- Nomenklatur (Anatomie)
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Die anatomische Nomenklatur entwickelte sich bzw. wurde entwickelt, damit es Fachkundigen möglich ist, mit denselben Begriffen immer dieselben Körperteile der Lebewesen zu bezeichnen. Seit der Antike versuchen sich die Menschen an dieser allgemeinen Namensgebung. Deswegen gibt es eine Vielzahl von Bezeichnungen für dieselben Körperteile. Zusätzlich können Teile des Körpers, besonders Muskeln und mehrfach unterteilte Organe, unterschiedlich aufgeteilt werden. So wird zum Beispiel der Quadrizeps in einigen Nomenklaturen als Sammelbezeichnung für vier Muskeln definiert, während in anderen, neueren Nomenklaturen derselbe Quadrizeps als ein einziger Muskel mit vier Muskelköpfen gilt.
Die anatomischen Nomenklaturen verwenden die lateinische Sprache. Dies hat zum einen historische Gründe, da Latein im Mittelalter die generelle Universitätssprache war. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Sprache als sogenannte „tote Sprache“ (nicht mehr aktiv gesprochen, eine Ausnahme stellt Vatikanstadt dar, in welcher es offizielle Amtssprache ist) keinen Veränderungen mehr unterliegt. Zudem sind für alle Wissenschaftler, egal welcher Muttersprache, die Voraussetzungen gleich. In jüngerer Zeit unterliegt das medizinische Latein dennoch einigen Veränderungen. Sie sind in der Dominanz der englischen Sprache in der modernen Wissenschaftslandschaft begründet. Insbesondere die Diphthonge „oe“ und „ae“ werden in der modernen Schreibweise einfach durch „e“ ersetzt (z. B. Taenia → Tenia, Oesophagus → Esophagus).
Es gibt heute etwa 8000 anatomische Bezeichnungen, die aus etwa 600 Grundbegriffen zusammengesetzt sind (400 lateinischer, 200 griechischer Herkunft). Die Bezeichnungen werden unabhängig ihrer Herkunft in der Regel wie lateinische Formen behandelt und lateinisch konjugiert. Die übliche Aussprache entspricht dem spätlateinischen Gebrauch: c wird vor hellen Vokalen (e, i, ae, oe, y) wie z, sonst wie k gesprochen.
Inhaltsverzeichnis
Nomenklaturen
Um die Varianten zu vereinheitlichen wurden mehrere Regelwerke aufgestellt. Im Zweifel ist grundsätzlich die neuere Zuordnung zu verwenden, aber gelegentlich stößt man auch auf ältere Definitionen. Die humananatomischen Nomenklaturen sind:
- Basler Nomina Anatomica (BNA) von 1895
- Jenaer Nomina Anatomica (JNA) von 1935
- Pariser Nomina Anatomica (PNA) von 1955
- Terminologia Anatomica von 1998 (aktuell geltend).
Die PNA war für die vergleichende Morphologie eher ein Rückschritt, denn die Lagebezeichnungen orientieren sich (wie schon bei der BNA) wieder an der aufrechten Körperhaltung des Menschen. Für andere Säugetiere ist sie dadurch nur eingeschränkt sinnvoll. Deshalb wurde 1955 eine Arbeitsgruppe gegründet, die die Nomina Anatomica Veterinaria (NAV) erarbeitete. Sie erschien 1968 in erster Auflage, mittlerweile gilt die 5. Auflage aus dem Jahre 2005. Die veterinäranatomische Nomenklatur ist weitgehend mit der humananatomischen identisch, so dass eine gegenseitige Verständigung gesichert ist, selbst auf die Gefahr hin, dass bestimmte Namen eigentlich wenig sinnvoll sind. So ist beispielsweise der Musculus teres major (übersetzt: „großer runder Muskel“) zwar beim Menschen rundlich, bei den übrigen Säugetieren aber ein streifenförmiges Muskelband, wird aber dennoch auch bei Tieren so benannt. Lediglich bei bestimmten Lage- und Richtungsbezeichnungen weichen NAV und PNA voneinander ab. Eine weitere Besonderheit der NAV ist, dass sie konsequent auf Eigennamen verzichtet.
Für Vögel ließ sich, aufgrund vieler baulicher Eigenheiten, die anatomische Nomenklatur ebenfalls nicht einfach übertragen. Daher wurde für diese Wirbeltierklasse eine eigene Nomenklatur geschaffen, die Nomina Anatomica Avium (NAA). Sie liegt seit 1993 in zweiter Auflage vor.
Namenskonventionen
All diese Regelwerke legen übereinstimmend fest, dass anatomische Namen immer aus mindestens zwei Teilen bestehen, oft aus drei, manchmal sogar aus vier. Diese Teile sind nach einem einfachen System zusammengesetzt. Einteilige Namen gibt es lediglich für übergeordnete Regionen (Caput Kopf, Collum Hals, Thorax Brust usw.) und wichtige Organe (Cor Herz, Cerebrum Gehirn u.a.)
Der erste Namensteil nennt die „Baugruppe“ (zum Beispiel Knochen – Os) oder charakterisiert die „Bauform“ (zum Beispiel Rinne – Sulcus). Der zweite Namensteil beschreibt diese nun näher, indem die Form, Lage, Länge, Farbe oder die Zugehörigkeit zu einem Organ angegeben wird. Wenn diese beiden Namensteile immer noch nicht eindeutig sind, werden zusätzliche Namensteile angehängt, die weitere Orts-, Größen oder Zahlenangaben (der Vordere, der Größte, der Zweite, ...) enthalten.
Bei einigen häufig verwendeten Strukturen wird der erste Namensteil abgekürzt: A. für Arterie (Arteria), Art. für Gelenk (Articulatio), For. für Loch (Foramen), Ln. für Lymphknoten (Lymphonodus), M. für Muskel (Musculus), N. für Nerv (Nervus), V. für Vene (Vena) und dergleichen mehr. Wenn mehrere Muskeln, Venen, Lymphknoten etc. gemeint sind, wird der letzte Buchstabe der Abkürzung verdoppelt: Mm. sind also „mehrere Muskeln“, Vv. bedeutet „mehrere Venen“, Lnn. „mehrere Lymphknoten“.
Körperteile (1. Teil des Namens) Lateinisch Kürzel Deutsch Angulus Winkel, Ecke Apertura Öffnung Arcus Bogen Arteria A. Arterie (Ader, die vom Herzen weg führt) Articulatio Art. Gelenk Bursa B. Schleimbeutel Canalis Kanal Caput Kopf (als Form, nicht als Schädel; zum Beispiel: Gelenkkopf) Cavitas Höhle Collum Hals (z.B. bei Knochen) Cornu Horn, Fortsatz Corpus Körper, Schaft (bei Knochen) Crista Kamm, Vorsprung, verstärkter Rand Ductus Gang, Röhre Fascia Faszie (bindegewebige Hülle um Muskeln) Fossa Grube, Vertiefung Foramen Loch Glandula Drüse Gyrus Windung, v.a. Hirnwindung Hiatus Durchtrittstelle, Spalte, Öffnung Lamina Häutchen, Schicht Ligamentum Lig. Band Lobus Lappen (Großhirnlappen, Lungenlappen) Margo Rand Musculus M. Muskel (eigentlich: Mäuschen) Nervus N. Nerv Nodus Nd. Knoten Os Knochen Pars Teil, eins von mehreren Plexus Geflecht Processus Proc. Vorsprung, Fortsatz Radix Rad. Wurzel, Ursprung Ramus R. Ast, Zweig Recessus von re~: zurück~ und cedere: weichen Septum Wand, Trennung Sinus Ausbuchtung, Vertiefung, Höhle, Nasennebenhöhlen, Erweiterungen von Venen (Sinus cavernosus u.a.) Sulcus Furche, Rinne Tendo Sehne Tuber Höcker, Wulst Tuberculum Tub. Höckerchen Tuberositas unebene, höckerige, rauhe Stelle (häufig Ansatzstelle für Sehne eines Muskels) Vas Gefäß, Ader Vena V. Vene (Ader, die zum Herz hinführt) Ortsangaben (2. Teil des Namens) Lateinisch Kürzel Deutsch abdominalis zum Bauch (Abdomen) gehörig acromialis zur Schulterhöhe (Acromion) gehörend brachialis am Oberarm (Brachium) costalis an den Rippen (Costa) cranialis zum Schädel (Cranium) gehörend oder zeigend, oberhalb (schädelwärts) gelegen cysticus zum Gallengangssystem gehörend dorsalis am Rücken (Dorsum), rückenwärts gelegen, gilt auch für Hand- und Fußrücken femoris am Oberschenkel (Femur) fibularis zum Wadenbein (Fibula) gehörend gastricus zum Magen (Gaster) gehörend hepatis an oder in der Leber (Hepar, griechisch) iliacus am oder im Darmbein (Os ilium) lienalis zur Milz (Lien) gehörend palmaris zur Handfläche (Palma manus) gehörend pectoralis an der Brust (Pectus) peroneus am Wadenbein plantaris zur Fußsohle (Planta pedis) gehörig pulmonalis an oder in der Lunge (Pulmo) radialis an der Speiche (Radius) renalis an oder in der Niere (Ren) thoracicus am oder im Brustkorb (Thorax) tibialis am Schienbein (Tibia) transversus quer verlaufend, hindurch strebend ulnaris an der Elle (Ulna) vertebralis zum Wirbel (Vertebra) Richtungen und Größen (2., 3. oder 4.Teil des Namens) Lateinisch Kürzel Deutsch anterior ant. vorderer ascendens aufsteigend caudalis unten, schwanzwärts cranialis oben, kopfwärts descendens absteigend dexter dext. rechts (vom Patienten aus, nicht vom Betrachter!) dorsalis dors. hinten, am Rücken, rückenwärts externus ext. außen, an der Oberfläche inferior inf. unterer internus int. innen, im Körper lateralis lat. seitlich, außen longitudinalis in Längsrichtung maximus max. der Größte medialis med. innen, zur Mitte hin medius mittlerer, zwischen zwei anderen minimus min. der Kleinste posterior post. hinterer profundus prof. tief sinister sin. links (vom Patienten aus, nicht vom Betrachter!) superior sup. oberer superficialis superf. oberflächlich ventralis ventr. vorn, am Bauch, bauchwärts Hinweis: Die in dieser Tabelle genannten lateinischen Bezeichnungen kommen in mehreren Formen vor, abhängig vom grammatischen Geschlecht des Substantivs der Wortverbindung. Oben ist nur die männliche Form genannt. So lautet die männliche Form von „links“ sinister, die weibliche sinistra, die sächliche sinistrum. Für die richtige Übersetzung reicht es, wenn das gesuchte Wort dem Wort in der Tabelle bis auf die Endung gleicht.
Siehe auch
Literatur
- Wolfgang Dauber, Heinz Feneis: Feneis’ Bild-Lexikon der Anatomie. 9. Aufl. Stuttgart: Thieme 2005. ISBN 3-13-330109-8
- Ian Whitmore (Hrsg.): Terminologia Anatomica. International Anatomical Terminology. Stuttgart: Thieme 1998. ISBN 3-13-114361-4
Dieser Artikel wurde am 14. September 2005 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.
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