schweinfurt verlegt. Das Pigment kam unter einer Vielzahl von Namen in den Handel, etwa 80 sind bekannt.

Den Nachweis der giftigen Wirkung von mit Schweinfurter Grün bedruckten Tapeten veröffentlichte erstmals der Merseburger Arzt Carl von Basedow im Jahre 1844. Er zeigte, dass ein bestimmter Pilz (Penicillium brevicaule) aus leimgebundenem Schweinfurter Grün organische Arsenverbindungen freisetzt, die über die Atemluft zu Vergiftungen führen. 1882 wurde Schweinfurter Grün als Farbe in Deutschland verboten, Verbote galten seit 1887 für die Verarbeitung in wässerigen Bindemitteln und in Pastell. Später wurde es jedoch als Insektizid und als Algen-Schutzanstrich für Schiffe verwendet.

Herstellung

Schweinfurtergrün im engeren Sinne wird durch Zusammengießen siedender Lösungen von kristallisiertem Grünspan (neutralem essigsaurem Kupferoxid) und arseniger Säure (weißem Arsenik) hergestellt. Hierbei entsteht zunächst ein schmutzig grüner, flockiger Niederschlag, der sich durch zwei- bis dreitägiges Stehen in mikroskopisch kleine, glänzende, grüne Kristalle verwandelt, die dann ausgepresst und getrocknet werden. Um einen Farbstoff mit höherer Deckkraft zu erhalten, lässt man die gemischten Flüssigkeiten noch kurze Zeit weiter Sieden. Danach scheidet sich der Farbstoff schnell als feines Pulver ab. Es ist für Öl- und Lackfarben besser geeignet, besitzt aber nicht das „Feuer“ der größeren Kristalle.[5]

Schweinfurter Grün wurde oft mit Gips, Schwerspat, schwefelsaurem Bleioxid oder Chromgelb gemischt.[6]

Der Name „Schweinfurter Grün“ wurde auch als eine Sammelbezeichnung für alle Grünfarben gebraucht, die als wesentliche Bestandteile Kupfer und Arsenik enthielten. Sie kamen unter einer Vielzahl von Bezeichnungen wie Kaisergrün, Pariser-, Wiener-, Kasseler-, Neuwieder-, Mitis-, Berggrün und Scheelesches Grün in den Handel und unterschieden sich durch ihre Tönungen und die lebhaftere oder mattere Farbe.[5]

Nachweis

Um schnell festzustellen, ob eine grüne Farbe Schweinfurtergrün ist, empfiehlt Merck’s Warenlexikon von 1884 sie in Ammoniak zu lösen und die entstandene blaue Lösung auf Papier zu tropfen. Falls nach dem Verdunsten des Ammoniaks ein hellblauer Rückstand zurückbleibt, liegt nur eine Kupferfarbe ohne Arsenik vor. Wenn Arsenik enthalten ist, hat der Rückstand eine schmutzig gelbgrüne Farbe.

Übergießt man etwas Schweinfurtergrün mit Salzsäure, löst es sich mit gelber Farbe. Wenn diese Lösung zusammen mit einem blanken Kupferblech in einer verschlossenen Flasche aufbewahrt wird, ist das Blech nach einiger Zeit mit einer schwarzen Kruste von Arsen und Arsenkupfer bedeckt.[5]

Verwendung als Pflanzenschutzmittel

In den USA ließ sich 1868 ein J. P. Wilson die Lösung von einem Teil Paris Green in zwei Teilen Mineralöl für die Anwendung gegen den Kartoffelkäfer patentieren. Schweinfurter Grün wurde auch in anderen Insektizid-Rezepturen, beispielsweise vermischt mit Holzasche, verwendet. Es war das erste chemische Insektizid, das in großem Umfang angewendet wurde.[7] Mitte der 1890er Jahre wurden in den USA bereits 2000 Tonnen jährlich verkauft. Um diese Zeit versuchte man dort, Schweinfurter Grün gegen den Schwammspinner einzusetzen, wofür es jedoch ungeeignet war. Bei der Suche nach einer geeigneten Insektizid stellte sich Bleiarsenat als wirksamer heraus. Da es weniger Verbrennungsschäden auf den Blättern hinterließ und dort länger haften blieb, setzte sich Bleiarsenat in den USA als meistverwendetes Insektizid durch.[8]

In Deutschland begannen 1905 Versuche mit Schweinfurter Grün und anderen Arsenverbindungen für die Anwendung im Wein- und Obstbau. Erst nachdem Arsen 1920 in die erste Pflanzenschutzmittelliste der Biologischen Reichsanstalt aufgenommen worden war, begann man Schweinfurter Grün als Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Im Jahre 1936 waren in Deutschland die Kupferarsenitacetat-Präparate Uraniagrün, Elafrosin, Franconiagrün, Saxoniagrün, Silesiagrün und St. Urbansgrün für die Verwendung im Weinbau zugelassen. Der Einsatz richtete sich vor allem gegen Heu- und Sauerwurm, die Larven des Traubenwicklers. Um den Wirkstoff auszubringen, löste man 150–200 g Kupferarsenitacetat in 100 Litern Kupferkalkbrühe.

Während die Arsenrückstände im Wein gering waren, enthielt der von den Winzern als Haustrunk für den Eigenbedarf hergestellte Tresterwein zwischen 2 und 8,9 mg Arsen/Liter. Über längere Zeit getrunken konnte er zu einer chronischen Arsenvergiftung führen. Davon waren zwischen 1925 und 1934 etwa 100 Winzer am Kaiserstuhl und zwischen 1938 und 1942 etwa 1000 Winzer an der Mosel betroffen. In Deutschland wurde die Verwendung von arsenhaltigen Mitteln im Weinbau durch ein Gesetz vom November 1942 verboten.[9]

In der Schweiz wurde Schweinfurtergrün als Vert de Schweinfurt 1914 für den Einsatz im Weinbau angeboten. Es hat dort allerdings keine große Bedeutung erlangt, weil mit Bleiarsenat eine Alternative zur Verfügung stand.[8]

Altlasten

Opfer des Schweinfurter Grüns sind aktuell Einwohner der Gemeinde Schonungen, deren Häuser sich auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Firma Sattler befinden. Sie sollen nach dem Willen der bayerischen Regierung bis zur Höhe des Wertes ihrer Häuser an den Sanierungskosten beteiligt werden.

Quellen

  1. a b c Eintrag zu CAS-Nr. 12310-22-4 in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 30. August 2007 (JavaScript erforderlich)
  2. Nicht explizit in RL 67/548/EWG, Anh. I gelistet, fällt aber dort mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Sammelbegriff „Arsenverbindungen“; Eintrag in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 31. März 2009 (JavaScript erforderlich)
  3. Schweinfurter Grün bei ChemIDplus
  4. Römpp Lexikon Chemie: Schweinfurter Grün.
  5. a b c Merck's Warenlexikon von 1884: Schweinfurter Grün
  6. Meyers Lexikon von 1885–1892: Schweinfurter Grün
  7. Thomas R. Dunlap: DDT: Scientists, Citizens and Public Policy. Princeton University Press, 1981, ISBN 0-691-04680-8, S. 19
  8. a b Lukas Straumann: Nützliche Schädlinge. 2005, Chronos Verlag, Zürich, ISBN 3-0340-0695-0
  9. Paul Claus: Arsen zur Schädlingsbekämpfung im Weinbau 1904–1942. Schriften zur Weingeschichte, Nr. 58, Wiesbaden 1981, ISSN 0302 0967

Literatur

Weblinks


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