Neithart Fuchs

Neithart Fuchs
Umschlag des Buches Neithart Fuchs

Neithart Fuchs ist der Titel eines spätmittelalterlichen Schwankbuchs des gleichnamigen Verfassers. Es erschien zwischen 1491 und 1566 in drei süddeutschen Druckausgaben mit Holzschnitten.

Das Schwankbuch enthält eine „Lebensgeschichte in Liedern“, die sich an die Figur des Minnesängers Neidhart anlehnt, der schon im 13. bis 15. Jahrhundert mit zahlreichen komischen und obszönen Schwankerzählungen zum sprichwörtlichen Bauernhasser stilisiert worden war. Das Schwankbuch nennt seinen Protagonisten Neithart Fuchs und macht ihn zum „lustigen Rat“ Herzog Ottos des Fröhlichen von Österreich (1301-1339) und „Kollegen“ des allgemein als historisch geltenden Pfarrers von Kahlenberg. Es ist daher möglich, dass es im 14. Jahrhundert am Wiener Hof einen Neidhart-Nachfolger gegeben hat, der in die Rolle des Lieddichters Neidhart schlüpfte und womöglich zu den Verfassern und Verbreitern der Neidhart-Lieder gehörte.

Die „Geschichte“ dieser Figur montierte ein unbekannter Verfasser aus echten Liedern Neidharts, jüngeren Liedern im Neidhart-Stil und zwölf Neidhart-Schwänken zusammen. Im Mittelpunkt des Schwankbuchs steht der sogenannte Veilchenschwank, der die Bauernfeindschaft des Neithart Fuchs begründet. Der Ritter spielt den Bauern einen bösen Streich nach dem anderen, um sie für ihre angebliche Hoffart zu bestrafen und sie stets von Neuem in die feudalistische Gesellschaftsordnung einzubinden. Das zentrale Anliegen der Historien ist die Akzentuierung der sozialen Konfliktsituation. Sie fungieren als Ersatz für die Abenteuer der Ritter aus der höfischen Epoche. Neitharts Schwänke sind auch in einer breit gefächerten Bildtradition überliefert: Die Drucke sind mit zahlreichen Holzschnitten illustriert, außerdem sind Schwank-Szenen in Reliefs an der Albrechtsburg in Meißen und in Fresken in Wien (Tuchlauben 19), in Dießenhofen, Winterthur und in der Burg Trautson bei Innsbruck (heute aufbewahrt im Schloss Sprechenstein bei Sterzing/Vitipeno) festgehalten. Die beiden Seiten des Neithartgrabs, das an der Außenfassade de Stephansdoms in Wien angebracht ist, zeigen ebenfalls Reliefs, die aber stark zerstört sind. Das Grab wurde am 11. April 2000 geöffnet und von einer aus Archäologen, Anthropologen, Kunsthistorikern und Literaturwissenschaftlern bestehenden Kommission untersucht. Die Ergebnisse der Analysen wurden von Gertrud Blaschitz vom Kremser Institut für die Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit in einem Sammelband veröffentlicht.

Textausgaben

  • Erhard Jöst (Hrsg.): Die Historien des Neithart Fuchs. Nach dem Frankfurter Druck v. 1566., Göppingen, 1980
  • Felix Bobertag (Hrsg.): Narrenbuch. Der Pfarrer vom Kalenberg. Peter Leu. Neithart Fuchs. Salomon und Markolf. Bruder Rausch, Darmstadt 1964 (Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Berlin und Stuttgart 1884 = Deutsche National-Literatur 11. Band)

Literatur

  • Erhard Jöst: Bauernfeindlichkeit. Die Historien des Ritters Neithart Fuchs, Göppingen 1976 (=Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 192)
  • Petra Herrmann: Karnevaleske Strukturen in der Neidhart-Tradition, Göppingen 1984 (=Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 406)
  • Jörn Bockmann: Translatio Neidhardi. Untersuchungen zur Konstitution der Figurenidentität in der Neidhart-Tradition, Frankfurt a.M. 2001 (=Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung, Band 61)
  • Erhard Jöst: Das Wiener Neithartgrab. Der Versuch, eine Legende aufzuklären. In: Wiener Geschichtsblätter Heft 3/ 2000, S. 234-241
  • Erhard Jöst: Die österreichischen Schwankbücher des späten Mittelalters. In: Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den Anfängen im Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert (1050-1750), hrsg. v. Herbert Zeman, Graz 1986, S. 399-426
  • Gertrud Blaschitz (Hrsg.) Neidhartrezeption in Wort und Bild, Krems 2000 (=Medium Quotidianum, Sonderband X)

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Fuchs (Familienname) — Fuchs ist ein deutscher Familienname. Herkunft und Bedeutung Der Familienname Fuchs gehört zur Gruppe der Übernamen (Eigenschaftsnamen) und ist einer der häufigsten in Deutschland. Mit ihm wurde im Mittelalter eine persönliche Eigenschaft des… …   Deutsch Wikipedia

  • Fuchs (Begriffsklärung) — Fuchs (ahd. fuhs, mhd. vuhs) ist in der Tierwelt gebräuchlich für: Fuchs, aus der Familie der Hunde Fuchs (Pferd), ein Pferd mit braunem Fell, brauner Mähne und braunem Schweif Großer Fuchs, Schmetterling Kleiner Fuchs, Schmetterling Harzer Fuchs …   Deutsch Wikipedia

  • Neithart von Reuental — Herr Nithart (Codex Manesse, um 1300) Neidhart, genannt von Reuental (Erste Hälfte des 13. Jahrhunderts) war einer der bedeutendsten und fruchtbarsten deutschen lyrischen Dichter des Mittelalters. 56 bis 132 Lieder und 55 Melodien sind… …   Deutsch Wikipedia

  • Neidhart Fuchs — Neidhart Fụchs,   spätmittelalterliche Schwanksammlung aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, kompiliert aus 36 meist derb obszönen Neidhartschwänken in Strophenform neben drei Liedern Oswalds von Wolkenstein und Hans Hesellohers mit einem …   Universal-Lexikon

  • Veilchenschwank — Der Veilchenschwank gilt als die bekannteste Schwankerzählung des spätmittelalterlichen Autoren und Sängers Neidhart von Reuental. Die Personen, die im Schwank auftreten, sind der Ritter Neidhart (Protagonist), die Herzogin von Österreich und… …   Deutsch Wikipedia

  • Neidhart — Herr Nithart (Codex Manesse, um 1300) Neidhart, genannt von Reuental (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts), war einer der bedeutendsten und fruchtbarsten deutschsprachigen lyrischen Dichter des Mittelalters. 56 bis 132 Lieder und 55 Melodien sind… …   Deutsch Wikipedia

  • Neidhart von Reuental — Herr Nithart (Codex Manesse, um 1300) Neidhart, genannt von Reuental (Erste Hälfte des 13. Jahrhunderts) war einer der bedeutendsten und fruchtbarsten deutschen lyrischen Dichter des Mittelalters. 56 bis 132 Lieder und 55 Melodien sind… …   Deutsch Wikipedia

  • Neidhart von Reuenthal — Herr Nithart (Codex Manesse, um 1300) Neidhart, genannt von Reuental (Erste Hälfte des 13. Jahrhunderts) war einer der bedeutendsten und fruchtbarsten deutschen lyrischen Dichter des Mittelalters. 56 bis 132 Lieder und 55 Melodien sind… …   Deutsch Wikipedia

  • Erhard Jöst — (* 22. November 1947 in Mannheim) ist ein deutscher Schriftsteller, Satiriker, Kabarettist und pensionierter Gymnasiallehrer. Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Dörperdichtung — Die Dörperliche Dichtung (auch Dörperdichtung, Dörperliche Poesie, Dörperlieder) ist eine Gattung des Minnesangs. Das Wort dörperlich stammt von mndd. dörper; entsprechende mhd. Lautformen sind dorfære, dörfer, dörfler, woraus sich im 16. Jh.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”