- Nachtlinie
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Als Nachtverkehr wird der Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs in den Nachtstunden und teilweise bis zum frühen Morgen bezeichnet, wobei die Betriebszeiten stark variieren. Die Einsatztage des Nachtverkehrs sind zumeist die Wochendnächte, seltener an allen Tagen der Woche. Die ersten Nachtverkehrsnetze des deutschsprachigen Raumes kamen Ende der 80er-Jahre und Anfang der 90er-Jahre auf. Bei vielen Betrieben wird nicht nur der Takt des Bus- und Schienenverkehrs ausgedünnt, sondern es entstehen völlig vom Tagesbetrieb abweichende Nachtliniennetze.
Inhaltsverzeichnis
Liniennetze und Takt
Eine Nachtlinie ersetzt oftmals mehrere Tageslinien. Die Netzstruktur ist zumeist sternförmig gestaltet. Oft beginnen bzw. enden Radiallinien oder treffen sich Durchmesserlinien an einem zentralen Punkt im Stadtzentrum (Bahnhof, ZOB) und verkehren von dort in einem festen Takt. Ferner können auch Nachtlinien als Ringlinien konzipiert sein, die in eine oder beide Richtungen bedient werden. Hierbei wird eine höhere Flächenerschließung mit geringerem Fahrzeugeinsatz erzielt. Andererseits können bei nur in einer Richtung bedienten Ringlinien unter Umständen lange Fahrzeiten zum Stadtzentrum entstehen, da dieses im Gegensatz zu Radial- oder Durchmesserlinien nicht auf direktem Wege erreicht wird.
Bei Rendezvous-Systemen fahren alle Linien einen Treffpunkt gleichzeitig an. Dadurch bestehen – bei ebenfalls gleichzeitigen Abfahrtzeiten – direkte Anschlüsse in alle Richtungen.
Nachtlinien ersetzen in der Betriebsruhe neben Stadtbussen auch die U-Bahn, Stadtbahn oder Straßenbahn. Die Linienführung orientiert sich dann an der Schnellbahnstrecke. Eingesetzt werden überwiegend Nachtbusse, in einigen Großstädten sind auch Straßenbahnen in das Nachtnetz eingebunden. Am Wochenende können zusätzlich auch U-Bahnen und S-Bahnen fahren.
Die Taktfrequenz, u.a. abhängig von der Stadtgröße, liegt im deutschsprachigen Raum zwischen 15 und 120 Minuten. In mittelgroßen Großstädten hat sich der Stundentakt durchgesetzt. Seltener existieren auch unvertaktete Nachtverkehre oder aus betrieblichen Gründen mit eher schlecht merkbaren Takten wie dem 71-Minuten-Takt, der von gemeinsamen Rendezvous der Nachtlinien um 1:11 Uhr, 2:22 Uhr, 3:33 Uhr und 4:44 Uhr (bpsw. Leipzig) ausgeht.
In Kleinstädten oder Gemeinden übernehmen oft einzelne Buslinien (auch Regionalbusse) den Spätverkehr. Dabei werden auch andere Bezeichnungen, beispielsweise Discobus verwendet. Auf wenig benutzten Linien fahren Kleinbusse, Anrufbusse oder Taxis (Anrufsammeltaxis, Nacht-AST).
In den Verkehrsgemeinschaften Münsterland (VGM) und Ruhr-Lippe (VRL) wurden ab 1992 Nachtbus-Linien als Ergänzung zu den RegioBus-Linien in Betrieb genommen. Gegenwärtig verbinden 16 Linien die Städte und Gemeinden, viele als Zubringer nach Münster und Osnabrück, aber auch zwischen den regionalen Zentren im Münsterland und in den Kreisen Soest und Unna sowie im Hochsauerland. Die NachtBusse in dieser Region werden durch die Westfälische Provinzial unterstützt.
Da viele Fahrgäste (besonders junge Frauen) in der Dunkelheit keine langen Fußwege zurücklegen möchten, gibt es Versuche, außerhalb von Haltestellen oder zwischen den Haltestellen auf Anforderung das Aussteigen zu ermöglichen. Siehe auch: TrampbusBetriebszeiten
Die Betriebszeiten variieren je nach Stadtgröße stark. So verkehren in Berlin von Montag bis Sonntagnacht alle Nacht- und Metrolinien mindestens im 30-Minuten-Takt von etwa 00:00 bis 04:30 Uhr (Sonntagfrüh bis 07:30 Uhr). In München fahren die Nachtlinien unter der Woche stündlich, am Wochenende alle 30 Minuten. In anderen Großstädten fahren Nachtlinien oft nur in den Wochenendnächten und vor Feiertagen im Stundentakt. Am Sonntagmorgen wird teilweise der Frühverkehr bis gegen 8 Uhr miteinbezogen.
Nachtlinien in Mittel- und Kleinstädten fahren meist nur bis 3 oder 4 Uhr früh und teilweise nur in Wochenendnächten. Manchmal werden auch Fahrten im Spätbetrieb vor Mitternacht als Nachtverkehr bezeichnet oder der Spätverkehr von 20 bis 24 Uhr wird zum Nachtnetz gezählt (z. B. Brandenburg (Havel)).
Fahrgastinformation
Die Fahrtrouten, Linienbezeichnungen und Haltestellenlagen weichen oft erheblich vom Tagesbetrieb ab. Manche Tageshaltestellen werden vom Nachtverkehr nicht bedient oder befinden sich an einer anderen Stelle. Nachthaltestellen sollten einen ähnlichen Standard wie Tageshaltestellen haben. Besonders wichtig ist dabei eine ausreichende Beleuchtung, auch um die Haltestelle aus der Ferne für die Fahrgäste leicht erkennbar zu machen.
Da die meisten Fahrgäste nur selten in der Nacht fahren, ist der Bekanntheitsgrad der Nachtnetze verhältnismäßig gering. Das Angebot kann sich aber nicht nur an Nachtschwärmer und Discobesucher wenden – ein gutes Fahrgastinformationssystem ist also unbedingte Voraussetzung. Dazu gehören ausreichende Informationsaushänge auch an den Tageshaltestellen mit Nachtfahrplänen und Hinweisen über die Lage der Haltestellen. Falls dies jedoch existiert, kann eine hervorragende Auslastung erreicht werden. Eine Eintragung der Nachtlinien in die elektronische Fahrplanauskunft erreicht zumindest die Nutzer dieses Systems.
Nachtnetze können aus dem Tagesnetz heraus entwickelt sein – dann ähneln die Linienbezeichnungen dem Tagesangebot oder sind damit identisch – oder völlig verschieden davon aufgebaut sein. Eine Annäherung der Strukturen an den Tagesbetrieb ist der beste Weg zu einer guten Fahrgastinformation. Eine Nachtlinie als Ersatz für eine Schnellbahn kann durchaus die Schnellbahnbezeichnung und Linienfarbe übernehmen. Nachtbusse tragen vor der Liniennummer oft ein „N“. Weitere Namenszusätze, z. B ein „E“ für Express, können zu einer besonderen Qualifizierung der Linien dienen. In Ostwestfalen-Lippe wird die Kennzeichnung als „Express“ für Linien in stadtnahe Nachbarorte verwendet. Die Bezeichnung NachtExpress mit der Abkürzung „NE“ kann aber auch als Synonym für Nachtbus verwendet werden.
Ein Informationssystem umfasst u.a. Liniennetzpläne, Fahrplankarten, Hinweisschilder (Piktogramme) zu den Haltestellen, übersichtliche Fahrplanaushänge, Anschluss- und Tarifinformationen.
Nachttarife
Für Nachtlinien gelten teilweise besondere Tarifregelungen. Die Spannbreite reicht vom zuschlagfreien Normaltarif bis zu besonderen Nachttarifen. Teilweise gilt eine Zuschlagsregelung für Fahrten zwischen 0 und 5 Uhr früh.
Da gerade der Nachtverkehr überdurchschnittlich oft von Stammkunden mit Zeitkarten genutzt wird, können die Mehrkosten des Nachtverkehrs meist nicht über die Fahrgeldeinnahmen des Normaltarifs gedeckt werden. Notwendig sind daher zusätzliche Nachtzuschläge oder besondere Nachttarife, gegebenenfalls mit Zuschlagsregelungen für Fahrgäste mit Zeitkarten. Als Alternative zu Zuschlägen wird beispielsweise im Bonner Nachtbusnetz Liniensponsoring praktiziert.
Nachtverkehr in europäischen Hauptstädten
Berlin
Seit Ende Mai 2006 fahren in Berlin alle Metrobus- und MetroTram-Linien rund um die Uhr und haben damit die vorher dort verkehrenden Nachtlinien abgelöst. Am Wochenende fahren die meisten U- und S-Bahnen ebenfalls durchgehend, die U-Bahn wird in den Werktagnächten durch Buslinien ersetzt. Diese Nachtbusse tragen die gleichen Nummern („N1“ bis „N9“) und befahren soweit möglich dieselben Routen wie die U-Bahn. Da diese beiden Nachtangebote weitgehend dem Tagesnetz entsprechen, ist die Merkbarkeit und Wahrnehmbarkeit des Nachtnetzes auch Fahrgästen möglich, die nur selten nachts unterwegs sind.
Die nächtlichen Metrobusse und -straßenbahnen und die „U-Bahn-Nachtbusse“ fahren alle 30 Minuten (in der Innenstadt teilweise alle 15 Minuten), die U-Bahnen am Wochenende alle 15 Minuten. Bei der S-Bahn variiert der Takt zwischen 15 Minuten in der Innenstadt und auf dem Ring und bis zu 60 Minuten im Land Brandenburg. Alle übrigen Bereiche der Stadt werden durch gewöhnliche Nachtbusse, deren Linienführungen teilweise an die Tageslinien angelehnt sind, ebenfalls im 30-Minuten-Takt bedient („N“ und zweistellige Liniennummer). An bestimmten Verknüpfungspunkten warten die Nachtlinien in bestimmten Richtungen aufeinander und ermöglichen kurze Umsteigezeiten. Die wichtigsten Nachtknoten im Zentrum sind Bahnhof Zoo, Hackescher Markt und Hermannplatz.
London
In London fährt die Underground (U-Bahn) nachts sowohl werktags als auch am Wochenende nicht. Dafür besitzt London ein äußerst dichtes Netz von Nachtbussen. 46 Buslinien fahren rund um die Uhr. Weiterhin fahren Nachtbusse, die am vorangestellten „N“ erkennbar sind. Selbst werktags fahren einige Linien nachts im 15-Minuten-Takt. Die meisten Straßen werden von mehreren Buslinien bedient. Wichtige Knotenpunkte sind Trafalgar Square, Oxford Circus, Victoria, Aldwych, Tottenham Court Road und Camden Town. Am Trafalgar Square enden beispielsweise 16 Linien, weitere 20 Linien führen dort vorbei.
Paris
Trotz des regen Pariser Nachtlebens und auch gegen Mitternacht noch dicht fahrender und gut gefüllter Metrozüge, legen diese auch in den Wochenendnächten eine Pause von etwa 01:00 bis 05:30 Uhr ein. Bis Herbst 2005 gab es den sternförmig auf Chatelet zufahrenden Noctambus, der das Stadtgebiet von Paris in der Betriebspause der Metro bediente.
Seitdem bedient der als Noctilien bezeichnete Nachtbus auch die Vororte von Paris. Die meisten Linien werden von der RATP, jene mit dreistelliger Liniennummer werden von der SNCF mit speziell dafür angeschafften Bussen betrieben. Mit dem Noctilien wurde das Angebot im Pariser Stadtgebiet deutlich ausgeweitet, da neben Chatelet weitere Knoten eingerichtet wurden. Die äußeren Knoten Gare Saint-Lazare, Gare de l’Est, Gare de Lyon und Gare Montparnasse werden durch eine in dichtem Takt bediente Ringlinie in beiden Richtungen verbunden. Das Netz erscheint somit wie ein Speichenrad. Die Vorortlinien, die meist stündlich fahren, sind zum großen Teil an den äußeren Knoten mit den Durchmesserlinien verknüpft. Im Stadtgebiet besteht auf allen Strecken ein Halbstundentakt, der in den Wochenendnächten teilweise auf einen 15- oder sogar 10-Minuten-Takt verdichtet wird.
Wien
Die Wiener Linien betreiben ein öffentliches Nachtbussystem (genannt NightLine) im 30-Minuten-Intervall ca. zwischen 0:30 und 5:00, durch Parallelführung zweier Linien entlang der wichtigsten Strecken wird eine Intervallhalbierung erreicht. In Wien existiert ein Rendezvous-System: ein Großteil der Linien umrundet die Innenstadt entlang der Ringstraße oder hält zumindest entlang des Rings (wichtige Umsteigeknoten sind Schwedenplatz und Kärntner Ring, Oper). Nur entlang des Gürtels existiert eine Tangentialverbindung (zusätzlich auch in den Innenbezirken an Wochenenden).
Die Nummerierung der Linien orientiert sich an den Tageslinien (siehe dazu: Wiener Straßenbahn). In den Nächten vor Werktagen werden einige Nachtbusse (am Stadtrand) aus wirtschaftlichen Gründen durch Anrufsammeltaxis (genannt ASTax) ersetzt.
Hauptartikel: NightLine Wien
Die Wiener S-Bahn bietet auch ein Nachtverkehrsangebot an. Zwischen Floridsdorf und Meidling gibt es in Wochenendnächten ein 20-Minuten-Intervall (unter der Woche gibt es nur einen einzigen Regionalexpress), zwischen Floridsdorf und Flughafen Wien gibt es in jeder Nacht während der Sommermonate ein 60-Minuten-Intervall.
Außerdem betreiben die Wiener Lokalbahnen eine Nachtbuslinie nach Baden.
Die Nachtbuslinie von Simmering in den Bezirk Bruck an der Leitha, die der burgenländische Verein Discobus betrieb, ist derzeit eingestellt.
Niederlande (Randstad)
In den Niederlanden gibt es als Besonderheit das „NS-Nachtnet“, eine regionale Nacht-Eisenbahnlinie. Seit 1986 fahren die Regionalzüge während der nächtlichen Betriebsruhe des NS-Personenverkehrs im Stundentakt zwischen Rotterdam und Utrecht. Der wichtigste Haltepunkt neben Amsterdam Centraal ist dabei Schiphol (Flughafen Amsterdam). Folgende Strecke wird bedient: Rotterdam Centraal – Delft – Den Haag Centraal – Leiden Centraal – Schiphol – Amsterdam Centraal – Utrecht Centraal. Das Netz wurde 2007/08 ausgebaut: Am Wochenende fahren stündlich Züge in den Süden des Landes und außerdem Direktzüge Rotterdam Centraal – Gouda – Utrecht Centraal.
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