Naxaliten

Naxaliten
Indische Regionen mit naxalitischen Aktivitäten

Naxaliten ist die gängige Bezeichnung für maoistische Parteien, Bewegungen oder Aktivisten in Indien.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Naxaliten entstanden in den späten 1960er Jahren und sind nach dem Ort Naxalbari im Distrikt Darjiling in Westbengalen benannt, wo 1967 ein unter der Führung einiger Mitglieder des linken Flügels der Communist Party of India (Marxist) (CPI(M)) stattfindender Bauernaufstand von der Polizei niedergeschlagen wurde. Hauptursachen für diesen und andere im selben Zeitraum ablaufende Bauernaufstände (am wichtigsten war derjenige in Srikakulam, Andhra Pradesh) waren die Konzentration des Landes in den Händen weniger Großgrundbesitzer, die im Wesentlichen aus der britischen Kolonialzeit herrührte sowie die gesellschaftliche und ökonomische Diskriminierung der Adivasis durch die hinduistisch geprägte Gesellschaft. Die Hochphase der maoistischen Kämpfe war von 1967 bis 1972, in dieser Zeit wurden als wichtigste Organisationen der Naxaliten die All-India Coordination Committee of (Communist) Revolutionaries (1968, heute aufgelöst), die mehr auf Basisarbeit orientiert war, und die stärkere Communist Party of India (Marxist-Leninist) (CPI (ML)) (1969), welche zunächst den bewaffneten Kampf in den Vordergrund stellte, gegründet, die Gründungsmitglieder stammten im Wesentlichen aus der CPI(M).

Der Vorsitzende der CPI (ML), Charu Mazumdar propagierte die „Vernichtung des Klassenfeindes“ (annihilation of class enemy), was sich vor allem in zahlreichen Anschlägen auf Großgrundbesitzer, Beamte und Angehörige der Polizei äußerte. 1972 wurde Mazumdar festgenommen und starb ca. zwei Wochen später im Gefängnis. Die Revolten wurden weitgehend von Polizei und Militär niedergeschlagen, naxalitische Aktivitäten gingen bis zum Ende der 1970er Jahre weitestgehend zurück.

Um 1980 gelang es verschiedenen Gruppen, die zumeist den Namen CPI(ML) führen, wieder Fuß zu fassen. Von der Vernichtungsstrategie hatten sich die meisten Gruppen mittlerweile losgesagt, der Schwerpunkt wurde auf Basisarbeit, d. h. vor allem auf den Aufbau von Organisationen der Bauern, Arbeiter, Studenten, Frauen und Adivasi gelegt. Dabei können unter den ca. 20 größeren Naxalitenorganisationen zwei Hauptrichtungen unterschieden werden: Ein Teil der Bewegung hat sich inzwischen, ohne den revolutionären Anspruch aufzugeben, auf die Arbeit im legalen Rahmen bis hin zur Teilnahme an Wahlen konzentriert, ein anderer Teil verbindet die Basis- und Massenarbeit mit klassischen Guerillakampfmethoden.

Das indische Innenministeriums schätzte den harten Kern der bewaffneten Naxaliten im Jahr 2004 auf ungefähr 9.300.[1] Nach Judith Vidal-Hall bewegen sich aktuellere Aussagen über die zahlenmäßige Stärke der Gruppierung im Bereich von etwa 15.000.[2] Neueste Schätzungen des indischen Geheimdienstes (2009) sprechen inzwischen von etwa 50.000 Mitgliedern und 20.000 bewaffneten Kämpfern.[3]

Bedeutende Naxalitenorganisationen

  • Communist Party of India (Marxist-Leninist) Liberation: 1974 gegründet, derzeit stärkste Naxaliten-Organisation, arbeitet seit Beginn der 1980er Jahre in der Legalität, Hochburgen in Bihar, Assam und Jharkhand, dort in den Regionalparlamenten vertreten, war von 1989 bis 2004 mit einem Abgeordneten im Lok Sabha präsent, kritische Haltung zu Stalin und teilweise auch zu Mao.
  • Communist Party of India (Marxist-Leninist) New Democracy: 1988 gegründet, Schwerpunkt in Andhra Pradesh, Schwerpunkt liegt in der dortigen Bauernbewegung, stärker am klassischen Maoismus orientiert.
  • Communist Party of India (Marxist-Leninist) [Kanu Sanyal]: 2005 aus der Vereinigung von CPI(ML) [Kanu Sanyal] und CPI(ML) Red Flag hervorgegangen, kombiniert legale und illegale Kampfformen, war mit einem Abgeordneten im Parlament von Bihar vertreten.
  • Communist Party of India (Maoist): Ging 2004 aus der Vereinigung von CPI(ML) People's War Group (um 1980 gegründet, Schwerpunkt in den Adivasi-Regionen in Andhra Pradesh) und Maoist Communist Centre of India (Schwerpunkt im Süden von Bihar und in Jharkhand), verfolgen als Volkskrieg bezeichnete klassische maoistische Guerillastrategie kombiniert mit dem Aufbau von Vorfeldorganisationen, Gute Beziehungen zur Communist Party of Nepal (Maoist) in Nepal, 2004 gescheiterte Friedensverhandlungen mit der indischen Regierung. Die CPI(Maoist) ist für diverse Übergriffe (bis hin zu Morden) auf Zivilisten und Anhänger konkurrierender (auch maoistischer) Parteien verantwortlich. Der CPI(Maoist) steht das All India People’s Resistance Forum, ein nicht unbedeutender Zusammenschluss von Bauern-, Menschenrechts-, Frauenorganisationen, Gewerkschaften und NGOs nahe.
  • Communist Party of India (Marxist-Leninist) Janashakti: 1992 als Zusammenschluss von sieben kleineren Gruppen gegründet, Schwerpunkt in Andhra Pradesh, gewann dort bei den Wahlen (wo die Partei 13 auf Grund der Illegalität offiziell als „parteilos“ auftretende Kandidaten aufstellte) 1994 einen Sitz im Regionalparlament, Ende der 1990er Jahre stärkere Orientierung auf bewaffnete Untergrundarbeit, 2004 erfolglose Friedensgespräche mit der Regionalregierung.
  • Provisional Central Committee, Communist Party of India (Marxist-Leninist): 1971 gegründet, Hochburg in der Bodo-Region in Assam, dort über Vorfeldorganisation United Reservation Movement Council of Assam hohe Wahlergebnisse.

Nicht zu den Naxaliten werden die primär nationalistisch motivierten, maoistisch inspirierten Bewegungen im Nordosten Indiens wie die United Liberation Front of Asom, der National Socialist Council of Nagalim in Nagaland oder die People's Revolutionary Party of Kangleipak in Manipur gezählt.

Literatur

Deutschsprachig

  • Satya Sivaram: Echo auf das Donnergrollen. Aufbruch, Niederlage und Neubeginn der Naxaliten-Bewegung in Indien. In: Fantômas, Winter/Frühjahr 2005/2006 (Nr. 8), S. 21–23.
  • Gerhard Klas: Es begann in Naxalbari. Naxaliten, Maoisten und der bewaffnete Kampf in: SÜDASIEN (Zeitschrift des Südasienbüro e.V), 26. Jahrgang, Nr 4/2006, Seite 31-33

Englischsprachig

  • Sumanta Banerjee: In the Wake of Naxalbari. A History of the Naxalite Movement in India. Calcutta 1980.
  • Sumanta Banerjee: India's Simmering Revolution; The Naxalite Uprising. London 1984
  • Edward Duyker Tribal Guerillas. The Santals of West-Bengal and the Naxalite Movement. Delhi/New York/Oxford 1987 ISBN 0-19-561938-2
  • Sankar Ghosh, The Naxalite Movement: A Maoist Experiment,Published by Firma K.L. Mukhopadhyay, Calcutta, 1975. ISBN 0883865688.
  • J. C. Johari, Naxalite Politics in India, Institute of Constitutional and Parliamentary Studies, New Delhi, 1972.
  • Sohail Jawaid, The Naxalite Movement in India: Origin and Failure of the Maoist Revolutionary Strategy in West Bengal, 1967-1971, Associated Pub. House, 1979.
  • Judge Paramjit S.: Insurrection to Agitation The Naxalite Movement in Punjab. Mumbai 1992, ISBN 81-7154-527-0
  • Louis Prakash: People Power: The Naxalite Movement in Central Bihar. New Delhi 2002, ISBN 81-87412-07-0
  • Prakash Singh: The Naxalite Movement in India. New Delhi 1995, ISBN 81-7167-294-9

Weblinks

 Commons: Naxalite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Deutschsprachig

Englischsprachig

Einzelnachweise

  1. Nach Judith Vidal-Hall, Naxalites, S. 73–75 in Index on Censorship, Volume 35, Nummer 4 (2006).
  2. Judith Vidal-Hall, Naxalites, ebd.
  3. Haznain Kazim: Indiens Maoisten - Terror im Namen der Entrechteten auf Spiegel Online vom 11. November 2009

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