- Natura2000
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Natura 2000 ist die offizielle Bezeichnung für ein kohärentes Netz besonderer Schutzgebiete, das innerhalb der Europäischen Union nach den Maßgaben der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) von den Mitgliedstaaten errichtet wird. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Die FFH-Richtlinie und die Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutzrichtlinie) mit ihrem Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 und ihren Artenschutzbestimmungen bilden für den Naturschutz ein umfassendes rechtliches Instrumentarium zum Lebensraum- und Artenschutz. Sie dienen damit dem Ziel, den sowohl von der Europäischen Union als auch den Mitgliedstaaten in der „Konvention über biologische Vielfalt“ (CBD, Rio 1992) beschlossenen Schutz der biologischen Vielfalt von Arten und Lebensräumen umzusetzen. Auf dem Europäischen Rat im Jahr 2001 in Göteborg beschlossen die EU-Mitgliedstaaten zudem, bis zum Jahr 2010 den weiteren Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen (sog. 2010-Ziel). In Deutschland wurde Natura 2000 mit der Umsetzung in nationales Recht innerhalb des Bundesnaturschutzgesetzes im April 1998 sowie mit den Novellen des BNatSchG 2002 und 2007 rechtsverbindlich.
Aufbau und Struktur
Natura 2000 ist keine einfache Weiterentwicklung des vorhandenen Bestandes an Schutzgebieten nationaler oder internationaler Kategorien, sondern wird eigenständig aufgebaut. Die Mitgliedstaaten sind zur Ausweisung besonderer Schutzgebiete verpflichtet, deren Auswahlkriterien und Behandlungsgrundsätze die FFH-Richtlinie beschreibt. Außerdem sind in Natura 2000 die besonderen Schutzgebiete zu integrieren, die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen wurden oder werden.
Das dabei anzuwendende Verfahren ist in der FFH-Richtlinie detailliert festgelegt, hier stark vereinfacht dargestellt:
- Die Mitgliedstaaten wählen, geleitet von den Kriterien lt. Anhang III der FFH-Richtlinie, in Frage kommende Gebiete aus. Dazu zählen:
- Gebiete, die natürliche Lebensraumtypen lt. Anhang I der FFH-Richtlinie (sog. Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse) umfassen
- Gebiete, die Habitate der Arten lt. Anhang II der FFH-Richtlinie (sog. Arten von gemeinschaftlichem Interesse) umfassen
- Die ausgewählten Gebiete werden der Europäischen Kommission vorgeschlagen (vorgeschlagene Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung, englisch: proposed Sites of Community importance, abgekürzt pSCI).
- Nach einem Bewertungsverfahren und Abstimmung mit den Mitgliedstaaten legt die Kommission eine Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (abgekürzt GGB, englisch: Sites of Community importance, abgekürzt SCI) fest.
- Die Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung werden von den Mitgliedstaaten als besondere Schutzgebiete ausgewiesen.
- Die von den Mitgliedstaaten nach den Maßgaben der Vogelschutzrichtlinie ausgewählten Gebiete (SPA) erlangen den Status eines besonderen Schutzgebiets unmittelbar durch ihre Meldung an die Kommission, d. h. ohne Bewertungsverfahren.
Es obliegt anschließend den Mitgliedstaaten, geeignete Schutzinstrumente auszuwählen. Diese können gesetzlicher, administrativer oder vertraglicher Art sein, wobei auch die Unterschutzstellung nach vorhandenen nationalen Kategorien möglich ist. Umgekehrt entsprachen zahlreiche bereits existierende nationale Schutzgebiete oder Teile davon den Auswahlkriterien als pSCI und sind als solche gemeldet worden. Dadurch ergeben sich Gebietsüberschneidungen zwischen den nationalen Schutzgebieten und den besonderen Schutzgebieten des Netzes Natura 2000.
Zeitplan und Entwicklungsstand
Die FFH-Richtlinie legt für die Errichtung von Natura 2000 einen genauen Zeitplan fest. Demnach sollten binnen drei Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie (d. h. bis 1995) die Gebietsvorschläge der Mitgliedstaaten erfolgen. Binnen sechs Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie (bis 1998) sollte daraus die Liste der Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung durch die Europäische Kommission erstellt werden. Daran anschließend sollten die festgelegten Gebiete so schnell wie möglich, spätestens aber binnen weiterer sechs Jahre, durch den betreffenden Mitgliedstaat als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden (bis 2004).
Dieser Zeitplan wurde nicht eingehalten. Verzögerungen ergaben sich anfangs u. a. durch fehlende Maßstäbe hinsichtlich des Umfangs bzw. der Vollständigkeit der Gebietsmeldungen. Entsprechende Kriterien wurden erst ab 2000 auf von der Kommission einberufenen Expertentreffen erarbeitet. Die trotzdem weiter auftretenden Verzögerungen veranlassten die Kommission zu Sanktionsandrohungen und Klagen gegen einzelne Mitgliedstaaten. Zusätzlichen Druck übten verschiedene nichtstaatliche Naturschutzverbände aus, indem sie aus eigener Kompetenz zahlreiche Gebietsmeldungen erstellten (sogenannte Schattenlisten), und damit die Meldedefizite der Mitgliedstaaten deutlich machten. Anerkannte und maßstabsbildende Bedeutung erlangten dabei vor allem die Listen der Important Bird Areas, die von BirdLife International geführt werden.
Im Jahr 2004 wurde eine noch vorläufige und unvollständige Liste der Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung veröffentlicht, mit der die Umsetzung seitens der Mitgliedstaaten ein erstes festes Fundament erhielt. Parallel dazu erfolgten laufend weitere Gebietsmeldungen. Selbst ohne Berücksichtigung der Staaten, die erst nach 1992 EU-Mitglied geworden sind, war der Nachmeldeprozess auch im Jahr 2008 noch nicht abgeschlossen. Periodisch aktualisierte Informationen über den Ausbaustand bietet das von der Europäischen Kommission veröffentlichte „Natura-2000-Barometer“.
Natura 2000-Gebiet
„Natura 2000-Gebiet“ ist eine Sammelbezeichnung für FFH-Gebiet und Europäisches Vogelschutzgebiet, die beiden im Netz Natura 2000 integrierten Kategorien besonderer Schutzgebiete. Zwischen Gebieten verschiedener Kategorie sind territoriale Überschneidungen möglich und auch häufig anzutreffen, nicht jedoch zwischen Gebieten aus der gleichen Kategorie.
Zur Identifikation erhält jedes Natura-2000-Gebiet eine europaweit eindeutige Nummer, EU-Code genannt. Darüber hinaus führen aber z. B. die Bundesländer in Deutschland auch interne Nummerierungen.
- Liste der Natura-2000-Gebiete
- Liste der FFH-Gebiete
- Liste der Vogelschutzgebiete
Siehe auch
Literatur
- A. Ssymank/U. Hauke/C. Rückriem/E. Schröder unter Mitarbeit von D. Messer: Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz Bd. 53, 1998. 560 Seiten. ISBN 3896241133
- Gellermann, M. (2001): Natura 2000. Europäisches Habitatschutzrecht und seine Durchführung in der Bundesrepublik Deutschland. Schriftenreihe Natur und Recht. Band 4, 2. Auflage. Blackwell, Berlin, Wien, 293 Seiten.
- Cesare Lasen und Thomas Wilhalm: Natura 2000 Lebensräume in Südtirol Herausgeber: Autonome Provinz Bozen-Südtirol Abteilung Natur und Landschaft. 190 Seiten, herausgegeben im Jahre 2004, ISBN 88-900534-3-7
- Mayr, C. (2004): 25 Jahre EG-Vogelschutzrichtlinie in Deutschland - Bilanz und Ausblick. Natur und Landschaft 79, Heft 8: 364 - 370.
Weblinks
Allgemein:
- Natura-2000, DG Environment der Europäischen Kommission > Nature & Biodiversity, ec.europa.eu (engl.)
- Natura 2000, europa.eu.int – Rechtsgrundlagen (dt.)
- eunis.eea.europa.eu, EUNIS database (engl.)
- Dossier zu Natura 2000, Waldwissen.net – Fokus auf Deutschland und Österreich
Deutschland:
- Natura 2000, Bundesamt für Naturschutz
- Natura 2000 – mit Suchfunktionen nach Arten und Lebensraumtypen einschl. Verbreitungskarten]
Österreich
- Die Mitgliedstaaten wählen, geleitet von den Kriterien lt. Anhang III der FFH-Richtlinie, in Frage kommende Gebiete aus. Dazu zählen:
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