- Orsanmichele
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Die Kirche von Orsanmichele (oder Or San Michele) an der Via Calzaiuoli in Florenz ist in Form und Bedeutung ein einzigartiges Bauwerk. Dieser quadratische Palast hat die doppelte Funktion eines städtischen Getreidespeichers und eines Oratoriums. Er wurde zwischen 1337 und 1350 errichtet. Der eigenartige Name Or San Michele ist abzuleiten von einem Nonnenkloster des 8. Jahrhunderts, das hier ursprünglich stand und „San Michele in Orto“ hieß (orto = Garten).
Geschichte
Im ursprünglichen Zustand waren im Untergeschoß die Arkaden geöffnet. 1240 entstanden hier ein Getreidemarkt und eine offene Halle, um Händler und Ware gegen Regen zu schützen. Zur Erinnerung an die ehemalige Kirche brachte man zwei Heiligenbilder an den Wänden an, eines für den Hl. Michael und eines für die Gottesmutter. Das letztere wurde angeblich wundertätig. Seit dieser Zeit wurde hier die Funktion eines Getreidehandels mit der einer Anbetungsstätte verbunden.
Die äußeren Arkaden wurden erst 1367 geschlossen und mit besonders kunstvollen Maßwerkfenstern verziert. Die Bedeutung der Kirche für die Kunstgeschichte begann aber eigentlich erst 1348, in dem für Europa so verheerenden Jahr der ersten Pestwelle. Die Bruderschaft von Or San Michele war damals überaus reich geworden, da diejenigen, die von der Pest verschont worden waren, aus Schuldgefühlen oder zur Sühne insgesamt 350.000 Florentiner Gulden spendeten. Das war mehr als die Jahreseinnahme der Stadtregierung. Und so konnte es sich die Bruderschaft leisten, einen großen Marmortabernakel in Auftrag zu geben. Da aber der Getreidemarkt nicht zur Schönheit des Tabernakels passte, verlagerte man den Getreidehandel an einen anderen Ort. Das Untergeschoss diente fortan als Oratorium. Das war das erste Mal in der Florentinischen Geschichte, dass der Handel einem Kunstwerk weichen musste. Die oberen Geschosse des Gebäudes behielten ihre profane Funktion als Getreidesilo für Notzeiten bis ins 16. Jahrhundert.
Im 14. Jahrhundert erhielt das Gebäude eine weitere Funktion: Es wurde Zentrum der Zünfte. Diese stifteten in den nächsten Jahrzehnten nach und nach für die 14 Nischen an den vier Außenwänden der Kirche Plastiken ihrer Schutzpatrone oder anderer passender Heiliger. Und da die Zünfte reich waren, wurden nur die bedeutendsten Künstler beauftragt. Die Zünfte waren trotz ihres Kapitals zuerst nicht so sonderlich begierig, viel Geld für Kunst auszugeben. Diese Haltung hat sich in Florenz erst später durchgesetzt. Als zu Beginn des 15. Jahrhunderts erst eine einzige Nische mit einer Statue besetzt war, setzte die Kommune 1406 eine Zehnjahresfrist, innerhalb der jede Zunft ihrer Pflicht Genüge getan haben musste. Und tatsächlich wurden in den folgenden zehn Jahren alle fehlenden 13 Nischen mit Standbildern ausgestattet.
Entlang der Außenmauern von Orsanmichele stehen jetzt Nischen und Tabernakel mit Statuen der Schutzpatrone der Gilden. Darunter sind Nanni di Bancos Quattro Santi Coronati (Vier gekrönte Heilige (1408), Donatellos Hl. Georg, Lorenzo Ghibertis Johannes der Täufer (1414–16) und Andrea del Verrocchios Hl. Thomas (1464–83). In der Kirche steht Andrea Orcagnas gotischer Tabernakel (1355–59).
Literatur
- Zimmermanns, Klaus: Florenz. Köln [1984] 6. Auflage 1990, S. 85-86.
Weblinks
Commons: Orsanmichele – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien43.77086111111111.254805555556Koordinaten: 43° 46′ 15″ N, 11° 15′ 17″ OKategorien:- Kirchengebäude in Florenz
- Gotik
- Renaissance
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