Nahinfrarotspektroskopie

Nahinfrarotspektroskopie
NIR-Analysegerät in einem Mühlenlabor

Nahinfrarotspektroskopie, NIRS oder NIR abgekürzt, ist eine chemische Analysentechnik auf Basis der Spektroskopie im Bereich des kurzwelligen Infrarotlichts. Sie ist mit der IR-Spektroskopie verwandt, hat aber ihre eigenen Stärken.

Inhaltsverzeichnis

Prinzip

Mit Hilfe von Infrarotstrahlung werden kovalente Molekülbindungen in (zumeist) organischen Verbindungen angeregt. Die Detektion findet im nahen Infrarot (760–2500 nm) statt. Dort kommt es zu Oberton- bzw. Kombinationsschwingungen der Grundschwingung im mittleren Infrarot. Es gilt das Lambert-Beersche Gesetz.

Die Oberton- und Kombinationsbanden werden bei der Analyse von Proben nicht direkt interpretiert, sondern mit Hilfe von statistischen Verfahren ausgewertet. Für quantitative Bestimmungen werden vorher Datensätze mit bekanntem Gehalt des interessierenden Stoffes erstellt.

Vorteile gegenüber der IR-Spektroskopie

  • Auf Grund der höheren Energie des nahinfraroten Lichts im Vergleich zum mittleren Infrarot und der geringeren Absorptionskoeffizienten gibt es eine größere Eindringtiefe und damit eine einfachere Handhabung (größere Schichtdicken: Millimeter statt Mikrometer)
  • Vereinfachte Probenvorbereitung (Messung an nativen Proben, keine vorgeschaltete Extraktion)
  • Wiederverwendbarkeit des eingesetzten Materials
  • Einfachere Geräte durch die Verwendung von Quarzglas oder Saphir (einkristallines Al2O3)
  • Messungen im Reaktor durch Verwendung von Lichtleitertechnologie
  • Bei Transmissions- bzw. Absorbanz-Messungen im Reaktor, Pipeline oder Tank wenig anfällig bei Verschmutzungen
  • Einfache Messung in diffuser Reflexion ist möglich

Nachteile gegenüber der IR-Spektroskopie

  • Die Absorptionsbanden im nahen Infrarot sind viel breiter als im mittleren IR
  • Die Absorptionsbanden überlappen sich dadurch
  • Wasser ist ein starker Absorber im nahen Infrarot und ein sehr starker Absorber im fernen Infrarot
  • Verwendung chemometrischer Verfahren notwendig (Chemometrie), ausgenommen bei einfachen Messungen

Anwendung

NIR-Sensor zur Feuchtemessung auf einem Transportband in einer Zuckerfabrik

NIRS ist ein nahezu ideales Verfahren zur Bestimmung des Wassergehaltes in allerlei Produkten.

Das Verfahren findet Anwendung bei Qualitätsanalysen landwirtschaftlicher Produkte (Getreide, Mehl, Milch, Ölfrüchte) und Futtermittel zur Bestimmung von Feuchte (OH-Gruppe), Proteine (Eiweiß, NH2-Gruppe), Rohfasern (Faser, CH-Bindung und andere), Carboxygruppen (COOH) in Kunststoffen und Fettgehalt (CH-Bindung).

Heute ist es verbreitet in der Prozesskontrolle in der Ernährungsindustrie, z. B. bei Kartoffelchips, außerdem bei chemischen und pharmazeutischen Produkten sowie der Petrochemie. In der chemischen Industrie wird die FT-NIR-Spektroskopie in der Prozeßsteuerung breit eingesetzt beispielsweise zur Online-Amalyse von Zwischen- und Endprodukten, besonders bei Veresterungsreaktionen. Zur Wareneingangskontrolle von Rohstoffen setzen Chemieunternehmen häufig die robuste und empfindliche FT-NIR-Spektroskopie ein, ebenso in der Prozeßentwicklung.[1]

Ein weiterer Anwendungszweck ist die Mülltrennung: Getränkekartons, Verbundstoffe und die verschiedenen Kunststoffsorten werden erkannt und mit Druckluftdüsen aus dem Produktstrom aussortiert[2].

Seit 30 Jahren wird die Nahinfrarotspektroskopie in der Medizin und den Neurowissenschaften als bildgebendes Verfahren zur Messung der Aktivität des Gehirns oder zur Bestimmung des Sauerstoffgehaltes, Blutvolumens und Blutflusses von verschiedenen Geweben wie z. B. Gehirn, Muskeln oder Brust angewandt. Bei Messungen der Hirnaktivität werden dynamische Änderungen des Sauerstoffgehaltes des Blutes durch die Schädeldecke hindurch gemessen. Hieraus können aufgrund des Prinzips der neurovaskulären Kopplung Rückschlüsse auf umschriebene Aktivierungen in der Großhirnrinde abgeleitet werden. Mit diesem Verfahren lässt sich auch ein optisches Brain-Computer Interface realisieren. Das nahinfrarote Spektrum des Lichtes wird verwendet, weil zwischen 650 nm und 1000 nm das Licht besonders gut durch Gewebe hindurchgeht und somit eine Analyse von tieferen Gewebeschichten ermöglicht wird. Messungen des Sauerstoffgehaltes, Blutvolumens und Blutflusses von Gewebe basieren darauf, dass der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, der der Hauptsauerstofftransporteur im Körper ist, seine Farbe mit dem Sauerstoffgehalt ändert. Somit kann anhand der Lichtdurchlässigkeit des Gewebes (je mehr Blut im Gewebe, desto weniger Licht geht hindurch) die Hämoglobin-/Blutkonzentration bestimmt werden und anhand der Farbe der Sauerstoffgehalt. Da die Sauerstoffversorgung medizinisch sehr wichtig ist, weil ein Mangel an Sauerstoff innerhalb von wenigen Minuten zu schweren Schäden führen kann, wird die Nahinfrarotspektroskopie heute zunehmend klinisch eingesetzt. Das Anwendungsgebiet ist breit, z. B. die Überwachung der Sauerstoffversorgung auf der Intensivstation, während Operationen, in Notfallsituationen, bei Durchblutungsstörungen, in der Sportmedizin (Durchblutung von Muskeln, Trainingsoptimierung) usw. Die Nahinfrarotspektroskopie wird von Patienten sehr geschätzt, weil die Messungen nicht-invasiv und schmerzlos sind und Nahinfrarotlicht in den verwendeten Intensitäten harmlos ist. Die Technik hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt, so dass heute zuverlässige, quantitative Messungen und eine Bildgebung möglich sind. Dank der Miniaturisierung sind auch bereits kabellose Systeme erhältlich.

Literatur

  • F.F. Jobsis: Noninvasive infrared monitoring of cerebral and myocardial sufficiency and circulatory parameters. In: Science. Nr. 198, 1977, S. 1264.
  • M. Kouli: Experimentelle Untersuchungen zur nicht invasiven Bestimmung des zerebralen Blutflusses beim erwachsenen Menschen mit Hilfe der Nahinfrarot-Spektroskopie, Dissertation, Technische Universität München, 2001.
  • M. Wolf et al. Quaresima. Progress of near infrared spectroscopy and imaging instrumentation for brain and muscle clinical applications. J. Biomed. Opt. 2007; 12, 062104.
  • T. Muehlemann T, et al. Wireless miniaturized in-vivo near infrared imaging. Opt. Express 2008; 16, 10323-10330.

Quellen

  1. Hannes Ebding: Prozessanalyse in der chemischen Industrie, GIT Labor-Fachzeitschrift 2011, 536.
  2. zolleralbkreis.de: abgerufen am 22. Dezember 2009

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