Nordmähren

Nordmähren
Historische Einteilung Tschechiens: Mähren (blau), Böhmen (grün) und Schlesien (ocker).
Wappen von Mähren
Flagge von Mähren

Mähren (auch Morawien, tschech. und slowak. Morava;  Aussprache?/i, lat. Moravia) ist ein historisches Land östlich von Böhmen. Es heißt nach dem Fluss March (tschech. ebenfalls Morava) und ist dessen nördliches Einzugsgebiet.

Inhaltsverzeichnis

Geografie und Wirtschaft

Mähren bildet das östliche Drittel Tschechiens und wird heute in folgende Kreise gegliedert: Region Zlín, fast die ganze Südmährische Region, Mehrheit der Region Olmütz, die Osthälfte der Region Vysočina, Teile der Mähren-Schlesischen Region sowie die Ostteil der Region Pardubice und der Südostteil der Südböhmischen Region. Nicht zum eigentlichen Mähren zählen die Quellgebiete der Oder von Jägerndorf und Troppau gegen Mährisch Ostrau, die historisch zu Schlesien gehören – siehe Tschechisch-Schlesien.

Mähren grenzt im Norden an Polen und den tschechischen Teil Schlesiens, im Osten an die Slowakei, im Süden an Niederösterreich und im Westen an Böhmen. Die Nordgrenze bilden die Sudeten, die nach Osten und Südosten in die Karpaten übergehen. Das historische Dreiländereck mit Böhmen und Österreich befindet sich an der Spitze der Böhmischen Saß am Hohen Stein bei Staré Město pod Landštejnem. An der Grenze zu Österreich fließt die stark mäandrierende Thaya; im Umkreis von Hardegg entsteht ein zwischenstaatliches Naturschutzgebiet.

Den Kern des Landes (Höhenlage 180–250 m) bildet das Sedimentbecken der March und teilweise der Thaya. Im Westen (Böhmisch-Mährische Höhe) steigt es bis über 800 m, der höchste Berg ist jedoch der im Nordwesten liegende Altvater (1490 m) in den Sudeten. Südlich davon liegt das Hochland Niederes Gesenke (600–400 m), das bis zum Oberlauf der Oder (Mährische Pforte bei Mährisch Weißkirchen) auf 310 m absinkt und weiter zu den Beskiden auf 1322 m (Kahlberg) ansteigt. Diese drei Gebirgsketten, mit der Pforte zwischen den letzten beiden, sind ein Teil der europäischen Wasserscheide. Die Ostgrenze bilden die Weißen Karpaten mit maximal 970 m n.m. (Velká Javořina).

Im Süden bei Göding und Lundenburg hat Mähren Anteil am Wiener Becken, in dessen tieferen Sedimenten nach Erdöl und nach Lignit gebohrt wird. Es gab dem Moravikum seinen geologischen Namen. Bei Ostrava (Ostrau, Nordosten) wurde bis etwa 1995 intensiv Kohle abgebaut. An Industrie sind Eisen, Chemie, Leder und Baustoffe hervorzuheben; Wirtschaftszentren sind Brünn, Olmütz und Ostrau. Neben der Landwirtschaft ist Mähren für seinen Weinbau bekannt.

Geschichte

Mähren-Karte um 1900

Das heutige Mähren entwickelte sich schon in der vorgeschichtlichen Zeit auf den beiden Seiten der sogenannten Bernsteinstraße. Um 60 v. Chr. zogen die keltischen Boier aus dem Gebiet ab und wurden ersetzt durch die germanischen Markomannen und Quaden, im 6. Jahrhundert besiedelten die slawischen Mährer die Region. Im 7. Jahrhundert gehörte das heutige Mähren zum Reich des Samo. Anfang des 8. Jahrhunderts gehörte der südliche Teil zum Einflussbereich der Awaren. Nachdem Karl der Große die Awaren verjagte, entstand gegen Ende des 8. Jahrhunderts im heutigen südöstlichen Mähren, Teilen der südwestlichen Slowakei (Záhorie) und später auch in Teilen Niederösterreichs das Mährische Fürstentum, aus dem 833 durch die Eroberung des Neutraer Fürstentums (die heutige Slowakei und Teile des nördlichen Ungarns) der Staat Großmähren entstand, der später zeitweise auch verschiedene Nachbargebiete (Böhmen, heutiges Ungarn, Weichsel-Gebiet u. a.) umfasste.

Das Großreich unterlag aber um 907 den vordringenden Ungarn. Das heutige Mähren war dann teilweise unabhängig und kam nach etwa 955 vermutlich unter böhmische Oberhoheit. 999 bis 1019 eindeutig unter Polens Herrscher Boleslaw Chrobry, kam es 1031 endgültig zu Böhmen und wurde 1182 zur Markgrafschaft erhoben. Seitdem teilt es die Geschichte Böhmens, das 1349–1411 von Luxemburger Böhmen und später von 1526 bis 1918 von Habsburg regiert wurde. Ab 1918 gehörte Mähren zur Tschechoslowakei und seit 1992/93 zu Tschechien.

Historische Hauptstadt war bis 1641 Olmütz, welches eher zentral liegt. Seitdem ist es das größere Brünn.

Als Markgrafschaft Mähren bildete das Land im Kaiserreich Österreich-Ungarn ein eigenes Kronland und war mit einem eigenen Landtag vertreten. 1905 wurde ein Kompromiss namens Mährischer Ausgleich geschlossen, wonach die Landtagsabgeordneten der Deutschen und Tschechen in ethnisch getrennten Wahlkreisen gewählt wurden. Im Sinne eines angestrebten österreichisch-tschechischen Ausgleichs zielte dieser Kompromiss auf ein konfliktfreies Zusammenleben der beiden Völker in Mähren.

Bis 1945 existierte in Brünn eine deutschsprachige Technische Hochschule.

Nach der deutschen Diktatur über Mähren während des Zweiten Weltkriegs, als das Land zum Protektorat Böhmen und Mähren gehörte, wurde 1945/1946 fast die gesamte deutschsprachige Bevölkerung Mährens gemäß dem Potsdamer Abkommen aus ihrer Heimat vertrieben. Der „Brünner Todesmarsch” forderte nach heutigen Erkenntnissen zwischen 1.700 und 5.200 Menschenleben, davon sollen mindestens 890 im Lager Pohrlitz ums Leben gekommen sein.

Verwaltungsgliederung

Alte mährische Kreise

Karl IV. begann in der Mitte des 14. Jahrhunderts sein Königreich in große Verwaltungseinheiten einzuteilen. Eine solche Verwaltungseinheit hieß in den Urkunden auf deutsch Kreis, auf tschechisch kraj und auf lateinisch circulus. In Mähren bestanden zwischen zwei bis sechs Kreise.

Die Anzahl der Kreise und somit auch deren Größe änderte sich mehrmals. Diese Kreiseinteilung galt bis 1862, spielte aber schon kurz nach der Revolution von 1848 praktisch keine Rolle mehr für die Verwaltung.

Politische Bezirke und Gerichtsbezirke ab 1850

Ab 1850 wurden in allen Gebieten der Monarchie außer Ungarn die alten großen Kreise durch politische Bezirke (der Exekutive) ersetzt, von denen jeder aus einem oder mehreren Gerichtsbezirken (der Judikative) bestand. In den österreichischen Bundesländern besteht diese Einteilung bis heute. Normalerweise war ein politischer Bezirk (tschechisch: politický okres) kleiner als ein ehemaliger alter Kreis, und ein Gerichtsbezirk (tschechisch: soudní okres) ist kleiner als ein Politischer Bezirk. Mähren hatte 32 politische Bezirke.

Die nachfolgende Bezirkeinteilung galt für Mähren abgesehen von kleineren Änderungen bis 1938, also auch in der Ersten Tschechoslowakischen Republik:

Daschitz, Iglau, Trebitsch, Mährisch Budwitz, Neustadt in Mähren, Groß Meseritsch, Tischnowitz, Mährisch Kromau, Znaim, Mährisch-Schönberg, Hohenstadt, Mährisch Trübau, Boskowitz, Brünn, Auspitz, Nikolsburg, Römerstadt Sternberg, Littau, Olmütz, Prossnitz, Prerau, Wischau, Kremsier, Ungarisch Hradisch, Gaya, Göding, Bärn, Neutitschein, Mährisch Weißkirchen, Wallachisch Meseritsch, Holleschau, Ungarisch Brod, Mährisch Ostrau, Mistek, Wsetin.

Für die gleichzeitige Entwicklung in Böhmen und der Slowakei, siehe Okres.

Kreise und Bezirke unter deutscher Besetzung

Aufgrund des Münchner Abkommens vom 29. September 1938 wurde der vorwiegend deutschsprachige Teil Nordmährens dem Reichsgau Sudetenland des Deutschen Reichs zugeschlagen, südmährische Gebiete mit deutscher Bevölkerungsmehrheit wurden dem Reichsgau Niederdonau angegliedert. Das annektierte Gebiet wurde in Stadt- und Landkreise eingeteilt; übergeordnet waren Regierungsbezirke. Der restliche Teil Mährens im Protektorat Böhmen und Mähren blieb weiterhin in politische Bezirke und Gerichtsbezirke eingeteilt, wobei allerdings über je einer Gruppe von Politischen Bezirken noch ein Oberlandratsbezirk eingeführt wurde.

Im gesamten Reichsgau Sudetenland gab es 5 Stadtkreise und 52 Landkreise. Im Protektorat Böhmen und Mähren gab es 67 böhmische und 30 mährische politische Bezirke. Diese Verwaltungsgliederung galt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Literatur

Geschichte
  • Manfred Alexander: Kleine Geschichte der böhmischen Länder. Ditzingen: Reclam 2008. ISBN 978-3150106556 Inhaltsverzeichnis (aktuelle Überblicksdarstellung)
  • Karl Bosl (Hg.): Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bde., Stuttgart: Hiersemann 1966–1974. ISBN 978-3-7772-6707-4, ISBN 978-3-7772-7414-0, ISBN 978-3-7772-6827-9 bzw. ISBN 978-3-7772-7012-8. Inhaltsverzeichnis (detailliertes Standardwerk auf dem Forschungsstand der 1960erJahre)
  • Collegium Carolinum (Hg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. Vier Bände, bislang drei erschienen. München: Oldenbourg 1979ff. ISBN ISBN 978-3-486-49491-4, ISBN 978-3-486-52551-9 u. ISBN 978-3-486-55973-6. Inhaltsangabe
  • Collegium Carolinum (Hg.): Ortslexikon der böhmischen Länder. München/Wien 1983, ISBN 3-486-51761-9.
  • Walter Koschmal, Marek Nekula, Joachim Rogall (Hrsg.): Deutsche und Tschechen: Geschichte - Kultur - Politik. 2., durchges. Aufl., München: C.H. Beck 2003. (Becksche Reihe. 1414.) ISBN 3-406-45954-4
  • Jan Křen: Die Konfliktgemeinschaft. Tschechen und Deutsche 1780–1918. Übers. v. Peter Heumos. 2. Aufl., Studienausg. München: Oldenbourg 1999. (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. 71.) ISBN 3-486-56449-8. (Standardwerk)
  • Friedrich Prinz: Böhmen und Mähren. Berlin: Siedler 1993. (= Deutsche Geschichte im Osten Europas.) ISBN 3-88680-202-7. (populärwissenschftlich, aber auf breitem wissenschaftlichem Fundament)
  • Bernd Rill: Böhmen und Mähren - Geschichte im Herzen Mitteleuropas. Zwei Bde., Gernsbach: Katz 2006, ISBN 3-938047-17-8. (ausführlich, populärwissenschaftlich)
  • Ferdinand Seibt: Deutschland und die Tschechen. Geschichte einer Nachbarschaft in der Mitte Europas. 3., aktualisierte Aufl., München u. Zürich: Piper 1997. (= Serie Piper. 1632.) ISBN 3-492-21632-3. (Standardwerk zu den nachbarschaftlichen Beziehungen.)
Kulturgeschichte
  • Ingeborg Fiala-Fürst (Hg.): Lexikon deutschmährischer Autoren. Olomouc: Univerzita Palackého. Loseblattsammlung, bislang zwei Lieferungen, 2002 u. 2006. ISBN 80-2440477-X bzw. ISBN 80-2441280-2.
  • Jiří Holý: Geschichte der tschechischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Übers. v. Dominique Fliegler u. Hanna Vintr. Wien: Ed. Praesens 2003. ISBN 3-7069-0145-5.
  • Antonín Měšt'an: Geschichte der tschechischen Literatur im 19. und 20. Jahrhundert. Köln u. Wien: Böhlau 1984. ISBN 3-412-01284-X.
  • Hugo Rokyta: Die böhmischen Länder. Handbuch der Denkmäler und Gedenkstätten europäischer Kulturbeziehungen in den böhmischen Ländern. Drei Bde. Bd. 3: Mähren und Schlesien. 2., überarb. und erw. Aufl. Prag: Vitalis 1997. ISBN 80-8593817-0.
  • Lillian Schacherl: Mähren. Vollst. überarb. Neuausg., München u. New York: Prestel 1998. ISBN 3-7913-2029-7.
  • Walter Schamschula: Geschichte der tschechischen Literatur. Drei Bände. Köln, Weimar u. Wien: Böhlau 1990-2004. ISBN 3-412-01590-3, 3-412-02795-2 bzw. 3-412-07495-0.
  • Jürgen Serke: Böhmische Dörfer. Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaft. Wien u. Hamburg: Zsolnay 1987. ISBN 3-552-03926-0. (populärwissenschaftliches Standardwerk zur deutschsprachigen Literatur der böhmischen Länder)

Siehe auch


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