Niederweisel

Niederweisel
Nieder-Weisel
Gemeinde Butzbach
Koordinaten: 50° 25′ N, 8° 41′ O50.4152777777788.6822222222222179Koordinaten: 50° 24′ 55″ N, 8° 40′ 56″ O
Höhe: 179 m ü. NN
Einwohner: 2514 (33. Juni 2008)
Eingemeindung: 1970
Postleitzahl: 35510
Vorwahl: 06033
Wappen von Nieder-Weisel
Luftaufnahme 2007

Nieder-Weisel ist ein Stadtteil von Butzbach in Deutschland im Wetteraukreis, Hessen am nordöstlichen Übergang des Taunus zur Wetterau.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Geographische Lage

Nieder-Weisel (179 m ü. NN) liegt südlich von Butzbach in der Wetterau in Hessen. Westlich liegt der Stadtteil Hoch-Weisel mit 252 m ü. NN erheblich höher. Im Osten wird es durch die Autobahn A5 von Frankfurt am Main Richtung Kassel begrenzt. Nach Süden liegt Ober-Mörlen. Zu Nieder-Weisel gehört die Waldsiedlung, die geographisch direkt an das Stadtgebiet Butzbachs grenzt.

Geschichte

Turm der Dorfkirche in Nieder-Weisel

Nieder-Weisel ist seit der Jungsteinzeit fast ununterbrochen Siedlungsgebiet. Der heutige Ort entstand etwa im 6. und 7. Jahrhundert. Vermutlich wurde Nieder-Weisel erstmals 772 unter dem Namen „Wizele“ urkundlich erwähnt. Eine Trennung zwischen Nieder- und Hoch-Weisel fand damals noch nicht statt. Im 12. Jahrhundert kam Nieder-Weisel zum Besitztum der Herren von Arnsburg-Münzenberg. Reichskämmerer Kuno I. von Münzenberg stattete den Johanniterorden nach 1185 großzügig mit Gütern in und um Nieder-Weisel aus. Dies führte zur Gründung der Komturei in Nieder-Weisel.

Aus dem 12. Jahrhundert stammt der Turm der Dorfkirche. Diese hat einen, noch heute erkennbaren, wehrhaften Charakter. Das heutige Kirchenschiff wurde im 17. Jahrhundert fertiggestellt.

Komturkirche in Butzbach Nieder-Weisel aus dem 12 oder 13. Jht.

Ungefähr ab 1195 wurde in Nieder-Weisel die romanische Komturkirche des Johanniterordens errichtet. Die Kirche findet sich 1245 erstmals in schriftlichen Urkunden über die Errichtung der Kommende. Die Komtur wurde endgültig ab 1557 evangelisch.

Im Mittelalter wurde das Obergeschoss der zweigeschossigen Kirche nie fertiggestellt, vermutlich weil der Förderer der Komturei Kuno I verstarb. Um 1550 stockte der Johanniterorden das Obergeschoss aus eigenen Mitteln auf. Der Bau wurde erst im 19. Jahrhundert nach der Rückgabe an den Johanniterorden restauriert und vollendet. Die Übergänge vom alten Bauabschnitt zum neuen sind deutlich erkennbar, da die Fertigstellung mit Bruchsteinen erfolgte, während das Untergeschoss aus behauenen Steinen mit Steinmetzarbeiten ausgeführt wurde.

Nieder-Weisel lag an dem mittelalterlichen Handelsweg Weinstraße (Wagenstraße) von Frankfurt-Höchst nach Bremen bzw. Lübeck. Die Weinstraße teilte sich zwischen Höchst und Butzbach den Verlauf mit der durch die langen Hessen genannten Handelsstraße von Frankfurt nach Eisenach.

Am 6. Mai 1761 wurden 54 Häuser, 74 Scheunen und 75 größere Ställe Opfer eines Brandes entlang der Straße aus Butzbach. Menschen kamen bei dem Brand nicht zu Schaden. [1]

Bis 1809 blieb der Johanniterorden Eigentümer der Komturkirche und von landwirtschaftlichen Nutzflächen bis nach Lich und Wetzlar. Im Rahmen der Säkularisierung wurden die Besitztümer des Ordens vom preußischen Staat eingezogen. Das Gut und die Kirche wurden 1811 von Freiherr von Wiesenhütten gekauft, das Erdgeschoss der Kirche nutzte dieser als Kuhstall.

Die Enteignung der Johanniter hatte erhebliche wirtschaftliche Folgen für die Nieder-Weiseler Bauern, bewirtschafteten sie doch bis dahin die Güter des Ordens als Pächter. Der Freiherr ließ nun sein Gut selbst bewirtschaften. Dies führte zu einer großen Auswanderungswelle. Die Einwohnerzahl sank von ca. 2300 im Jahr 1849 bis auf ca. 1300 im Jahr 1893.

1864 sollte die Kirche abgerissen werden. Der evangelische Pfarrer in Nieder-Weisel, Wilhelm Kayser, konnte den Abriss 1866 gerade noch verhindern. [2]

Die hessische Genossenschaft des Ordens erhielt die Kirche 1867 vom hessischen Fiskus geschenkt. Ab 1868 restaurierte Hugo von Ritgen die Komturkirche im Auftrag des Ordens. Dieser kaufte 1869 das ehemalige Gutshaus zurück. Dieses wurde von 1870 bis 1973 als Krankenhaus genutzt. Heute ist es das Ordenshaus der hessischen Genossenschaft.

Am 18. Juni 1893 brannte es verheerend in der Hintergasse, bei diesem Brand wurde auch die Pfarrkirche beschädigt. In der Folge wurde die noch heute aktive Freiwillige Feuerwehr Nieder-Weisel mit Unterstützung der Gemeindeverwaltung am 28. Dezember 1893 gegründet.[3]

Die 1835 erbaute Synagoge wurde während der Novemberpogrome 1938 geschändet und geplündert. Die Ruine wurde abgerissen und mit einem Wohnhaus überbaut. [4]

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Heimatvertriebene in Nieder-Weisel angesiedelt und die Waldsiedlung als eigener Ortsteil gegründet.

Im Jahr 1961 wurde in der Komturkirche in Nieder-Weisel die Johanniter-Ordensallianz gegründet. Mitglieder der Allianz sind die Balley Brandenburg (Deutschland), The Most Venerable Order of St. John (englische Wikipedia) (Großbritannien), Johanniter Orde in Nederland (Niederlande) und Johanniterorden i Sverige (Schweden).

Im Jahr 1970 erfolgte im Rahmen der hessischen Gebietsreform die Eingemeindung Nieder-Weisels als Stadtteil nach Butzbach.

Nieder-Weisel hat 2.492 Einwohner.

Religionen

Bis 1938 war gab es in Nieder-Weisel neben der evangelischen Gemeinde eine jüdische, deren Synagoge sich ab 1835 in der Weingartenstraße 1 befand. Die jüdische Bevölkerung machte bis zu 6 % aus. Nach dem II. Weltkrieg wuchs der Anteil katholischer Einwohner durch den Zuzug von Flüchtlingen. Eine eigene katholische Kirchengemeinde besteht nicht.

Politik

Wappen

Das Wappen von Nieder-Weisel erinnert an die Geschichte des Stadtteiles als Standort einer Komtur des Johanniterordens. Es führt in der unteren Hälfte noch heute das Johanniterkreuz. In der oberen Hälfte befindet sich der Löwe, der noch heute im hessischen Landeswappen dargestellt wird.

Ortsbeirat

Bei der Kommunalwahl am 26. März 2006 ergab sich folgende Sitzverteilung:

Parteien und Wählergemeinschaften Sitze
CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands 2
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands 2
FDP Freie Demokratische Partei 1
gesamt 5

Vorsitzender des Ortsbeirates ist der hessische Landtagspräsident Norbert Kartmann.[5]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Bauwerke

12. bis 13. Jahrhundert

evangelische Pfarrkirche

Der Turm der Kirche entstammt in seinen Grundzügen vermutlich der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Der Turmhelm wurde um 1655 aufgesetzt. Das heutige Kirchenschiff entstand unter teilweiser Verwendung romanischer Bausubstanz zwischen 1545 und 1613. Die Innenausstattung stammt vermutlich aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Komturkirche der Kommende Nieder-Weisel des Johanniterordens

Romanische zweigeschossige Kirche mit einer östlichen vorgebauten halbrunden Apsis und zwei Apsiden in den Seitenschiffen. Die Datierung des Baues ist nicht vollständig geklärt. Der Bau dürfte ab Mitte des 12. Jahrhundert bzw. im 13. Jahrhundert entstanden sein. Der Krankensaal im Obergeschoss blieb unvollendet und wurde im 16. Jahrhundert mit einer Flachdecke auf Holzbalken vervollständigt. Ab 1868 wurde die Komturkirche von Hugo von Ritgen restauriert.

14. bis 18. Jahrhundert

Altes Rathaus

Das alte Rathaus in der Butzbacher Straße 2 stammt aus dem Jahr 1555. 1860 umgebaut, wurde 1887 das Schulhaus rechtwinklig angebaut.

Herrenhaus der Johanniter

Das Herrenhaus entstand 1780. 1913 wurde es winkelförmig erweitert, um dem größeren Platzbedarf des Krankenhauses gerecht zu werden. Stilistisch wurden die Anbauten dem Mittelbau angeglichen.

Fachwerkbauernhöfe im alten Ortskern

Im Ortskern Nieder-Weisels finden sich noch heute gut erhaltene Bauernhöfe als teilweise verputzte Fachwerkbauten aus dem 17. bis 20. Jahrhundert. Der alte Ortskern steht als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. [6]

Wirtschaft und Infrastruktur

Verkehr

Straße

Nieder-Weisel liegt westlich der Bundesautobahn 5 vom Hattenbacher Dreieck nach Süden bis Basel an der Ausfahrt 13 "Bad Nauheim, Butzbach-Süd, Waldsolms". Im Norden führt die Bundesstraße 3 an Nieder-Weisel vorbei.

Schiene

Die Trasse der Main-Weser-Bahn schneidet den Ortsrand Nieder-Weisels im Westen. Einen eigenen Bahnhof hat Nieder-Weisel nicht. Der nächste Haltepunkt für Regionalverkehre liegt in Ostheim.

ÖPNV

Nieder-Weisel gehört zum Rhein-Main-Verkehrsverbund. Vom Haltepunkt Ostheim verkehrt die Regionalbahn RB30 zwischen Frankfurt am Main und Kassel und die RB40 von Frankfurt am Main nach Siegen. Am Bahnhof Butzbach halten zusätzlich die entsprechenden Regionalexpresszüge RE30/40. Durch Nieder-Weisel führt die Buslinie FB500. Diese wird betrieben von der HLB Hessenbus GmbH. [7]

Bildung

  • Die evangelische Kirchengemeinde Nieder-Weisel trägt einen Kindergarten Am Haingraben.
  • In Nieder-Weisel ist die Haingrabenschule als Grundschule des Wetteraukreises.
  • Die private Johanniterschule Butzbach – Nieder-Weisel bietet in Trägerschaft der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. die einjährige Ausbildung zur/m Rettungssanitäter/-in an.[8]

Söhne und Töchter der Stadt

Einzelnachweise

  1. http://www.users.bigpond.net.au/haintz/index.html The Nieder-Weisel-Story
  2. http://www.johanniter-orden-hessen.de/_private/komturkirche.htm Geschichte der Komturkirche
  3. http://www.feuerwehr-nieder-weisel.de/Seiten/Chronik.htm Aus Chronik der Freiwilligen Feuerwehr
  4. http://www.alemannia-judaica.de/nieder-weisel_synagoge.htm Die Synagoge in Nieder-Weisel bei Alemannia Judaica
  5. http://www.stadt-butzbach.de/site/rathaus/pdf/liste_ob_butzbach_10_2006.pdf Liste der Ortsbeiräte der Stadt Butzbach
  6. http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/mapwalk.pl?obj=5036&session=1896&event=Query.Details DenkXweb Kulturdenkmäler in Hessen Gesamtanlage Nieder-Weisel
  7. http://www.rmv.de Webseite des Rhein-Main Verkehrsverbundes
  8. http://www.rp-darmstadt.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/slimp.CMReader/HMdI_15/RPDA_Internet/med/88d/88d201a2-5370-0c01-a3b2-171765bee5c9,22222222-2222-2222-2222-222222222222,true.pdf Staatlich anerkannte Rettungsdienstschulen in Hessen

Weblinks


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