Neugriechische Phonologie

Neugriechische Phonologie

Die Aussprache des Neugriechischen besteht praktisch unverändert seit etwa dem 10. Jahrhundert. Sie ist relativ einheitlich, aus dem mit dem griechischen Alphabet geschriebenen Text geht die Aussprache bis auf wenige Ausnahmen eindeutig hervor. Hierfür ist allerdings die Kenntnis einiger Regeln erforderlich, da besonders zahlreiche der Konsonantenbuchstaben in mehreren Aussprachevarianten realisiert werden. Umgekehrt gestaltet sich die Neugriechische Orthographie schwierig, da bis auf die Akzentsetzung die altgriechische Schreibweise bis heute weitestgehend beibehalten wurde und viele Laute, die gleich gesprochen werden, durch unterschiedliche Grapheme dargestellt werden.

Vokale

Die fünf griechischen Vokale werden durch zahlreiche Buchstaben und Buchstabenverbindungen ausgedrückt. Alle Vokale werden grundsätzlich kurz ausgesprochen, /i/ und /u/ sind dabei im Gegensatz zum Deutschen stets geschlossen. Bei Verbindungen zweier Vokalbuchstaben zeigt ein Trema (¨) auf dem zweiten Buchstaben oder der Akzent auf dem ersten Vokalzeichen an, dass die beiden Buchstaben getrennt auszusprechen sind.

Buchstabe(n) Lautwert Beschreibung Beispiel
α [a] wie in deutsch Masse βάρκα [ˈvarka] („Barke“)
αυ [av] vor Vokalen und stimmhaften Konsonanten:
wie in dt. Hawaii
αύριο [ˈavriɔ] („morgen“)
[af] vor stimmlosen Konsonanten: wie in dt. haften αυτοκίνητο [aftɔˈkʲinitɔ] („Auto“)
άι, άη, αϊ, αϋ [ai] vor stimmlosen Konsonanten:
wie in ital. mai
τσάι [tsai] (Tee), Δανάη [ðanˈai] („Danai“)
Αχαΐα [axaˈia] („Achaia“)
αϋπνία [aiˈpnia] („Schlaflosigkeit“)
ε
αι
[ɛ] wie in dt. Fest μέρα [ˈmɛra] (Tag)
γυναίκα [ʝiˈnɛka] („Frau“)
ευ [ev] vor Vokalen und stimmhaften Konsonanten:
wie in dt. Level
Εύβοια [ˈɛvia] („Euböa“)
παρασκευή [paraskʲɛˈvi] („Freitag“)
[ef] vor stimmlosen Konsonanten:
wie in dt. heftig
ευχαριστώ [ɛfxariˈstɔ], („danke“)
έι, εϊ [ɛi] geschlossenes i, aber kurz:
wie in dt. hey!
θεϊκός [θɛi'kɔs] („göttlich“)
κέικ [kʲɛik] („Sandkuchen“)
ει, η, ι
οι, υ, υι
[i] geschlossenes i, aber kurz:
wie in dt. minutiös
παράνοια, [paˈrania]
υγιεινή [iʝiiˈni] („Hygiene“)
υιοθετώ, [iɔθɛˈtɔ] („adoptieren“)
[j] vor Vokalen in Wörtern volkssprachlicher Herkunft:
wie in dt. Mission
αδειάζω [aˈðjazɔ] („leeren“)
πιάνο ['pjanɔ] („Klavier“)
ηυ (Katharevousa) [if] vor stimmlosen Konsonanten:
wie in dt. naiv
διηύθηνα [di'ifθina] („ich leitete“)
ο, ω [ɔ] wie in dt. Hoffnung πρώτος [ˈprɔtɔs] („erster“)
όι, οϊ [ɔi] Kombination aus offenem o und geschlossenem i:
wie in Boiler
κορόιδο [kɔˈrɔiðɔ] („Gespött“)
οϊμωγή [ɔimɔˈʝi] („Wehgeschrei“)
ου [u] geschlossenes u, aber kurz: wie in dt. Mulatte λουλούδι, [lu'luði] („Blume“)
[w] in Transkriptionen aus dem Englischen:
wie engl. Whisky
ουίσκι, ['wiski] („Whisky“)

Konsonanten

Das Neugriechische zeichnet sich durch eine Vielzahl von Reibelauten aus, die auch zu im Deutschen teilweise ungewöhnlichen Konsonantenkombinationen verbunden werden können. Bedeutsam für die Aussprache ist häufig der auf den Konsonanten folgende Vokal: Vor den „hellen“ Vokalen [i] und [ɛ] werden viele Konsonanten „heller“ oder „weicher“ ausgesprochen als vor den „dunklen“ Vokalen [a], [ɔ] und [u]. Eine weitere Besonderheit des Griechischen sind die vor „hellen“ Vokalen entstehenden palatalisierten Laute [kʲ], [gʲ], [lʲ] und [nʲ], bei denen sich nach der Artikulation des Konsonanten die Zunge leicht zum Gaumensegel hebt, wodurch ein angedeuteter j-Laut entsteht (letztere beiden nur nach Verschmelzung mit [i] bei volkstümlichen Wörtern). Das Neugriechische kennt außerdem zahlreiche Sandhi-Erscheinungen, bei denen sich zwei aufeinander folgende Laute, auch an der Wortfuge, klanglich einander angleichen. Für die Aussprache vieler Konsonanten ist also die auch lautliche Umgebung, in der sie sich befinden, maßgeblich. Für Deutsche ungewohnt ist auch, dass aufeinander folgende Wörter nicht voneinander abgesetzt, sondern klanglich verbunden werden.

Buchstabe(n) Lautwert Beschreibung Beispiel
μ [m] wie das deutsche m μήτρα ['mitra] („Gebärmutter“)
[ɱ] vor [v] und [f]:
ein m mit den Schneidezähnen auf der Unterlippe
αμφιβολία [aɱfivɔ'lia] („Zweifel“)
έμβολο ['ɛɱvɔlɔ] („Zapfen“)
μπ [b] am Wortanfang: wie das deutsche b μπαίνω [ˈbɛnɔ] („eintreten“)
[mb] oder [b] im Inlaut und am Wortende:
wie in dt. Mamba oder Abend
έμπορος [ˈɛmbɔrɔs] oder [ˈɛbɔrɔs] („Händler“)
[mp] in einigen Fremdwörtern:
wie dt. mp mit unbehauchtem p
κάμπιγκ [k'ampiŋ(g)] („Camping“)
π [p] immer unbehaucht, etwa wie in dt. Optik παπάς [pa'pas] („Pfarrer“)
[b] am Wortbeginn nach Wörtern, die auf /-n/ enden:
wie das deutsche b
δεν πειράζει [ðɛmbiˈrazi] („das macht nichts“)
β [v] wie das deutsche w βορράς [vɔ'ras] („Norden“)
φ [f] wie das deutsche f φέρνω ['fɛrnɔ], („tragen“)
ν [n] wie das deutsche n Κίνα ['kʲina] („China“)
[m] am Wortende vor mit μ, π, μπ und ψ beginnenden Wörtern:
wie ein flüchtig ausgesprochenes deutsches m
δεν πειράζει [ðɛmbiˈrazi] („das macht nichts“)
[ɱ] am Wortende vor mit β und φ beginnenden Wörtern:
ein m mit den Schneidezähnen auf der Unterlippe
στην Φινλανδία [stiɱfinlan'ðia] („in Finnland“)
[ŋ] am Wortende vor mit γκ, κ und ξ beginnenden Wörtern:
wie ein flüchtig ausgesprochenes deutsches ng
στην Κίνα [stiŋ'gʲina] („in China“)
ν + unbet. /i/ [] vor [a], [ɔ] und [u]:
wie in ital. signora, span. señora
λεμονιά, [lɛmɔˈnʲa] („Zitronenbaum“)
[ni] vor [a], [ɔ] und [u] bei Wörtern gelehrter Herkunft:
wie dt. Anion
παράνοια [pa'rania] („Paranoia“)
ντ [d] am Wortanfang: wie das deutsche d ντύνω [ˈdinɔ] („anziehen“)
[d] oder [nd] im Wortinnern und am Wortende: wie dt. Adel oder anders αντί [aˈdi] oder [aˈndi] („anstatt“)
τ [t] immer unbehaucht, etwa wie in dt. Bettler τέτανος [ˈtɛtanɔs] („Tetanus“)
[d] am Wortbeginn nach Wörtern, die auf /-n/ enden:
wie das deutsche d
εν τάξει [εn'daksi] („in Ordnung“)
δ [ð] wie in engl. this δουλειά [ðu'lʲa] („Arbeit“)
θ [θ] wie in engl. thing θύμα ['θima] („Opfer“)
κ [k] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten:
immer unbehaucht, etwa wie in dt. aktiv
κάτι, ['kati] („etwas“)
[] vor [i] und [ɛ]:
ähnlich wie in der Buchstabenfolge „ckch“ in dt. ckchen
κύμα, ['kʲima] („Welle“)
[g] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten am Wortbeginn nach den meisten Wörtern, die auf /-n/ enden:
wie das deutsche g
στην καρδιά [stiɳgarˈðja] („im Herzen“)
[] vor [i] und [ɛ] am Wortbeginn nach Wörtern, die auf /-n/ enden:
palatalisiertes [g], etwa wie dt. g + j
τον κύπο [tɔŋˈgʲipɔ] („den Garten“)
γ [ɣ] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten:
wie ein stimmhaftes [x], berlinisch [ˈvaːɣən] „Wagen“
γάλα [ˈɣala] („Milch“)
γλυκός [ɣliˈkɔs] („süß“)
[ʝ] vor [i] und [ɛ]:
wie dt. j, aber mit deutlicher Reibung am Gaumen
γυναίκα [ʝi'nɛka], („Frau“)
γ(ι) 1 [ʝ] vor [a], [ɔ] und [u]:
wie dt. j, aber mit deutlicher Reibung am Gaumen
γιατί [ʝa'ti] („warum“), Γυάρος ['ʝarɔs], γεια [ʝa]
γγ [g] oder [ŋg] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten:
wie dt. Magen oder Mango
αγγούρι [aˈguri] oder [aˈŋguri] („Gurke“)
Ausnahme: συγγνώμη [siˈɣnɔmi] („Entschuldigung“)
[] oder [ŋgʲ] vor [i] und [ɛ]:
etwa wie dt. g + j
αγγίζω [agʲi'zɔ] oder [aŋgʲi'zɔ] („berühren“)
γκ [g] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten am Wortanfang:
wie das deutsche g
γκολ [gɔl] („(Fußball)-Tor“)
γκλαβανή [glava'ni] („Falltür“)
[g] oder [ŋg] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten im Wortinnern:
wie dt. Magen oder Mango
αγκώνας [a'gɔnas] oder [aŋ'gɔnas] („Ellenbogen“)
[] vor [i] und [ɛ] am Wortanfang:
ähnlich wie dt. g + j
γκίνια ['gʲinʲa] („Pech“)
[] oder [ŋgʲ] vor [i] und [ɛ]im Wortinnern:
ähnlich wie dt. ng + g + j oder g + j
αγκινάρα [agʲi'nara] oder [aŋgʲi'nara] („Artischocke“)
γγι [ŋgʲ] oder [] vor [a], [ɔ] und [u]:
ähnlich wie dt. ng + g + j oder g + j
ξεραγγιανός [ksɛraŋgʲa'nɔs] oder [ksɛragʲa'nɔs] („dürr“, „knochig“)
γκι [] vor [a], [ɔ] und [u] am Wortanfang:
ähnlich wie dt. g + j
γκιώνης [ˈgʲɔnis] („Kauz“)
[] oder [ŋgʲ] vor [a], [ɔ] und [u] im Wortinnern:
ähnlich wie dt. ng + g + j oder g + j
γχ [ŋx] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten:
wie dt. ng + ch (in „ach“)
σύγχρονος [siŋ'xrɔnɔs] („modern“)
[ŋç] vor [i] und [ɛ]:
wie dt. ng + ch (in „ich“)
συγχαίρω [siŋ'çεrɔ] („beglückwünschen“)
χ [x] vor [a], [ɔ], [u] und Konsonanten und am Wortende:
wie in dt. ach
χαρά [xar'a] („Freude“)
Αλλάχ [al'ax] („Allah“)
[ç] vor [i] und [ɛ]: wie in dt. ich χημεία [çi'mia] („Chemie“)
χι [ç] vor [a], [ɔ] und [u]:
wie in dt. ich
χιόνι ['çɔni] („Schnee“)
λ [l] wie das deutsche l λέξη ['lεksi] („Wort“)
λ + unbet. [i] [] vor [a], [ɔ] und [u]:
wie ital. famiglia
λιακάδα [lʲa'kaða] („Sonnenschein“)
[li] vor [a], [ɔ] und [u] bei Wörtern gelehrter Herkunft.
wie dt. Liane
λειαίνω [li'εnɔ] („glätten“)
ρ [r] mit der Zunge gerolltes r βάρκα [ˈvarka] („Barke“)
[ɾ] gelegentlich vor Vokalen: mit der Zunge gerolltes r mit einem Anschlag ρύζι ['ɾizi] („Reis“)
σ (-ς) [s] Der stimmlose griechische /s/-Laut ist etwas „dunkler“ als der deutsche und tendiert zu [ɕ] bzw. dem deutschem /sch/ ([ʃ]). συστήμα [si'stima] („System“)
[z] vor [v], [ð], [ɣ], [b], [m], vor [r] fakultativ; am Wortende vor mit stimmhaftem Konsonant beginnenden Wörtern:
stimmhaftes s wie in dt. Rose
πολιτισμός [pɔliti'zmɔs] („Kultur“)
Ισραήλ [izra'il] oder [isra'il] („Israel“)
ζ [z] stimmhaftes s wie in dt. s in Rose καζάνι [ka'zani] („Kessel“)
ψ [ps] wie in dt. Mops ψυχή [psi'çi] („Seele“)
[bz] wei dt. b mit stimmhaftem s στην ψυχή [stimbzi'çi] („in der Seele“)
τσ [ts] wie das deutsche z τσάι ['tsai] („Tee“)
τζ [dz] wie dt. d mit stimmhaftem s τζατζίκι [dza'dzikʲi] („Tzatziki“)
ξ [ks] wie das deutsche x εν τάξει [εn'daksi] („in Ordnung“)
[gz] wie dt. g mit stimmhaftem s δεν ξερω [ðεŋ'gzεrɔ] („ich weiß nicht“)

1 Das hier beispielhaft angeführte Iota (ι) steht für jedes Graphem, welches einen unbetonten /i/ Laut repräsentiert. Dieses /i/ wird selbst gar nicht ausgesprochen, sondern zeigt nur die Palatalisierung des ihm vorangehenden Konsonantens (hier γ) an.

Literatur und Quellen

  • Heinz F. Wendt: Praktisches Lehrbuch Neugriechisch. München und Berlin (Langenscheidt) 1965, ISBN 3-468-26210-8
  • Heinz F. Wendt: Taschenwörterbuch Griechisch. München und Berlin (Langenscheidt) 1995, ISBN 3-468-11213-0

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