New Romantic

New Romantic

New Romantic, später auch als New Romanticism bezeichnet, war eine kurze Modewelle, die etwa von 1980 bis 1982 populär war. Sie hatte ihren Ursprung in Großbritannien und wurde als überwiegend britisches Phänomen als ein Teil des New Wave betrachtet. Die Modewelle beschränkte sich im Wesentlichen auf das äußerliche Erscheinungsbild, bestehend aus Bekleidung, Frisur und Kosmetik. Allgemein wurde New Romantic auch mit Musik in Verbindung gebracht. Zu den bekanntesten Bands, deren Bandmitglieder komplett oder zum Teil als New Romantics auftraten, gehörten Visage, Ultravox, Culture Club, Duran Duran, Adam & The Ants und Spandau Ballet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ausgegangen ist diese als reine Modebewegung seitens des Kunststudenten Steve Strange, der, gelangweilt von der Punkbewegung, Ende 1978 im Billy's Club in London regelmäßig am Wochenende eine David-Bowie- und Roxy-Music-Nacht veranstaltete. Als dieser wegen des Besucherandranges zu klein wurde, wechselte er 1979 in einen Club namens Blitz. Er betätigte sich dort als Türsteher und ließ nur Gäste mit einem möglichst extremen und ausgefallenen Outfit eintreten. Es fand sich dort eine modische Mischung aus Punk, New Wave und Glam Rock zusammen. Neben den bereits erwähnten Bands wurde dort Synth-Pop (z. B. Kraftwerk, Depeche Mode, The Human League, Heaven 17) und Funk/Disco-Musik (z. B. Chic) gespielt. Der Club bekam schnell das Image, eine elitäre Ansammlung von Poseuren zu sein.

Im gleichen Jahr war Adam Ant auf der Suche nach einem Manager und einem neuen Erscheinungsbild für seine Band Adam & The Ants. Er wandte sich an Malcolm McLaren, dessen Band Sex Pistols sich aufgelöst hatte. Dieser willigte ein, und McLarens Partnerin Vivienne Westwood kreierte nach dem Vorbild alter Hollywood-Filme den Piraten-Look für die Band. Um dem ganzen eine neue Note zu verleihen, schminkte sich die Band mit einer Art indianischer Kriegsbemalung. McLaren lehnte Adam Ant als Frontmann jedoch ab, worauf sich die Band von Ant trennte. Dieser konnte sich aber die Namensrechte sichern und veröffentlichte 1980 die erste Single mit neuer Band und im Piraten-Look. McLaren fand für die ehemalige Band von Adam Ant die 15-jährige Annabella Lwin als neue Sängerin. Diese Band nannte sich fortan Bow Wow Wow und trug ein ähnliches Outfit wie Adam & The Ants.

Das 1980 veröffentlichte Video Ashes To Ashes von David Bowie gab Steve Strange eine Initialzündung. Er übernahm das Konzept von Bowies Makeup. Das Video erweiterte auch die schon als Blitz Kids (benannt nach dem Club) bekannte Szene um das Harlekin-Outfit, das gelegentlich auch als flamboyant style tituliert wird. Aus der Szene entstanden die ersten Bands wie Duran Duran und Spandau Ballet. Neben diesen und weiteren musikalisch ambitionierten Blitz-Kids wie Boy George (später Culture Club) oder Martin Degville (später Sigue Sigue Sputnik) gehörten der Szene aber auch vorwiegend modisch Interessierte wie Dylan Jones, Redakteur für das damals neue Magazin i-D und später für GQ, oder der Modedesigner Stephen Linard an. Aber auch Steve Strange hatte inzwischen seine Band Visage gegründet. Es kam zu ersten Veröffentlichungen: Spandau Ballet erreichten mit der ersten Single To Cut A Long Story Short Platz fünf in den britischen Charts und Visage gelang mit Fade To Grey ein Hit. Die Presse wurde langsam auf die Szene aufmerksam. Es mangelte jedoch an einem geeigneten Namen. Der Sex-Pistols-Biograf John Savage schrieb einen Artikel über die Szene für das britische Modemagazin The Face mit der Überschrift The Cult With No Name. Diese Bezeichnung sollte vorübergehend beibehalten werden. In dem Artikel schuf John Savage aber auch eine Verbindung zwischen Adam & The Ants, Bow Wow Wow und den Blitz Kids, die vorher nicht existierte. Den Blitz Kids wurden von der Presse auch die Namen Herald Angels, Dandy Dilettantes, New Dandies und Romantic Rebels verliehen, bis das Musikmagazin Sounds sie in einer Ausgabe vom September 1980 mit New Romantics betitelte.[1]

Duran Duran veröffentlichten ihre erste Single Planet Earth 1981 und erreichten damit Platz 12 in Großbritannien. In einer Strophe des Textes von Planet Earth heißt es: ...like some new romantic looking for the tv sound.[2] Ersonnen wurde der Begriff New Romantic schon kurz vorher von Richard James Burgess, dem ehemaligen Schlagzeuger der Band Landscape und Produzenten der ersten beiden Alben von Spandau Ballet.[3] Auch Adam & The Ants erreichten Platz eins der Charts. Die Musikpresse griff nun den Begriff New Romantic dankbar auf und hatte eine neue Welle.

Duran Duran und Spandau Ballet kehrten der Szene den Rücken und wurden zu einer modischen Kopie von Bryan Ferry, der allgemeinhin als der „am besten gekleidete Mann“ in Großbritannien galt. In edlen Anzügen gekleidet und mit der typischen, überdimensionalen Haartolle, die vom Seitenscheitel ausgehend ins Gesicht fiel, wurden Spandau Ballet zu dem, was man in Deutschland als Popper bezeichnete, die aber eine eigenständige Bewegung bildeten. Neue Bands wie Haysi Fantayzee, Kajagoogoo und Culture Club kamen der New-Romantic-Welle hinzu, während schon etablierte Bands wie OMD und Japan mehr auf den fahrenden Zug aufsprangen.

Die Musik

Die New-Romantic-Bewegung hatte keine einheitliche Musikrichtung. Die Bands, die dieser Bewegung zugeordnet wurden, griffen aktuelle Trends der populären Musik auf und waren chartsorientiert. Künstlerische Ambitionen in musikalischer Hinsicht waren zweitrangig.[4] Das optisch auffällige Auftreten der New Romantics funktionierte vor allem in dem neuen Medium der Musikvideos. Wenn David Bowie zu jedem Album ein neues Outfit trug, so hatten Duran Duran den Anspruch, zu jeder neuen Single ein anderes Outfit zu tragen,[5] und zu jeder neuen Single wurde ein entsprechendes Video produziert.

Wirkung und Einfluss

Die New-Romantic-Bewegung polarisierte enorm und die britische Musikpresse fand in ihr ein neues Feindbild.[6] Das ging so weit, dass Steve Strange von der englischen Presse als The Posing Doughnut verhöhnt wurde.[7] Die Bewegung wurde als elitär und mit einer lasziven Neigung zur Dekadenz betrachtet.[4] Ihre Präsentation einer nostalgisch-romantischen Popwelt stand im krassen Gegensatz zur Lebensrealität der Jugendlichen in Großbritannien der 1980er Jahre, die geprägt war von Arbeitslosigkeit und einem harten sozial- und wirtschaftspolitischen Reformkurs der Thatcher-Ära.[4][8] Diese bewusste Abkehr von der Realität in eine phantasievoll, multimedial inszenierte Scheinwelt zeichnete ein Gegenbild zum harten Realismus des Punk.[4] Ein Leserbrief vom 1. Januar 1981 im britischen Musikmagazin Sounds war ein Höhepunkt in einer ständigen Auseinandersetzung zwischen Punks und New Romantics. Darin beschimpfte ein bekennender Crass-Anhänger New-Romantic-Bands als „kommerziellen Müll“, der alles unterwandere, wofür Punk und Bands wie The Clash oder Sham 69 standen, und bemerkte abschließend: „Die sind zum Kotzen.“[9] Viele Bands wie ABC[7], die Simple Minds[10], The Cure[6], Virgin Prunes[11] oder Depeche Mode[12] gingen auf Distanz zum New Romantic oder lehnten wie Yazoo oder XTC generell alles ab, was mit Mode zu tun hatte. Der Bewegung wurde immer wieder vorgeworfen, dass sie außer Äußerlichkeiten nichts vermitteln wollte:

„Bis zu Beginn von New Romantic erwartete man, dass New Wave Musik Aussage beinhaltete, dass sie gefährlich war. Aber die New Romantics glaubten, es würde reichen, den Leuten einen Haarschnitt und ein paar Klamotten zu verkaufen […] Sie gründeten ihre Ideen einzig und allein auf Oberflächlichkeiten […] Sie waren gute Geschäftsleute, aber das war auch alles.“

Kristian Hoffman, 1982/83[11]

New Romantic wurde zum Synonym für den Ausverkauf des New Wave. Wie die Punks lehnten auch die frühen Goths diese Kommerzialisierung ab.[13] Dennoch hatte New Romantic laut Judith Platz, trotz der geringen Anzahl ihrer Protagonisten, einen großen Einfluss auf die Goths.[14] Diedrich Diederichsen bezeichnet die Gothic-Bewegung als "dunklen Bruder" der New Romantics und weist auf die gemeinsamen Ursprünge im Glam Rock und dem Bromley Contingent hin. Er zählt die New-Romantic-Bewegung mit zu den Schlachtfeldern der Style Wars (engl., Krieg der Stile), die seit den frühen 1980er Jahren zunehmend in erster Linie über Moden und Lebensstilismen ausgetragen wurden. Diederichsen sah darin die Vorläufer der heute allseits üblichen Differenzierungs- und Distinktionsorgien zwischen und innerhalb von Jugendkulturen.[15]

Der amerikanische Anthropologe und Autor Ted Polhemus sah einen bedeutenden Einfluss der New Romantic Bewegung in der Erweiterung des Angebots britischer Modemagazine wie i-D und The Face, die im Gegensatz zu den klassischen Modemagazinen auch Streetstyle zum Inhalt hatten.[16]

Die New-Romantic-Welle hatte allerdings einen starken Eindruck in Japan hinterlassen, den man noch heute in der japanischen Popmusik - vor allem im so genannten Visual Kei - wiederfindet. Auch in Manga und Anime sind solche Spuren nicht zu übersehen.

Revivals

Mitte der 1990er Jahre entstand in britischen Clubs ein Revival mit der Bezeichnung Romo. Der DJ und Musikjournalist Simon Price und sein Kollege Simon Parkes waren die treibenden Kräfte hinter dieser Welle. Beide schrieben für das Musikmagazin Melody Maker, das versuchte aus Romo einen neuen Hype zu generieren. Es war ein kurzlebiges und erfolgloses Revival, das Price als „Revolution gegen die trübe Selbstzufriedenheit des Britpop“ und als ein „großer Schritt hin zu Stil, Haltung, Schick, Mystik und Glamour“ betrachtete.[17] Der Melody Maker kündigte 1995 die Welle als „die zukünftige Pop Explosion“ an, die imstande wäre, den Britpop zu „exekutieren“. Musikalische Protagonisten waren Bands wie Orlando, Plastic Fantastic, Minty, Viva, Sexus, Hollywood und Dex Dexter.[18]

Siehe auch

Quellen

  1. Spandau Ballet, the Blitz kids and the birth of the New Romantics. In: www.guardian.co.uk. Abgerufen am 1. Oktober 2010 (englisch).
  2. Marty Monroe: Duran Duran - The Book Of Words, Hal Leonard Publishing Corporation, London 1984, S. 16. ISBN 0-7119-0547-9
  3. FASHION / The British supermarket of style. In: www.independent.co.uk. Abgerufen am 16. Dezember 2009 (englisch).
  4. a b c d Peter Wicke, Wieland & Kai-Erik Ziegenrücker: Handbuch der populären Musik, Schott Music GmbH & Co KG, Mainz 2007, S. 490. ISBN 978-3-7957-0571-8
  5. Kirsten Borchardt: Stop Making Sense – Supermarkt des Erhabenen: New Wave und Pop in den Achtzigern. In: Kemper / Langhoff / Sonnenschein (Hg.): Alles so schön bunt hier – Die Geschichte der Popkultur von den Fünfzigern bis heute, Reclam Verlag, Leipzig 2002, S. 212 ISBN 3-379-20040-9
  6. a b Diedrich Diederichsen: The Cure – Gibt es ein Leben nach der Restauration?. In: Sounds, Jahrgang 13, Heft 5 / Mai 1981, Sounds Verlag GmbH, Hamburg 1981, S. 22.
  7. a b Kid P.: Das kleine ABC des Lebens. In: Sounds, Jahrgang 14, Heft 9 / September 1982, Sounds Verlag GmbH, Hamburg 1982, S. 38.
  8. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Arbeitslosigkeit in Großbritannien. In: Homepage von Dr. Hermann Adam, Wirtschaft anderer Länder, Großbritannien - Folien, aufgerufen am 4. September 2009.
  9. George Gimarc: Punk Diary – The Ultimate Trainspotters Guide To Underground Rock 1970-1982. Backbeat Books, San Francisco 2005, S. 419. ISBN 0-87930-848-6
  10. Doris D'Oro: Simple Minds. In: Sounds, Jahrgang 14, Heft 5 / April 1982, Sounds Verlag GmbH, Hamburg 1982, S. 37-38.
  11. a b Judith Ammann: Who’s been sleeping in my Brain - Einleitung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt / Main 1987. ISBN 3-518-11219-8
  12. A History Of Goth - Futurist Gesichtet: 30. August 2009.
  13. A History of Goth: New Romantic, aufgerufen am 7. September 2009.
  14. Axel Schmidt, Klaus Neumann-Braun, Judith Platz: Die Welt der Gothics. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, S. 268. ISBN 3-531-14353-0
  15. Diedrich Diederichsen: Die Rückkehr der Nostalgiemaschine. In: Die Zeit – Leben, Ausgabe 44/2001
  16. Polhemus, Ted: Streetstyle: From Sidewalk to Catwalk, Zitiert in: A History of Goth - New Romantic, Gesichtet: 12. September 2009.
  17. Barney Hoskyns: Glam Rock. Bowie, Bolan und die Glitter-Rock-Revolution. Hannibal Verlag, St. Andrä-Wördern 1999, S. 132. ISBN 3-85445-167-9
  18. Dave Simpson: The scenes that time forgot In: guardian.co.uk, aufgerufen am 12. September 2009

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