Muss-Kind

Muss-Kind
Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.

Als Schulpflicht bezeichnet man die gesetzliche Verpflichtung für Kinder ab einem bestimmten Alter, für Jugendliche und Heranwachsende bis zu einem bestimmten Alter, eine Schule zu besuchen. Diese muss im Fall der Minderjährigkeit der Schulpflichtigen durch die Erziehungsberechtigten (meist die Eltern) umgesetzt werden. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Bildungspflicht, die zwar Prüfungen vorsieht, jedoch keinen verpflichtenden Schul- oder Unterrichtsbesuch. In Übersetzungen von Darstellungen der Situation im Ausland (selbst solchen des Auswärtigen Amtes) ist jedoch häufig von „Schulpflicht“ die Rede, wenn eigentlich „Bildungspflicht“ gemeint ist.

Inhaltsverzeichnis

Schulpflicht in Deutschland

Geschichte

Königliche Verordnung zur Einführung der Allgemeinen Schulpflicht in Preußen, 1717

In der Reformation wird die Forderung laut, allgemeine Schulen für Jungen und Mädchen einzurichten. Grundlegend ist Martin Luthers Schrift An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen (1524). Diese Forderung fand naturgemäß in den protestantischen Landesteilen Gehör, also in den meist evangelischen Reichsstädten und in den lutherischen Fürstentümern. Besonders im Südwesten des Reiches war man, unter der Federführung der bedeutenden evangelischen Reichsstadt Straßburg im Elsass, die bis zur Eroberung durch Frankreich (1681) zum Reich gehörte und seit der Zeit des bedeutenden Humanisten Johannes Sturm ein in ganz Europa als vorbildlich gerühmtes Schulwesen besaß, in dieser Frage besonders weit voraus. Unter Straßburger Einfluss führte das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1592 als erstes Territorium Deutschlands und damit der Welt die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Knaben ein.[1] Straßburg selbst folgte 1598 mit einem entsprechenden Gesetz. Gesetzliche Bestimmungen zur Schulpflicht wurden dann in vielen protestantischen Fürstentümern eingeführt und finden sich in fast allen evangelischen Kirchenordnungen der Zeit. In Württemberg wurde bereits in der großen Kirchenordnung von 1559 eine Schulpflicht festgelegt. Diese betraf allerdings nur den männlichen Teil der Bevölkerung. Die allgemeine Schulpflicht wurde erst 1649 eingeführt, während sie in Sachsen-Gotha bereits 1642 und in Braunschweig-Wolfenbüttel seit 1647 bestand.[2]

Preußischer Schulmeister

Von geschichtlicher und auch für das Ausland beispielgebender Bedeutung ist die Entwicklung in Preußen. Principia regulativa des Königs Friedrich Wilhelm I., (1717), für ganz Preußen durch das Generallandschulreglement Friedrichs des Großen von 1763 bestätigt.

In den katholisch gebliebenen Landesteilen Deutschlands verlief die Durchsetzung dieser Forderungen äußerst zäh. So wurde in Bayern erst 1802 (sechsjährige Unterrichtspflicht) ein entsprechendes Gesetz erlassen.

Aber auch im evangelischen Sachsen begann erst 1835 mit dem Volksschulgesetz die achtjährige Schulpflicht.

Besonders in der Landbevölkerung stieß die Schulpflicht zunächst auf Widerstand. Die in kleinbäuerlichen Betrieben notwendige Arbeitskraft der Kinder wurde erheblich wichtiger als deren Schulbildung angesehen. So kam es z. B. in der Eifel, nachdem diese 1815 preußisch wurde, in den beiden folgenden Jahrzehnten mehrmals zu heftigen Protesten der Landbevölkerung gegen den Schulbesuch der Kinder.

Wenn im bisher gesagten von Schulpflichtgesetz die Rede ist, muss immer mitgedacht werden, dass der Staat bis zum Beginn des 20. Jhdts. diese gesetzlich geforderte Schulpflicht gar nicht durchsetzen konnte. Schulpflichtgesetze waren eher Absichtserklärungen. Der Staat verfügte auch nicht über ein flächendeckendes Schulsystem, das allen potentiellen Schülern einen ordnungsgemäßen Schulbesuch ermöglicht hätte. Es fehlten Schulgebäude, Lehrer und vor allem eine staatliche Kultusbürokratie. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde systematisch daran gearbeitet, diese Voraussetzungen schrittweise zu schaffen. Eine Ausnahme bildeten unter anderem die kleineren, fortschrittlichen Herzogtümer Thüringens, wie Sachsen-Gotha, wo unter Ernst dem Frommen und dem Pädagogen Andreas Reyher vorbildliche Voraussetzungen wie Schulbauten, Lehrerseminare, Unterrichtspläne, Schulbuchdruck und Kultusbürokratie geschaffen wurden. Es gab das Sprichwort, dass des Herzogs Bauern gebildeter seien als anderswo der Adel.

Anfang des 20. Jahrhunderts galten derartige Gesetze für ganz Deutschland, Österreich-Ungarn und Skandinavien, Frankreich (seit 1882). In den Jahren des Nationalsozialismus wurde 1938 ein Reichsschulpflichtgesetz erlassen. In England war die Regelung der Schulpflicht den einzelnen Gemeinden, in den USA den einzelnen Staaten vorbehalten. Das erste Land mit gesetzlich geregelter allgemeiner Schulpflicht war Liechtenstein.

Wichtig zu beachten ist, dass die Schulpflicht zunächst nur für Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit galt. Erst in den 1960er Jahren wurde sie für ausländische Kinder eingeführt. Für Asylbewerberkinder wurde sie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen erst 2005 eingeführt. Zuvor bestand höchstens ein Schulbesuchsrecht.

Heutige Rechtslage

In Deutschland ist die Schulpflicht nicht im Grundgesetz (GG) oder einem anderen Bundesgesetz geregelt, sondern – aufgrund der Kulturhoheit der Länder – in den einzelnen Landesverfassungen. Die Länder sind hierzu durch das Grundgesetz ermächtigt. So steht in Art. 7 Abs. 1 GG: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“, woraus sich nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch das Recht der Länder ergibt, durch Landesgesetze die Schulpflicht zu bestimmen. Dies kann auch aus dem nachfolgenden Absatz (Art. 7 Abs. 2 GG) abgeleitet werden, der den Eltern das Recht einräumt, über den Besuch des Religionsunterrichts zu bestimmen. Diese Regelung schützt im Umkehrschluss die freie Verfügung der Eltern über den Schulbesuch ihrer Kinder nicht vor landesgesetzlichen Eingriffen in anderen Bereichen als dem Religionsunterricht.

Zu unterscheiden ist zwischen der Vollzeitschulpflicht und der Berufsschulpflicht. Die Vollzeitschulpflicht dauert in der Regel bis zum Abschluss des 9. Schulbesuchsjahres, in einigen Bundesländern bis zum Abschluss des 10. Schulbesuchsjahres. Der Begriff „Schulbesuchsjahr“ ist nicht mit dem Begriff „Jahrgangsstufe“ zu verwechseln (Beispiel: Für einen Schüler, der zweimal sitzengeblieben ist, endet die Vollzeitschulpflicht am Ende der Klasse 7 bzw. Klasse 8). Für Schüler, die eine Klasse oder mehrere Klassen übersprungen haben, endet die Vollzeitschulpflicht in der Regel nach dem Besuch der Klasse 9 bzw. Klasse 10. In engem sachlichem Zusammenhang mit der Vollzeitschulpflicht steht das Verbot der Kinderarbeit.

Die Berufsschulpflicht beginnt nach Ablauf der Vollzeitschulpflicht. Die Berufsschulpflicht kann entweder durch die Teilnahme an einer Berufsausbildung, durch Bildungsgänge an einer Berufsbildenden Schule oder durch den Besuch der Sekundarstufe I oder der Sekundarstufe II einer Allgemeinbildenden Schule erfüllt werden. In der Regel endet die Berufsschulpflicht mit dem Ende der Berufsausbildung bzw. mit dem zwölften Schulbesuchsjahr. Die näheren Details und weitere Alternativen zum Nachkommen der Berufsschulpflicht unterscheiden sich je nach Bundesland.

Für alle Kinder, die bis zum 30. Juni das 6. Lebensjahr vollenden, beginnt die Schulpflicht am 1. August. In Bayern wird der Stichtag für die Einschulung ab dem Schuljahr 2005/2006 bis 2010/11 auf den 31. Dezember verschoben („Musskinder“). In Baden-Württemberg ist der 30. September der Stichtag. Ab 2009 soll in Niedersachsen in drei Schritten bis 2012 der Stichtag für das Einschulungsalter vom 30. Juni auf den 30. September verlegt werden. [3] Auf Antrag der Eltern können auch Kinder in die Schule aufgenommen werden, die in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember das 6. Lebensjahr vollenden („Kannkinder“; in Bayern sind diese Kinder wegen der Stichtagverschiebung ohnehin „Musskinder“). Die Entscheidung trifft in diesem Fall die Schulleitung unter Berücksichtigung eines schulärztlichen Gutachtens. Die Schulpflicht beginnt spätestens mit der Einschulung.

Es können jedoch auch schulpflichtige Kinder, die noch nicht den für den Schulbesuch erforderlichen körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklungsstand haben, auf Antrag der Eltern unter Beteiligung eines schulärztlichen und schulpsychologischen Dienstes von der Schulleitung für ein Jahr von der Teilnahme am Unterricht der Grundschule oder der Sonderschule zurückgestellt werden. Mehrere Bundesländer haben den Beginn der Vollzeitschulpflicht inzwischen teilweise vorverlegt, so dass auch fünfjährige oder sogar noch jüngere Kinder berechtigt zum Schulbesuch sein können, wenn sie entsprechend weit entwickelt sind. Ein Rechtsanspruch auf eine vorzeitige Einschulung besteht bislang ebenso wenig wie eine vorzeitige Einschulungspflicht.

Land Beginn
Alter
Dauer
Jahre
(1) Baden-Württemberg 5–7 Abschluss Grundschule(i.d.R. 4 Jahre) und 5 Jahre weiterführende Schule(§ 73 - 76 BW SchG; zusätzlich Berufsschulpflicht für 3 Jahre oder bis zum 18. Lebensjahr bzw. Besuch einer weiterführenden Schule, §§ 77f.)
(2) Bayern 5–7 9 (zusätzlich 3 Jahre Berufsschulpflicht oder ein Berufsvorbereitungsjahr)
(3) Berlin 5–6 10 (§ 42 Berliner SchulG, Link s.u.)
(4) Brandenburg 5–7 10 (§ 39 BbgSchulG, Links s.u.) Berufsschulpflicht bis zum Ende des Schuljahres, in dem der Schüler das 18.Lebensjahr vollendet hat
(5) Bremen 6 12
(6) Hamburg 5–6 9 (Berufsschulpflicht für zwei Jahre oder bis zum Ende des Schuljahres, in dem das 18. Lebensjahr vollendet wird)
(7) Hessen 5–7 9 (§ 59 Hess. Schulgesetz)
(8) Mecklenburg-Vorpommern 6 Berufsschulpflicht bis zum Ende des Schulhalbjahres, in dem der Schüler das 18.Lebensjahr vollendet hat (§ 42 SchulG M-V)
(9) Niedersachsen 6–7 12 (oder weniger nach § 65 (2) )
(10) Nordrhein-Westfalen 6 10 (Berufsschulpflicht bei Beginn einer Ausbildung im dualen System vor dem 18. Lebensjahr bis zum Ende der Ausbildung - auch über das 18 Lebensjahr hinaus) (§§ 37,38 SchulG NRW)
(11) Rheinland-Pfalz 6 9 oder weniger
(12) Saarland 5–8 9
(13) Sachsen 6–7 9 (Berufsschulpflicht bis zum 18. Lebensjahr)
(14) Sachsen-Anhalt 6 9 (bei einer Absolvierung von nur 9 Jahren ist ein Berufsvorbereitendes Jahr Pflicht)
(15) Schleswig-Holstein 6–7 9
(16) Thüringen 6–7 9

Bereiche der Schulpflicht

Die Schulpflicht erstreckt sich im Wesentlichen auf drei Bereiche: Teilnahme, Anmeldung und Schulwahl.

  • Zum Bereich Teilnahme gehört die regelmäßige und aktive Teilnahme am Unterricht sowie an Schulveranstaltungen (sofern diese – z. B. finanziell – zumutbar sind). Bei Ganztagsschulen gilt dies auch für den Nachmittag.
  • Zum Bereich Anmeldung gehört, dass die Eltern verpflichtet sind, ihre minderjährigen Kinder in einer Schule ihrer Wahl anzumelden. Das gilt nicht in der Grundschule. Volljährige Schüler sind hierfür selbst zuständig. Falls es aber um die Anmeldung an einer Berufsschule geht, ist der Ausbilder bzw. Arbeitgeber zur Anmeldung verpflichtet.
  • Zum Bereich Schulwahl gehört, dass die schulpflichtige Person in einer deutschen öffentlichen Schule oder einer Privatschule angemeldet werden muss. Es ist also z. B. nicht möglich ein Kind auf eine Schule eines Nachbarlandes zu schicken. Ausnahmeregelungen sind jedoch möglich und internationales Recht (z. B. in Hinblick auf Diplomatenkinder) wird hiervon nicht berührt.

Durchsetzung der Schulpflicht

Die Erziehungsberechtigten der Schüler sind zur Überwachung der Schulpflicht ihrer minderjährigen Kinder verpflichtet. Befreiungen von der Schulpflicht werden nur in eng begrenzten Fällen ausgesprochen (s.u.). Kommen die Erziehungsberechtigten ihrer Pflicht nicht nach, dann stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die einen Bußgeldbescheid zur Folge haben kann. Bei der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen muss zwischen Verletzungen der Schulpflicht durch Schüler und der durch die Erziehungsberechtigten unterschieden werden. Die Verhängung eines Bußgeldes gegen Schüler setzt deren Strafmündigkeit voraus. Die Durchsetzung der Schulpflicht ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich liberal oder restriktiv. In den Bundesländern Hamburg, Hessen und Saarland sind Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen möglich. Als vorletzte Konsequenz können die Schüler auch zwangsweise zur Schule gebracht werden, wenn zuvor alle anderen Versuche erfolglos blieben (Schulzwang). Der Schulzwang wurde durch das Reichsschulpflichtgesetz vom 6. Juli 1938 gesetzlich normiert und ist heute in den Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer geregelt. Als letzte Konsequenz kann den Eltern schließlich durch ein Familiengericht das Personensorgerecht ganz oder teilweise entzogen werden. Von dieser letzten Möglichkeit wurde bisher kaum Gebrauch gemacht. Mit Beschluss vom 31. Mai 2006 hat das Bundesverfassungsgericht die Schulpflicht aller Kinder höchstgerichtlich bestätigt und die strafrechtliche Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Schulpflicht durch religiöse Eltern als verfassungsgemäß beurteilt [4].

Nichtanwendung der Norm in bestimmten Fällen

Asylbewerber und Ausländer ohne Aufenthaltsstatus
  • Es ist in der Rechtsprechung einiger Bundesländer unklar, ob sich die Schulpflicht auch auf Asylbewerberkinder erstreckt.
  • Der Rat der Stadt München hat 2004 beschlossen: „Das Schulreferat wird gebeten, allen Schulleitungen mitzuteilen, dass Kinder mit illegalem Aufenthaltsstatus grundsätzlich schulpflichtig sind.“[5] Daraus wird ausdrücklich geschlussfolgert, dass Schulleiter dem Aufenthaltsstatus von Kindern bzw. Jugendlichen und von deren Eltern nicht nachgehen müssten. Nur so könne der allgemeinen Schulpflicht, die sich auf alle in Deutschland Lebenden beziehe, Geltung verschafft werden.
    In Hessen hingegen sind nach Mitteilung des Kultusministeriums Schulen zur Erfassung des Aufenthaltsstatus und zur Meldung statusloser Kinder an die Ausländerbehörde verpflichtet, andernfalls drohen dienstrechtliche Konsequenzen.[5][6] Nach Auffassung des Hessischen Kultusministeriums gilt die Schulpflicht nicht für Illegale.[6]
    Schätzungen zufolge leben mit hoher Wahrscheinlichkeit einige Zehntausend Kinder und Jugendliche illegal in Deutschland, von denen die wenigsten eine Schule besuchen.[5]
    Ein Rechtsgutachten der Max-Traeger-Stiftung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kam 2005 zum Schluss, dass Schulleiter ungeachtet §87 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Meldung verpflichtet sind und dass statuslose Kinder wegen des im Grundgesetz festgelegten Gleichbehandlungsgrundsatzes einen Anspruch auf Schulzugang haben.[7]

Ruhenlassen der Schulpflicht in Einzelfällen

In einigen Bundesländern ist ein „Ruhenlassen der Schulpflicht“ möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (und eine gleichwertige Förderung möglich ist):

  • In besonderen Härtefällen können in einigen Bundesländern ausländische Jugendliche vom 14. Lebensjahr an von der Schulpflicht befreit werden.
  • Für Kinder mit Behinderungen bestehen verschiedene Sonderregelungen auf Länderebene. In der Regel werden jedoch auch schwer behinderte Menschen nicht durch Anwendung des Instruments des „Ruhenlassens der Schulpflicht“ von ihrem Recht auf Bildung ausgeschlossen. Eine entsprechende Möglichkeit gibt es in den meisten Schulgesetzen nicht (mehr).

Zeitweilige Befreiung vom Unterricht
  • Zeitweilig von der Schulpflicht ausgenommen sind in einigen Bundesländern schwer erziehbare Kinder und Jugendliche, die als „nicht beschulbar“ gelten. Diese gehen unter Aufsicht von Sozialpädagogen anderen sinnvollen Tätigkeiten nach, bis sie (wieder) in die Lage versetzt sind, am Unterricht in einer Schule teilzunehmen.
  • Die Schulpflicht erstreckt sich ebenfalls auf Schulfahrten; Befreiungen aus besonderen Gründen sind jedoch möglich.
  • Eine generelle Befreiung von der Schulpflicht aus religiösen Gründen ist nicht möglich, wohl aber eine Befreiung an wichtigen religiösen Feiertagen.
  • Eine Befreiung von einzelnen Unterrichtsfächern ist nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. So kann eine Befreiung vom Sportunterricht erfolgen, solange eine Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Eine Befreiung vom Sportunterricht aus religiösen Gründen ist aus besonderen Gründen ebenfalls möglich.
  • Eine Pflicht zum Besuch von konfessionellen Religionsunterricht besteht wegen des Grundrechts auf Religionsfreiheit nicht. Bis zur uneingeschränkten Religionsmündigkeit entscheiden in der Regel die Eltern ob ihre Kinder am Religionsunterricht teilnehmen sollen. Ab dem 14. Geburtstag liegt es im Ermessen des Jugendlichen ob er sich für den Religionsunterricht seines Bekenntnisses anmeldet. Für eine Abmeldung ist keine Begründung erforderlich.

Verwandte Rechtsbereiche

Die Beschulungspflicht

Dadurch, dass der Staat die Schulpflicht anordnet, ergibt sich für diesen die Beschulungspflicht. Diese verpflichtet den Staat, dafür zu sorgen, dass auch alle schulpflichtigen Menschen in Deutschland eine öffentliche Schule besuchen können.

Die Teilnahmepflicht

Die Schülerinnen und Schüler sind zur aktiven Mitarbeit am Unterricht verpflichtet. Dies gilt auch für Leistungskontrollen, wie Klassenarbeiten. Bei einer Leistungsverweigerung ist die Note ungenügend zu erteilen. Wenn durch mangelhafte Leistungen die Versetzung gefährdet wird, dann müssen die Eltern hierüber informiert werden. Falls durch die Leistungsverweigerung auch der Lernerfolg anderer Schüler gefährdet wird, können die Lehrer Ordnungsmaßnahmen ergreifen. Während der Schulzeit müssen die Schüler bis zur neunten Klasse auf dem Schulgrundstück bleiben, so dass die Schule ihrer Aufsichtspflicht nachkommen kann.

Meinungen zur Schulpflicht

Befürworter

Der damalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber begründete die Schulpflicht im September 2008 mit den Worten: „Die allgemeine Schulpflicht gilt als eine unverzichtbare Bedingung für die Gewährleistung der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung und zugleich als unerlässliche Voraussetzung für die Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrt der Gesellschaft. Sinn und Zweck der Schulpflicht ist nicht nur die Vermittlung von Lehrplaninhalten, sondern insbesondere auch die Schulung der Sozialkompetenz der Kinder. Die Sozialkompetenz wird durch das Lernen in der Klassengemeinschaft und durch gemeinsame Schulveranstaltungen in besonderem Maße gefördert. Neben der Förderung der Sozialkompetenz hat die Schule auch die Funktion, während der Unterrichtszeit auf das Kindeswohl zu achten. Würde man Ausnahmen von der Schulpflicht zulassen, müsste diese Aufgabe von den Jugendämtern übernommen werden. Die Bayerische Verfassung will mit der allgemeinen Schulpflicht alle Kinder und Jugendlichen gleichermaßen und umfassend in die Gesellschaft eingliedern. Dies ist eine der großen emanzipatorischen und demokratischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts.“[8]

Kritiker

Die Schulpflicht wurde im Laufe ihrer Geschichte immer wieder sehr kritisiert. Von konservativ religiöser Seite wird der soziale Umgang und einzelne Unterrichtsinhalte (wie z. B. der Schwimmunterricht oder die Evolutionstheorie) abgelehnt. Aus konsequent freiheitlicher, libertärer Sicht wird die Schulpflicht als unzulässiger Eingriff in persönliche Freiheit und Indoktrination abgelehnt. Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung Vernor Muñoz äußerte sich in seinem in Berlin veröffentlichten Bericht vom 21. Februar 2006 besorgt darüber, dass die restriktive deutsche Schulpflicht die Inanspruchnahme des Rechtes auf Bildung mittels alternativer Lernformen wie Hausunterricht kriminalisiert.[9][10]

Unterrichtspflicht in Österreich

In Österreich gibt es keine Schulpflicht sondern eine Unterrichtspflicht. Dies bedeutet, dass alle Kinder, die bis zum 31. August eines Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben, am darauf folgenden 1. September unterrichtspflichtig sind und jene Grundschule, die in ihrem Schulsprengel (siehe weiter unten) liegt, besuchen. Diese Unterrichtspflicht gilt für alle Kinder, die sich länger in Österreich aufhalten, unabhängig von einem Aufenthaltsrecht in Österreich.

Die Unterrichtspflicht wurde bereits von Maria Theresia im Jahr 1774 für Österreich und die Kronländer generell eingeführt (Dauer damals: 6 Jahre).

In Österreich kann ein Kind von den Erziehungsberechtigten zum häuslichen Unterricht abgemeldet werden. Dies wird allerdings nur von 0,5 Prozent der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten pro Schuljahr in Anspruch genommen und erfordert ein Ansuchen, das über die Direktion jener Schule, in der das Kind seine Unterrichtspflicht erfüllen soll, an die Schulbehörde der ersten Instanz (in Österreich ist dies das Amt des Bezirks-Schulrates an der zuständigen Bezirkshauptmannschaft) gerichtet werden muss. Diese kann frei entscheiden, ob dem Ansuchen entsprochen wird oder nicht. Ein Rechtsmittel gegen den Entscheid ist nicht vorgesehen. Am Ende des Schuljahres, für das um häuslichen Unterricht angesucht wurde, hat das Kind eine Feststellungsprüfung abzulegen, in der festgestellt wird, ob das Lehrziel des betreffenden Schuljahres (dem Lehrplan entsprechend) erfüllt wurde. Die Eltern sind verpflichtet, ihr Kind während der Einschreibungszeit (d.i. in der Regel in der ersten Woche des Januar im Anschluss an die Weihnachtsferien) zur Erfüllung der Unterrichtspflicht ab 1. September in der Direktion jener Volksschule vorzustellen, die im Schulsprengel liegt. Die Zugehörigkeit jeder Ortschaft (Dorf, Weiler, Gemeinde, Stadt) zu einem Schulsprengel ist durch ein Landesgesetz geregelt. Die Einschreibungs-Termine sind „ortsüblich“ zu verlautbaren, dies bedeutet, dass in der Regel im Schaukasten der Schule die Termine kundgemacht werden. In besonderen Fällen werden die Erziehungsberechtigten der unterrichtspflichtigen Kinder von der zuständigen Gemeinde über die Termine zur Einschreibung verständigt (was eine Serviceleistung, aber keine Verpflichtung ist).

Siehe auch: Schulsystem in Österreich

Schulpflicht in anderen Ländern

In der Schweiz (bis auf 2 Kantone), Australien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und den USA besteht anstatt der Schulpflicht eine Bildungspflicht oder Unterrichtspflicht, die statt durch Schulbesuch auch durch Hausunterricht oder Unschooling (selbstständiges Lernen) erfüllt werden kann. In Schweden besteht regelmäßig Schulpflicht, Ausnahmen sind laut Gesetz möglich, werden aber nur sehr restriktiv erteilt.

Daten zur Bildungspflicht in allen Ländern der Welt sammelt und veröffentlicht die Unesco im Rahmen ihres Programms Education for All (EFA). Übersichtstabellen und Berichte zur Bildungspflicht und anderen Bildungsindikatoren im internationalen Vergleich können im Internet-Angebot der Unesco abgerufen werden (s. Weblinks).

Alternativen

Schulen in privater oder kirchlicher Trägerschaft bieten eine Alternative zur staatlichen Schule. Einige der nicht-staatlichen Schulen setzen bewusst auch auf alternative Unterrichtsmethoden, wie z. B. Waldorfpädagogik oder Montessoripädagogoik, oder sind Internate. Die meisten Schulen in freier Trägerschaft erheben ein von den Eltern zu zahlendes Schulgeld, weil der Staat diese Schulen nur teilweise finanziert.

Außerhalb Deutschland bietet zudem die Bildungspflicht, die mit Hausunterricht oder auch Unschooling erfüllt werden kann, eine Alternative zur allgemeinen Schulpflicht.

International bekanntere Schulen, die eine Anwesenheitspflicht im Unterricht ablehnen, sind Summerhill, gegründet von dem Reformpädagogen A. S. Neill, in England und die Sudbury-Schulen (siehe auch Demokratische Schulen).

Literatur

  • Hermann Avenarius, Hans Heckel, Hans-Christoph Loebel: Schulrechtskunde. Ein Handbuch für die Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft. 7. Aufl., Luchterhand, Neuwied 2006, ISBN 3-4720217-5-6.
  • Christian Jülich, Wolfgang Rombey: Die Schulpflicht in Nordrhein-Westfalen. Deutscher Gemeindeverlag, Köln 1980, ISBN 3-555-30166-7.

Weblinks

  • Schulpflichtgesetze der deutschen Bundesländer:

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz,Thüringen

Quellen

  1. Vgl. Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Band 18: Rheinland-Pfalz I, Tübingen (Mohr-Siebeck) 2006, S. 406.
  2. Seminararbeit zur Barocken Lesekultur
  3. http://www1.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/schulreformns100.html
  4. BVerfG, 2 BvR 1693/04 vom 31.5.2006
  5. a b c Deutschlands vergessene Kinder. Süddeutsche Zeitung vom 21. Oktober 2008. http://www.sueddeutsche.de/panorama/890/314786/text/
  6. a b Hessen bleibt hart. „Illegale“ Kinder dürfen nicht zur Schule, 21. April 2006
  7. Max-Traeger-Stiftung: Aufenthaltsrechtliche Illegalität und soziale Mindeststandards - Das Recht des statuslosen Kindes auf Bildung -. 2005 http://www.gew.de/Binaries/Binary29225/RG_im_Auftrag_der_Max-Traeger-Stiftung,_Das_Recht_des_stat%E2%80%A6.pdf
  8. http://www.kandidatenwatch.de/erwin_huber-120-16282--f143173.html#frage143173
  9. unerzogen-Blog
  10. Report of the Special Rapporteur on the right to education, Vernor Muñoz
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