- Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus
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Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus ist ein von Friedrich Silcher adaptiertes und 1827 erstmals publiziertes deutsches Volkslied, das durch zwei englischsprachige Adaptionen von Elvis Presley im Jahre 1960 und Joe Dowell 1961 jeweils als Millionenseller eine weltweite Verbreitung erfuhr und damit zu einer der international bekanntesten deutschen Volksweisen wurde.
Inhaltsverzeichnis
Entstehungsgeschichte
Friedrich Silchers Vorlage zu Muss i denn, muss i denn zum Städtele naus ist nicht überliefert. Silcher hat zumindest die Melodie übernommen, denn er erwähnte sie Ludwig Uhland gegenüber als „altwürttembergische Melodie“[1], oft wird auf das Remstal als Herkunftsort verwiesen. Der zu dieser Melodie ursprünglich gesungene Text ist nicht überliefert. Silcher jedenfalls griff auf diese traditionelle Melodie zurück und integrierte zwei vom befreundeten Stuttgarter Gelegenheitsdichter Heinrich Wagner (1783–1863) neu verfasste Strophen: Die zweite und dritte Strophe fügte Heinrich Wagner im Jahre 1824 hinzu.
In Friedrich Silchers zweitem Heft der „Volkslieder, gesammelt und für vier Männerstimmen gesetzt“ (opus 8 Nr. 12) erschien das Lied in dieser Form erstmals im Jahr 1827 auf Seite 16[2]. Wagner veröffentlichte den in schwäbischer Mundart gehaltenen Liedtext mit der anonymen Eingangsstrophe 1833 im vierten Band seiner Sammlung „Stech-Palmen. Satyrisches und Lyrisches aus Süd-Deutschland“ auf Seite 154.
Inhalt des von Silcher mit „Abschied“, von Wagner hingegen „Der wandernde Liebhaber“ betitelten Liedes sind die Abschiedsworte eines jungen Mannes, der seine Geliebte verlassen muss. Er verspricht ihr Treue und sie zu heiraten, wenn er „übers Jahr“ zurückkehre. Schon vor Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Lied in eine Reihe von Gebrauchsliederbüchern aufgenommen. Im Jahre 1892 bezeichnete August Holder Muss i denn… als „das beste, wirksamste und beliebteste Volkslied des schwäbischen Stammes. Auf Flügeln des Gesanges hat es sich längst über den ganzen Erdball verbreitet“. Wie frühzeitig die internationale Rezeption einsetzte, zeigt etwa die englische Übersetzung Must I, then? Must I, then? From the town must I, then? von Henry William Dulcken aus dem Jahr 1856.
Elvis Presley
Als Soldaten- und Abschiedslied, später auch als Wanderlied, fand das Volkslied schon vor der Übernahme durch Elvis Presley weite Verbreitung und wurde bereits im 19. Jahrhundert über Deutschland hinaus rezipiert.
Elvis Presley wurde am 11. September 1958 in die 1st Medium Tank Bataillon, 32nd Armour, 3rd Armoured Division abkommandiert und nach Friedberg (Hessen) eingezogen, wo er am 1. Oktober 1958 eintraf. Hier wurde er bis zum Feldwebel (Sergeant) befördert, wohnte privat im benachbarten Bad Nauheim und verließ Friedberg am 2. März 1960. Am 1. März 1960 wurde für ihn bei AFN Frankfurt eine Pressekonferenz einberufen. Während seiner Armeezeit in Deutschland wurde er auf „Muss i denn..“ aufmerksam. Der gesamte, nach seiner Militärzeit gedrehte Elvis-Film G. I. Blues ist eine Reminiszenz an seine Armeezeit in Deutschland, erste musikalische Hommage war das Lied Frankfurt Special, aufgenommen am 27. April 1960. Am darauf folgenden Tag singt er unter seinem Hausproduzenten Steve Sholes dann Wooden Heart mit englischem Text und einigen deutschsprachigen Passagen, begleitet von Tuba und Orgel. Als Komponisten für diese Neubearbeitung sind Fred Wise / Ben Weisman[3] / Kay Twomey / Bert Kaempfert registriert, weil die Ursprungskomposition urheberrechtlich bereits als Traditional oder Public Domain keinem Urheberrechtsschutz mehr unterlag.
Wooden Heart war zunächst lediglich auf dem zum Film erschienenen Album G. I. Blues enthalten, das am 1. Oktober 1960 veröffentlicht wurde. Der Film kam am 23. November 1960 in den USA und am 23. Dezember 1960 in Deutschland (als „Café Europa“) in die Kinos. Hierin singt Elvis Wooden Heart zusammen mit den hölzernen Puppen während der Vorführung eines Kasperletheaters. RCA Records hatten sich zunächst entschlossen, das Lied in den USA nicht als Single zu veröffentlichen. Sie waren vom Hitpotenzial einer deutschen Polka-Volksweise nicht überzeugt.
Für den europäischen Markt wurde anders entschieden. Teldec hatte das Lied in Lizenz als Vertriebspartner von RCA übernommen und ihn als Single Mus i denn... / Tonight’s All Right For Love auf den Markt gebracht. Am 26. November 1960 kam die Single in die deutschen Charts, wo sie am 21. Januar 1961 für drei Wochen Platz zwei belegte, am 9. März 1961 gelangte der Titel in die britischen Charts, in denen er bis auf Rang eins vordrang. Ab 23. März verblieb er dort für sechs Wochen bis Anfang Mai 1961 auf der Spitzenposition. In Deutschland wurde der Titel über 400.000 Mal verkauft, in England gingen mehr als 500.000 Exemplare über die Ladentheke[4]. In den USA wartete man mit der Veröffentlichung bis November 1964 als B-Seite zu der Single Blue Christmas, die nur Rang 102 belegte.
Erfolgreiche Coverversion
Joe Dowells überhaupt erste Aufnahmesession als Sänger für das neue Label Smash Records (ein Tochterlabel von Mercury Records) fand am 26. Mai 1961 in den Bradley Film & Recording Studios, Nashville, statt. Produzent Shelby Singleton hatte am Tag vor dem Aufnahmetermin den Elvis-Film G. I. Blues im Kino gesehen und eine Vorahnung, dass Wooden Heart ein Hit werden könnte. Deshalb schlug er Dowell vor, das Lied mit Ray Stevens an der Orgel einzuspielen. Das Studio war ab 11:00 Uhr gebucht, und Dowell hatte drei Stunden Zeit, das Lied anhand der Lautschrift einzustudieren[5]. Zusammen mit den Merry Melody Singers produzierte Shelby Singleton eine der Elvis-Aufnahme stark ähnelnde Version.
Am 19. Juni 1961 erschien im Musikmagazin Billboard eine einseitige Anzeige von Dowells Fassung[6], die für eine Woche auf dem ersten Platz der Pop-Charts verweilte und über eine Million Exemplare verkaufte[7].
Weitere Coverversionen
Von Muss i denn ... oder Wooden Heart existieren mindestens 42 Coverversionen. Historisch bedeutsam sind dabei die verschiedenen Aufnahmen der Comedian Harmonists, denn sie gelten als erste Plattenaufnahmen der Volksweise. Am 9. Januar 1933 entstand deren erste Fassung des Liedes, der noch im selben Monat bei Electrola (EG #2724) erschien. Am 26. November 1936 nahmen sie (bereits als „Meistersextett“) unter dem Titel Potpourri Teil 1 eine weitere Fassung als letztes von vier Volksliedern auf (Electrola EG #3954). Am 12. Mai 1938 wurde der Titel schließlich erneut alleine eingespielt und als EG #6684 veröffentlicht.
In Deutschland erreichte Gus Backus (Fono-Graf #1234) im März 1960 mit seiner Version einen Rang vier der deutschen Hitparade, es folgten Vico Torriani (1962), Heino (1971) oder Karel Gott (1976). Bobby Vinton brachte in den USA seine Version im Juni 1975 heraus (#58 der Charts).
Und noch einmal kam der Titel in einem Film vor. Am 13. Oktober 1965 erschien in den USA der Film Situation Hopeless - But Not Serious (in Deutschland: Lage hoffnungslos - aber nicht ernst), in dem Robert Redford einige Zeilen des Liedes sang.
Das populäre Lied wird heute vornehmlich beim Abschied von der Heimat und der Braut, aber auch zu allen anderen Arten von Abschieden beim Reisen und Wandern gesungen. Außerdem wird es bei der Deutschen Marine gespielt, wenn ein Schiff der Marine zu einem längeren Auslandseinsatz verabschiedet wird. Es wurde auch im Zweiten Weltkrieg zum gleichen Zweck gespielt. Das kommt in Wolfgang Petersens Kriegsdrama Das Boot von 1981 zum Ausdruck. Dort spielt eine Militärkapelle die Melodie des Liedes, als das U-Boot in den Hafen von La Rochelle einläuft.
Text
Muss i denn, muss i denn
zum Städtele hinaus, Städtele hinaus,
Und du, mein Schatz, bleibst hier?
Wenn i komm’, wenn i komm’,
wenn i wiedrum komm’,
Kehr’ i ein, mein Schatz, bei dir.
Kann i glei net allweil bei dir sein,
Han i doch mein Freud’ an dir!
Wenn i komm’, wenn i komm’,
wenn i wiedrum komm’,
Kehr’ i ein, mein Schatz, bei dir.
Wie du weinst, wie du weinst,
Dass i wandere muss, wandere muss,
Wie wenn d’ Lieb’ jetzt wär’ vorbei!
Sind au drauss, sind au drauss
Der Mädele viel, Mädele viel,
Lieber Schatz, i bleib dir treu.
Denk du net, wenn i ’ne Andre seh’,
No sei mein’ Lieb’ vorbei;
Sind au drauss, sind au drauss
Der Mädele viel, Mädele viel,
Lieber Schatz, i bleib dir treu.
Über’s Jahr, über’s Jahr,
Wenn me Träubele schneid’t, Träubele schneid’t,
Stell’ i hier mi wiedrum ein;
Bin i dann, bin i dann
Dein Schätzele noch, Schätzele noch,
So soll die Hochzeit sein.
Über’s Jahr, do ist mein’ Zeit vorbei,
Da g’hör’ i mein und dein;
Bin i dann, bin i dann
Dein Schätzele noch, Schätzele noch,
So soll die Hochzeit sein.Weblinks
- Tobias Widmaier: Muss i denn, muss i denn zum Städtele naus (2010). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon des Deutschen Volksliedarchivs
- „Muss i denn, muss i denn zum Staedtele naus ...“ Illustrationen auf Postkarten
- Text und Melodie
- Volksliederarchiv
Einzelnachweise
- ↑ August Bopp, Friedrich Silcher, 1916
- ↑ * Tobias Widmaier: Muss i denn, muss i denn zum Städtele naus: Edition A (Friedrich Silcher 1827 (2010). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon des Deutschen Volksliedarchivs
- ↑ Ben Weisman (* 16. November 1921 in Providence/Rhode Island, † 20. Mai 2007 in Los Angeles/California) schrieb mit 57 Titeln die meisten Lieder für Elvis im Vergleich zu anderen Komponisten
- ↑ Joseph Murrells: Million Selling Records. 1985, S. 145 f.
- ↑ Fred Bronson: The Book of Number One Hits. 1985, S. 95
- ↑ Billboard-Magazin vom 19. Juni 1961 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche)
- ↑ Joseph Murrells: Million Selling Records. 1985, S. 152
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