- Orientierung (Architektur)
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In der Architektur versteht man unter Orientierung die Ausrichtung eines Baukörpers nach den Himmelsrichtungen und damit vor allem der Sonne, aber auch die Ausrichtung auf dem Grundstück im Verhältnis zur Umgebung.
Den Prozess der Suche nach der richtigen Lage für den Baukörper auf dem zur Verfügung stehenden Grundstück nennt man dagegen Positionierung.
Inhaltsverzeichnis
Orientierung zu Himmelsrichtungen
Sakrale Motivation
Die Ausrichtung zur Sonne ist bei Kirchengebäuden aus religiösen Gründen wichtig, das Wort Orientierung (zu Oriens, Osten) hängt mit der Ausrichtung von frühchristlichen und mittelalterlichen Kirchen an die östliche Richtung zusammen, fachlich Ostung. Ostung im Kirchenbau heißt: Orientierung nach dem tatsächlichen Sonnenaufgang, der zwischen Sommer- und Wintersonnenwende liegen kann.[1] Zweck dieser Ausrichtung ist, die Altarseite, die Seite des Chors, in das Morgenlicht zum Frühgottesdienst zu stellen, daher ist die Eingangsseite der Kirche ab dem Mittelalter immer die Westfassade (Westwerk). Über dem Portal von Kathedralen gibt es ab der Gotik prächtige Rundfenster, durch die die Abendsonne fällt.
In der chinesischen Architektur spielt die Himmelsrichtung ebenfalls eine ganz zentrale Rolle: Die Verbotene Stadt in Peking – wie alle Planstädte und insbesondere Kaiserstädte seit Xi’an der Zeitenwende – hat einen annähernd schachbrettartigen Grundriss, der exakt an der Nord-Süd-Achse als Ebenbild der kosmischen Ordnung ausgerichtet ist. Dasselbe gilt für Begräbnisstätten, die der Feng-Shui-Regel des „ein Berg im Norden im Rücken, Wasser im Süden“ folgen müssen.
Kalendarische Aspekte
Im Sakralbau wurden allgemein die Anlagen und Bauwerke oft nach den Himmelsrichtungen orientiert, bei prähistorische Anlagen geht man heute davon aus, dass es sich um Meßinstrumente der Himmelsbeobachtung und astronomischen Kalendergrundlagen handelt:
Im Hügelgrab von Newgrange in Irland ist der Eingang nach Osten orientiert. An etwa 13 Tagen dringt um die Wintersonnenwende bei Sonnenaufgang ein Lichtstrahl für ca. 15 min in die Grabkammer.
Solche Lichteffekte finden sich weltweit, von den Bauwerken Ägyptens und Mesopotamiens, über Indien bis hin zu den vorkolumbischen Hochkulturen Amerikas, sodass Zufall unwahrscheinlich erscheint.Tatsächlich dürften alle sakralen Orientierungen auch Aspekte der Zeitrechnung umfassen (vgl. Maria Lichtmeß, 2. Februar)
Profanbauten
Bei profanen Bauwerken wählt man eine Orientierung, um eine optimale Belichtung des Gebäudes zu gewährleisten. Die Ausrichtung nach Süden ist für die Architektur des nördlicheren Mitteleuropa typisch, und an alten Bauernhöfen bis heute lesbar – in heißeren Gegenden orientiert sich das Gebäude meist in die schattigeren Nordrichtungen. Hier ist weniger eine genaue Himmelsrichtung von Bedeutung, in gebirgigeren Regionen mit winterlicher Abschattung etwa orientiert sich das Gebäude nach der am Ort herrschenden besten Richtung, und kann dann etwa auf Südsüdost statt ortsüblichen Süden weisen.
Die richtige Orientierung nach Himmelsrichtungen spielt heute vor allem bei der Solararchitektur eine entscheidende Rolle, um solare Wärmegewinne zu optimieren.
Orientierung zur Umgebung
Bei der Orientierung von Gebäuden spielt auch die Umgebung ein wichtige Rolle. Bei einer spektakulären Aussicht wird man das Gebäude dorthin orientieren und öffnen. Besteht dagegen bei einem Haus die Gefahr des Einblicks durch Nachbarn wird man es so orientieren, dass die Privatsphäre möglichst gewahrt bleibt.
Ausrichtung der Räume
Vielfach werden auch die Räume in ihrer Funktionalität bevorzugt zu bestimmten Himmelsrichtungen ausgerichtet. Hier einige Beispiele:
- Schlafzimmer nach Osten - Sonnenlicht am morgen
- Esszimmer und Wohnzimmer nach Westen - abends lange Sonne
- Künstler-Ateliers nach Norden - Blendfreies indirektes Nordlicht
- Klassenzimmer nach Osten - ausreichende Belichtung während der Unterrichtszeiten am morgen.
Einzelnachweise
- ↑ Erwin Reidinger: „Mittelalterliche Kirchenplanung in Stadt und Land aus der Sicht der Bautechnischen Archäologie; Lage, Orientierung und Achsknick.“ In: Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich, Band 21/2005, Wien 2005, S. 49-66, ISSN 1011-0062; Erwin Reidinger: „Passau, Dom St. Stephan 982: Achsknick = Zeitmarke“. In: „Der Passauer Dom des Mittelalters“, Veröffentlichungen des Instituts für Kulturraumforschung Ostbaierns und der Nachbarregionen der Universität Passau, Band 60, Passau 2009, S. 7-32, ISBN 978-3-932949-91-3, ISSN 0479-6748.
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