Mutal

Mutal
Modell der Stadt zum Zeitpunkt der größten Machtentfaltung in der klassischen Periode (Museum von Tikal)

Tikal ist eine antike Stadt der Maya in den Regenwäldern des Petén im nördlichen Guatemala. Sie war eine der bedeutendsten Städte der klassischen Maya-Periode (3. bis 9. Jahrhundert) und ist eine der am besten erforschten Maya-Städte. Die ersten Siedlungsspuren reichen ins frühe 1. Jahrtausend v. Chr. zurück. Im 2. Jahrhundert begann die eigentliche städtische Entwicklung mit der Errichtung von Tempeln, Stelen und Palast-Tempelkomplexen. Der Höhepunkt wurde im 5. Jahrhundert erreicht, als eine mächtige Herrscherdynastie einen Kleinstaat nach dem anderen in der Nachbarschaft unterwarf und zu Vasallenkönigreichen machte, woraus ein langjähriger Konflikt mit dem mächtigen Nachbarstaat Calakmul entstand. Im späten 8. und 9. Jahrhundert schwand die Macht von Tikal, die Bautätigkeit kam zum Erliegen. Spätestens im 10. Jahrhundert wurde die Stadt von ihren Bewohnern verlassen.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau der Stadt

Tikal erstreckt sich auf ein Gebiet von insgesamt rund 64 Quadratkilometern, wovon der zentrale Bereich rund 16 Quadratkilometer einnimmt, welcher über dreitausend Bauten beheimatet. Viele Bauten, insbesondere in den Außenbereichen, sind noch nicht ausgegraben und erforscht worden. Man schätzt, dass die Einwohnerzahl der Stadt auf dem Höhepunkt der Macht in der klassischen Periode gut 50.000 Menschen betrug [1].

Der Große Platz (Blick von der Nordakropolis auf Tempel I sowie die Zentralakropolis)

Das Zentrum Tikals bildet der sogenannte Große Platz. Er wird eingerahmt von den Tempeln I und II in Ost-West sowie von der Nord- und der Zentralakropolis in Nord-Süd-Richtung; zusätzlich existierte zwischen Tempel I und der Zentralakropolis ein Ballspielplatz. Ein weiterer Ballspielplatz existierte östlich des Tempel I. Vermutlich diente der ganze Platz als Verkörperung des Weltbildes der Maya, eine Art „kosmischer Raum“: Der „Himmel“, die Nordakropolis, war der Ort, an dem die Herrscher Tikals begraben wurden, während der Palast südlich des Platzes die „Unterwelt“ verkörperte. Dieser Palast besaß zwei große Galerien und stand auf zwei großen Plattformen. Er war umfangreicher und aufwändiger aufgebaut und gestaltet als andere vergleichbare Bauten. Es gilt als wahrscheinlich, dass dieser Palast auf der Zentralakropolis als Köngisresidenz diente [2].

Geschichte

Die früheste Besiedelung Tikals fand ungefähr um 900 v.Chr. statt, was anhand von Keramikfunden festgestellt wurde. Es dauerte rund fünfhundert Jahre, bis komplexere Bauten errichtet wurden. Etwa ab dieser Zeit entwickelte sich Tikal zu einem führenden Zentrum der präklassischen Periode. Den allgemeinen Niedergang zum Ende dieser Epoche (ca. 200 nach Christus) überlebte Tikal, während viele andere Zentren der Präklassik in der politischen Bedeutungslosigkeit versanken oder aufgegeben wurden.

Etwa ab dieser Zeit wird der Einfluss der im zentralmexikanischen Hochland gelegenen Stadt Teotihuacán in der Tempelarchitektur sichtbar. Im Jahre 378 schließlich erschien eine von dort kommende Armee in der Nähe von Tikal und eroberte die Stadt, wobei der amtierende Herrscher Chak Tok Ich'aak I. („Große Jaguartatze“) getötet wurde. Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen aus Teotihuacán nach Tikal umsiedelten, da die neuen Machthaber auch einen neuen Herrscher eingesetzt hatten. Die neue Dynastie ging jedoch innerhalb weniger Generation in der alten auf; gleichzeitig verschwanden alle kulturellen Verweise auf die Stadt der Eroberer.

Mitte des fünften Jahrhunderts begann die expansive Phase der Stadt Tikal mit den ersten auf Stelen festgehaltenen Kriegszügen unter König K'an Chitam. Gleichzeitig schwand jedoch auch die hegemonielle Stellung, die Tikal bislang im südlichen Tiefland innehatte. Als 509 der Herrscher Chak Tok Ich'aak I. auf einem Kriegszug starb, erwählte man in Ermangelung eines männlichen Thronfolgers im geeigneten Alter seine erst sechsjährige Tochter zur neuen Herrscherin. Sie war jedoch vermutlich nicht viel mehr als eine Marionette der verschiedenen Adelsfamilien der Stadt und verlor 537 die Herrschaft an ihren bis dahin im Exil lebenden Bruder Chan K'awiil. Diese dynastischen Probleme schwächten Tikal zwar, doch war die Stadt immer noch eine führende Macht in der Region.

Dies änderte sich mit dem Beginn des Konflikts mit dem Erzfeind Calakmul. Zwistigkeiten über den Status von Caracol, eines Vasallen Tikals, mündeten nach einiger Zeit in offenen Krieg. 562 wurde Tikal in einer Schlacht nahe der Stadt vernichtend von Calakmul geschlagen und musste die Inthronisierung eines von Calakmul bestimmten Herrschers dulden, was eine über einhundert Jahre währende Schwächeperiode zur Folge hatte, während der kaum neue Gebäude errichtet wurden.

Tempel II

Im Laufe der Jahre spaltete sich die Aristokratie in eine Gruppe, die die Unabhängigkeit von Calakmul forderte, und eine andere Gruppe auf, die einen Verbleib im Vasallensystem Calakmuls befürwortete. Als die erstere Mitte des siebten Jahrhunderts die Oberhand gewann und den König stellen konnte, wanderten die Calakmul freundlich gesinnten Adeligen nach Dos Pilas aus, von wo aus sie weiter den Thron von Tikal beanspruchen. Im folgenden erbittert geführten Krieg gelang Calakmul noch einmal die Sicherung der Vorherrschaft über Tikal, das in den Jahren darauf gezielt diplomatisch isoliert wurde.

Die indirekte Herrschaft Calakmuls über andere Städte, wie sie Tikal zuvor selbst praktiziert hatte, war jedoch einer der größten Schwachpunkte. 695 gelang es einer Armee aus Tikal, dem König von Calakmul eine schwere Niederlage zuzufügen und somit aus dessen Machtgefüge auszubrechen. Die Zeit des frühen achten Jahrhunderts war somit eine Zeit extensiver Bautätigkeit, während der zahlreiche Paläste und Tempel erweitert wurden. Auch Tempel IV stammt aus dieser Zeit.

Anfang des neunten Jahrhunderts begann der Niedergang der Stadt. Das Verschwinden datierter Stelen scheint mit einem Machtverlust der Eliten und einer weitgehenden Abwanderung der Bevölkerung in Verbindung zu stehen. Auslöser dafür könnte der Sieg über Calakmul von 695 gewesen sein. Der Sieg ermöglichte Tikal eine späte Rache an den Vasallen Calakmuls, doch gelang es der Stadt nicht, das entstehende Machtvakuum vollständig auszufüllen. Die Folge waren zahlreiche Kleinkriege zwischen den ehemaligen Vasallen beider Städte, die zusammen mit dem rasanten Bevölkerungswachstum zum Kollaps geführt haben dürften. Die letzte Datierung einer Stele Tikals stammt aus dem Jahr 879.

König Nuun Yax Ayiil (möglicherweise aber auch sein Nachfolger „Verdunkelte Sonne“); Zeichnung des Maya-Forschers Alfred Maudslay, 1902)

Gegenwart

Tikal war seit der Eroberung des Hochlands von Guatemala durch die Spanier nie ganz vergessen und wurde 1848 durch eine Expedition unter Modesto Méndez und Ambrosio Tut besucht. Ihr Bericht wurde 1853 auf deutsch erstmals in einem Papier der Berliner Akademie der Wissenschaften veröffentlicht. Nächster Besucher war im Jahre 1877 der schweizerische Arzt Carl Gustav Bernoulli, der einen weiteren Bericht verfasste und einige Türstürze entnahm, die heute im Museum der Kulturen Basel besichtigt werden können. Später habem Alfred Percival Maudslay im Jahre 1881 und Teoberto Maler 1895 und 1904 die Ruinen intensiv erforscht, Pläne gezeichnet und Fotografien aufgenommen. Ihm folgen 1910 Alfred Tozzer und Raymond Merwin. Nach langer Unterbrechung begann 1956 das University of Pennsylvania Museum mit einem gewaltigen Expeditonsprojekt, das bis 1969 andauerte und zahlreiche Publikationen, oft mit jahrzehntelanger Verzögerung, hervorgebracht hat. Seit 1979 wird die Erforschung von Tikal von guatemaltekischen Institutionen betrieben.

Das gesamte Gebiet rund um Tikal wurde zum Nationalpark erklärt und gehört heute zum Weltkulturerbe. Der kleine Flugplatz inmitten der Anlage wurde stillgelegt, eine asphaltierte Zufahrtsstraße von Flores gebaut und an der Straße in Tikal eine touristische Infrastruktur errichtet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Nikolai Grube: Maya. Gottkönige im Regenwald. Könemann-Verlag, Köln 2000, S. 448
  2. Nikolai Grube: Maya. Gottkönige im Regenwald. Könemann-Verlag, Köln 2000, S. 222

Literatur

  • Nikolai Grube: „Lady Ti“ und die Liebe. Die „Frau von Tikal“ genannte Herrscherin gibt der Forschung Rätsel auf... in: Abenteuer Archäologie. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft, Heidelberg 2005,1. ISSN 1612-9954
  • Nikolai Grube: Maya. Gottkönige im Regenwald. Könemann-Verlag, Köln 2000, ISBN 3-8290-1564-X
  • Rudolf Oeser: Shield Skull: Der Maya-Herrscher Nuun Ujol Chaak von Tikal, Zeitschriftenartikel in: Amerindian Research Nr. 1, 2006

Weblinks

Eintrag in der Welterbeliste der UNESCO auf Englisch und auf Französisch

17.217222222222-89.6358333333337Koordinaten: 17° 13′ 2″ N, 89° 38′ 9″ W


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