Netzwerkbogenbrücke

Netzwerkbogenbrücke

Eine Netzwerkbogenbrücke ist eine Stabbogenbrücke mit sich mehrmals überkreuzenden Hängern.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Idee der Netzwerkbogenbrücke entwickelte der norwegische Bauingenieur Per Tveit zum Ende der 1950er Jahre. Der Netzwerkbogen in Bechyně (Tschechische Republik) wurde zum Beispiel 2004 für den Straßenverkehr freigegeben. Seine Spannweite beträgt 41 m.

Netzwerkbogenbrücke: Bechyně

Statisches Prinzip

Bei der Stabbogenbrücke stützt der Bogen mit den vertikalen Hängern elastisch den biegesteifen Versteifungsträger. Diese Bauart wirkt bei einer in Längsrichtung gleichmäßig verteilten Last optimal und erfährt nur relativ geringe Durchbiegungen. Dagegen kommt es bei halbseitiger Belastung zu vergleichsweise größeren Verformungen, da der Bogen in Längsrichtung horizontal ausweicht und die Hänger ihre Wirkung verlieren. Das bewirkt in Bogen und Untergurt größere Biegemomente, und die Knicklast des Bogens wird deutlich herabgesetzt. Durch ein Schrägstellen der Hänger wird dem Ausweichen des Bogens entgegengewirkt und die Knicklast des Bogens deutlich erhöht. Der Bogen wird dabei annähernd in der Ausweichrichtung elastisch gestützt und die Dehnsteifigkeit des Versteifungsträgers durch die spitzen Winkel der Hänger zusätzlich herangezogen. Durch die geneigten Hänger mit mehrfachen Überkreuzungen verhält sich eine Netzwerkbogenbrücke in Längsrichtung somit sowohl für Volllast als auch für halbseitige Belastung ähnlich wie ein Fachwerk, fast nur Axialkräfte, Zug und Druck, sind vorhanden. Durch die Anordnung eines Hängernetzes kommt es zu einer deutlichen Reduzierung der Biegemomente und Querkräfte in Bogen und Untergurt. Hierdurch können eine schlankere Gestaltung sowie Stahleinsparungen von bis zu 20 % erreicht werden.

Die Hängeranordnung ist das Herz eines jeden Netzwerkbogens und bildet den Hauptunterschied zu Stabbögen mit vertikalen Hängern. Sie definiert sich über Hängeranzahl, -neigung und -abstand. Eine einfache Möglichkeit ein effizientes Tragwerk zu erzielen, ist die Anwendung der radialen Hängeranordnung, die von Benjamin Brunn und Frank Schanack 2003 entwickelt wurde[1]. Bei der radialen Hängeranordnung sind die Abstände der oberen Hängerknoten und die Winkel Hänger-Bogen konstant. Zur Vermeidung überlanger Hänger kann der Winkel zu den Bogenenden hin ansteigen. Durch die Verwendung eines Hängernetzes mit gleichmäßig ansteigender Hängerneigung kann eine vergleichbare Effizienz des Tragsystems Netzwerkbogens erzielt werden. Diese Variante basiert auf einer Idee von Per Tveit. Der erste Hänger eines Hängersets erhält einen vordefinierten Startwinkel, der für die folgenden Hänger kontinuierlich vergrößert wird. Untersuchungen zeigen, dass es bei beiden Lösungen unter der Voraussetzung optimaler Neigungswinkel zu keinen Hängerausfällen kommt. Die maximalen Hängerkräfte sowie die Spannungsschwingbreiten können reduziert werden und es treten nur geringe Abweichungen zwischen den Hänger-Maximalkräften auf[2].

Vorteilhafte Eigenschaften

Da Bogen und Untergurt hauptsächlich durch Axialkräfte beansprucht werden, können deren Abmessungen sehr schlank ausfallen. Die Querbiegung der Fahrbahnplatte ist in aller Regel größer als die Biegung in Längsrichtung, daher ist eine zwischen den Bögen spannende Betonplatte eine einfache Lösung für moderate Bogenabstände. In den Bogenebenen erhält die Betonplatte Längsspannglieder.

Abgrenzung zu Nielsen-Lohse-Brücken

In Japan werden Stabbogenbrücken mit gekreuzten Hängern fälschlicherweise Nielsen-Lohse-Brücke genannt. Nielsen steht für den Ingenieur Octavius F. Nielsen, der im Jahre 1926 ein Patent auf Bögen mit Zugband und schräg gestellten Hängestangen anmeldete. Dieser Brückentyp wurde daraufhin ca. 60-mal hauptsächlich in Schweden realisiert. Bei keiner dieser Brücken finden sich überkreuzende Hängestangen.

Lohse steht für den deutschen Ingenieur Hermann Lohse (*1815 †1893), der Ende des 19. Jahrhunderts einen Bogen mit Zugband entwickelte, dessen Zugband entgegengesetzt zum Bogen gekrümmt ist. Die Fahrbahn trägt ein drittes Element, das unter den Bögen hängt.

Es ist somit erkennbar, dass die Bezeichnung Nielsen-Lohse für Stabbögen mit mehrfach gekreuzten Hängern nicht korrekt ist. Zudem ist das Vorbild der japanischen Netzwerkbogenbrücken die Fehmarnsundbrücke, deren Entwurf wiederum auf dem Netzwerkbogen basiert.

Die korrekte Bezeichnung von Stabbogenbrücken mit schrägen und einfach gekreuzten Hängern ist Nielsen-Brücke. Stabbogenbrücken mit mehrfach überkreuzten Hängern sind Netzwerkbogenbrücken. Diese strenge Regel ist begründet, da sie zu einem effizienteren Tragwerk führt.

Weitere Beispiele

  • Bolstadstraumenbrücke, Norwegen (1963)
  • Fehmarnsundbrücke, Deutschland (1963)
  • Oderbrücke Frankfurt (Eisenbahn), Deutschland (2008)
  • Providence-Fluss-Brücke, USA (Eröffnung geplant für 2008)
  • Steinkjerbrücke, Norwegen (1963)
  • Rosenbachtalbrücke Plauen (Eisenbahn), Deutschland (2008)
  • Florabrücke Haldensleben (Eisenbahn), Deutschland, Sachsen-Anhalt (2010)

Nielsenbrücke

Quellenangaben

  1. Brunn B., Schanack F., Steimann U., (2004) “Network arches for railway bridges”, Arch Bridges IV, Advances in Assessment, Structural Design and Construction, P. Roca y C. Molins (Eds.), ISBN 84-95999-63-3, pp. 671-680, Barcelona, Spanien
  2. Teich S., Graße W. (2005) “Optimization of the Hanger Arrangement of Network Arch Bridges”, 6th Japanese German Bridge Symposium, München

Weblinks


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